Kommentar:Langstrecke am Ende

Haile Gebrselassie gegen Paul Tergat, Dieter Baumann gegen den Rest: Die Langstrecke war einst ein Aushängeschild der Stadionleichtathletik. Das hat sich zum Start der neuen Saison grundlegend geändert.

Von Johannes Knuth

Die Organisatoren hatten sich schnell auf ein Wort geeinigt: "Kolossal" sei die Besetzung, die an diesem Freitag in Eugene/USA die 10 000 Meter in Angriff nehmen wird, beim dritten Halt der diesjährigen Diamond League. Tatsächlich haben sie in Eugene ein nettes Feld zusammengetragen: Mo Farah wird kommen, der Olympiasieger über 5000 und 10 000 Meter, sechs Kenianer, deren Bestzeiten unterhalb der 27-Minuten-Schwelle vermerkt sind, und ja, auch ein bisschen deutsche Lauf-Prominenz steht auf der Gästeliste: Arne Gabius, 34, lässt sich zum ersten Mal in diesem Jahr auf der Bahn blicken.

Es klingt paradox, doch tatsächlich bestätigt das Festtagsaufgebot in Eugene einen anderen Trend: Die Welt der 10 000 Meter, einst Aushängeschild der Stadionleichtathletik, schmilzt wie Schokoladeneis in der Frühsommersonne. Immer mehr Organisatoren führen die Langstrecke nicht mehr im Sortiment. Auch deshalb hat sich die halbe Weltspitze für den Lauf in Eugene eingeschrieben, notgedrungen, irgendwann müssen sie ja die Norm für die WM in Peking erfüllen. "Die 10 000 Meter existieren praktisch nicht mehr, auch die 5000 Meter verschwinden langsam", sagt der Italiener Renato Canova, einer der bekanntesten Übungsleiter der Branche. Warum das so ist, lässt sich anhand der Gehaltstabellen der großen Meetings nachweisen. Nur die allerbesten Läufer verdienen anständig. Das führte zuletzt dazu, dass manche Athleten in gut bestückten Läufen die 5000 Meter in weniger als 13 Minuten zurücklegten, einer bemerkenswerten Zeit also - am Ende konnten sie mit ihren Prämien nicht einmal Flug und Hotel bezahlen.

Man kann es dem Nachwuchs kaum anlasten, dass er sich gar nicht erst in den Stadien blicken lässt, wie einst die Gebrselassies und Bekeles, dass er sofort ins lukrativere Marathongewerbe einsteigt. Die Jungen können härter, länger trainieren als die Alten, mancher Weltrekord auf der Straße hatte zuletzt kaum ein längeres Haltbarkeitsdatum als die Butter im Kühlschrank. Diese Asymmetrie zwischen Straße und Bahn ist kaum aufzuhalten, sie wird die Leichtathletik künftig aber um ein paar schöne Duelle berauben. Dieter Baumann gegen die Afrikaner, Gebrselassie gegen Tergat, Farah, der sich in der flirrenden Atmosphäre 2012 in London vom Feld löste - vergleichbare Auftritte werden der schwächelnden Stadion-Leichtathletik fehlen. Farah hat neulich zwar ausgerichtet, dass er der Bahn treu bleiben wird. Allerdings nur bis 2017. Dann will er sich ganz dem Marathon widmen.

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