Flüchtlingskrise in Asien:In der Heimat verfolgt, auf der Flucht misshandelt

Rohingya-Flüchtlinge bekommen Hilfe von Fischern

Thailändische Fischer helfen den Rohingya an Bord eines Flüchtlingsschiffes

(Foto: dpa)
  • Wegen der Flüchtlingskrise in der Andamanensee und der Straße von Malakka haben sich in Bangkok Vertreter aus 17 Ländern zu einer Konferenz getroffen. Insbesondere Myanmar, aus dem Tausende Rohingya fliehen, steht in der Kritik.
  • Thailand, Malaysia und Indonesien, die Flüchtlinge auf Booten zurückgewiesen haben, signalisieren nun Hilfsbereitschaft - in einem beschränkten Rahmen.
  • Ursache der Krise sind insbesondere Maßnahmen gegen Schlepperbanden in Thailand und Malaysia.

Vertreter aus 17 Ländern haben sich auf einer Konferenz in Bangkok darauf geeinigt, wie sie auf die Flüchtlingskrise in Südostasien reagieren wollen: Mit mehr Jobs, Bildung und einer besseren medizinischen Versorgung sollen neue Flüchtlingsdramen verhindert werden.

Zusätzlich wollen die Länder einerseits mit Informationskampagnen vor Menschenhändlern warnen, andererseits aber auch mehr Wege für legale Migration finden. Auch Myanmar, aus dem die meisten Flüchtlinge kommen, habe die Abschlusserklärung mitgetragen, betonte ein thailändischer Diplomat. Das Land wies allerdings jede Verantwortung an der Krise zurück..

Anlass der Konerenz war der Zustrom von Bootsflüchtlingen, der laut dem thailändischen Außenminister Thanasak Patimaprakorn ein "alarmierendes Niveau" erreicht hat, wie der Guardian berichtet. Der Chef der Internationalen Organisation für Migration (IOM), William Lacy Swing, sprach in Bangkok von der größten Welle von Zwangsmigration seit dem Zweiten Weltkrieg.

In den vergangenen Wochen sind mehrere Tausend Angehörige der Volksgruppe der Rohingya aus Myanmar und Menschen aus Bangladesch über das Meer in Richtung Indonesien, Malaysia und Thailand geflohen, Tausende weitere befinden sich offenbar teils seit Wochen in völlig überfüllten Booten auf See.

Die muslimischen Rohingya fliehen vor Diskriminierung, Unterdrückung und Verfolgung durch die buddhistische Mehrheit in Myanmar. Unter den Flüchtlingen sind allerdings auch viele Bangladescher, die hoffen, in anderen Ländern einen Job zu finden. Allein in den vergangenen drei Jahren haben Schätzungen der Vereinten Nationen mehr als 120 000 Flüchtlinge Myanmar und Bangladesch verlassen, 25 000 allein im ersten Quartal 2015. Die meisten sind über den Seeweg nach Thailand und von dort weiter in Richtung des muslimisch geprägten Malaysia geflohen.

Fluchtweg über Thailand unterbrochen

Eine Ursache der gegenwärtigen Zuspitzung der Lage sind die Maßnahmen der Regierungen in Thailand und Malaysia gegen Schlepper. Nach der Entdeckung von fast 30 Lagern der Menschenschmuggler war der Landweg über Thailand in Richtung Malaysia für die Flüchtlinge unterbrochen. Viele Migranten wurden von den Schmugglern deshalb in den Booten im Golf von Bengalen, in der Andamanensee und in der Straße von Malakka sich selbst überlassen. Die völlig überfüllten Schiffe ohne ausreichende Nahrung und Wasser tauchten dann vor den Küsten Thailands, Malaysias und Indonesiens auf.

Die Seestreitkräfte der drei Länder waren von ihren Regierungen angewiesen worden, die Flüchtlingsboote abzudrängen. Nachdem indonesische Fischer einigen Hundert Migranten an Land geholfen hatten, hatte die Regierung sie angewiesen, nur noch einzugreifen, wenn deren Boote sinken.

Die Flüchtlinge seien "extrem unwillkommen" in diesen Ländern, sagte Chris Lewa vom Arakan Project - einer Gruppe von Rohingya-Aktivsten der BBC. "Myanmars Nachbarn widerstrebt es, irgendwelche Unterstützung zu leisten."

Die internationale Gemeinschaft hat Thailand, Malaysia und Indonesien deshalb eine Politik der Zurückweisung vorgeworfen.

Wie furchtbar die Situation der Flüchtlinge ist, hat die Entdeckung der fast 30 Lager der Schleppernetzwerke im Dschungel an der Grenze zwischen Thailand und Malaysia gezeigt. Dort waren fast 140 Gräber gefunden worden. Die Sicherheitsbehörden sind darüber hinaus auf Hinweise gestoßen, dass Flüchtlinge in den Lagern gefoltert und misshandelt wurden. Offenbar haben Schlepper die Flüchtlinge dort wie Gefangene gehalten, um ihre Familien um Geld zu erpressen, wie Überlebende berichten. Die Camps in Malaysia müssen nach Polizeiangaben schon jahrelang in Betrieb gewesen sein.

"Diese brutalen Netzwerke profitieren von der Verzweiflung und dem Elend der am meisten verfolgten und vernachlässigten Menschen der Welt und stecken mit Regierungsbeamten unter einer Decke", sagte Brad Adams von Human Rights Watch. Der menschenrechtspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Tom Koenigs, sagte der Welt, die Situation in Myanmar grenze an einen Völkermord.

Unter internationalem Druck haben sich Malaysia und Indonesien inzwischen zur vorübergehenden Aufnahme von Flüchtlingen bereit erklärt. Sie bestehen aber darauf, dass die internationale Gemeinschaft sie binnen eines Jahres umsiedeln soll. Auch Thailand schließt die Einrichtung von Lagern nicht aus.

Umstrittene Herkunft

Etwa eine Million Rohingya leben in Myanmar im Rakhaing-Staat (Rakhine). Als Muslime sind sie im mehrheitlich buddhistischen Myanmar systematischer Diskriminierung ausgesetzt. Die Regierung betrachtet sie als illegale Migranten aus dem benachbarten Bangladesch und lehnt bislang jede Verantwortung für die Volksgruppe ab. Sie verweigert ihnen deshalb die Staatsbürgerschaft. Auch als eine der mehr als 100 ethnischen Gruppen im Land sind sie nicht offiziell anerkannt. Die Muslime leiden unter Sondersteuern, die Kindersterblichkeit ist hoch.

Die Rohingya selbst betrachten sich als Nachfahren von Einheimischen, die bereits vor langer Zeit den von arabischen Händlern eingeführten muslimischen Glauben angenommen haben. Im nördlichen Teil Rakhines bilden sie die Bevölkerungsmehrheit. Wegen der Befürchtung der buddhistischen Bevölkerung im Süden von Rakhaing, zur Minderheit zu werden, ist es in der Vergangenheit immer wieder zu tödlichen Auseinandersetzungen zwischen beiden Gruppen gekommen. Angefeuert wurden die Konflikte vor allem durch buddhistische Nationalisten.

Die Konflikte und die Unterdrückung und Verfolgung der Rohingya treibt schon seit Jahren Tausende Angehörige der Volksgruppe in die Flucht, etwa eine Million leben bereits im Exil in Malaysia, Thailand, Pakistan und Saudi-Arabien.

Mehrere Hunderttausend Rohingya sind in der Vergangenheit auch nach Bangladesch geflüchtet, das im Norden an den Rakhaing-Staat grenzt. Etwa 30 000 von ihnen sind in zwei offiziellen Flüchtlingslagern im südöstlichen Distrikt Cox's Bazar registriert. Die Lager Kutupalong und Nayapara existieren bereits seit 1991 und werden zum Teil auch vom Hochkommissariat der Vereinten Nationen UNHCR betreut.

Umsiedlung auf eine Insel geplant

Nun will die Regierung die Flüchtlinge auf die Insel Hatiya vor der Küste des Landes weiter im Norden umsiedeln. Das hat der Veraltungschef des Distrikts Noakhali, in dem die Insel liegt, der Deutschen Presseagentur bestätigt.

Bereits im November hatte Bangladeschs Premierministerin Sheikh Hasina ihre Beamten um Vorschläge gebeten, wohin die Flüchtlinge umgesiedelt werden könnten. Nun ist die Wahl ausgerechnet auf eine Insel gefallen, die bereits jetzt stark von Wirbelstürmen und Überschwemmungen bedroht wird - was durch den Klimawandel noch zunehmen dürfte.

Die Umsiedlung soll offenbar nicht nur wegen der Situation der Flüchtlinge erfolgen. Wie ein Vertreter der Regierung der Nachrichtenagentur AFP sagte, werde befürchtet, dass die Camps schlecht für den Tourismus in der Provinz Cox's Bazar sind. An der Küste dort liegt der längste ununterbrochene Sandstrand der Welt. Der mehr als 120 Kilometer lange Küstenstreifen gilt als bedeutende Attraktion für ausländische Besucher und Einheimische.

Unter den Rohingya herrscht die Sorge, dass sich ihre Lage durch die Pläne weiter verschlimmern könnte. Auch UNHCR-Sprecherin Onchita Shadman warnte vor einer Zwangsumsiedlung.

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