Bundesliga-Relegation:Feueralarm

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Die einzige HSV-Chance: Ivo Ilicevic bejubelt seinen Treffer zum 1:1. (Foto: Christian Charisius/dpa)

Nur eine echte Chance, Kacar und Westermann gesperrt: Nach dem 1:1 blickt der Hamburger SV bang auf das Relegationsrückspiel gegen Karlsruhe.

Von Jörg Marwedel, Hamburg

Für den Montagabend sollte die Karlsruher Feuerwehr alle Mann auf Abruf bereitstellen. Das alte Stadion im Wildpark werde um 19 Uhr "beben", hat KSC-Präsident Ingo Wellenreuther für das Relegationsrückspiel gegen den Hamburger SV angekündigt. KSC-Kapitän Dirk Orlishausen erwartet sogar, dass "der Wildpark brennt". Schon im Gästeblock der Hamburger Arena hatten einige der 4000 mitgereisten euphorischen badischen Fans ein Pyro-Feuerwerk entzündet, dessen Rauchschwaden minutenlang über den Platz zogen. Die vergleichsweise braven Hamburger hatten nur noch das allerletzte Lied zu bieten, das sie in ihrer Verzweiflung immer anstimmen: "Immer erste Liga, Ha-Es-Vau". Ob das wirklich so bleibt, ist nach dem 1:1 vom Donnerstagabend ungewisser denn je.

Auch gegen den aufstrebenden Zweitligaklub hat der HSV seine Erstliga-Tauglichkeit nicht nachweisen können. Das Remis gegen den lange Zeit überlegenen Widersacher aus Liga zwei war allenfalls der Beleg dafür, dass man sich zumindest wehrt gegen das nahe Ende in der Eliteklasse. "Wir waren am Boden und sind wieder aufgestanden", sagte HSV-Trainer Bruno Labbadia. Man habe sich das Unentschieden "erkämpft". Das ist ein merkwürdiges Statement eines Erstligisten nach einer Partie gegen einen Zweitligisten. Es klang - auch wenn es nicht so gemeint war - so, als rappele sich ein Boxer nach einem Niederschlag noch einmal auf, damit ihn der Gegner endgültig k.o. schlägt.

Aufgestanden war der HSV in der 73. Minute, als Ivo Ilicevic bei der einzigen herausgespielten Chance in 92 Minuten nach Zuspiel von Dennis Diekmeier zumindest noch das 1:1 erzielte und somit den frühen Rückstand durch den beim HSV ausgebildeten Rouwen Hennings (4.) egalisierte. KSC-Profi Dominic Peitz, der nach dem Fast-Erfolg redete wie ein aufgekratztes Geburtstagskind, fasste die unterschiedlichen Bedingungen so zusammen: "Wir sind ein Riesen-Team, bei dem alle miteinander arbeiten. Und wenn 50 Millionen nicht mehr einfällt . . ." Das war darauf gemünzt, dass der HSV mit seinem Lizenzspieler-Etat von mehr als 50 Millionen Euro nicht mal im Ansatz eine Idee entwickelte, wie das fest gefügte Spiel der 7,5-Millionen-Karlsruher mit raffinierten Spielzügen durcheinander zu bringen wäre.

Um die konterstarken Karlsruher auszuhebeln, bräuchte man keineswegs "der FC Bayern" sein, wie der bekümmerte Labbadia meinte. Vielleicht würden auch ein paar cleverere Laufwege reichen. Doch weil die Hamburger derzeit kaum das Niveau von Bayerns C-Mannschaft erreichen und immer wieder "brutale Ballverluste" hatten (Heiko Westermann), wäre in der 53. Minute fast schon die Entscheidung gefallen. Erst nagelte Manuel Torres den Ball aus acht Metern gegen die Torlatte, dann Dimitrij Nazarov aus 25 Metern. Es ging, wie KSC-Coach Markus Kauczinski erkannte, "um Millimeter".

"Keine sinnvolle Regelung": Bruno Labbadia zürnt

Es ist faszinierend, wie ein Team mit Profis, die schon Erfahrungen in der Champions League sammelten, gegen eine Gruppe von Spielern, die noch als Talente gelten oder erst eine bescheidende Zweitliga-Karriere hinter sich haben, in die Bredouille kommen kann.

Dominic Peitz etwa wurde zwar schon mal bei Union Berlin vom kicker als bester Zweitligaprofi der Saison 2009/2010 geadelt, doch eine Laufbahn in Liga eins blieb ihm bisher verwehrt. Augsburgs Trainer Markus Weinzierl schickte ihn in die zweite Mannschaft. Auch Rouwen Hennings, der Torschützenkönig der zweiten Liga, hat eine durchwachsene Zeit hinter sich. In der Jugend stach er in der Hamburger Auswahl noch Max Kruse aus, doch beim HSV wurde der damalige U21-Nationalspieler von Trainer Thomas Doll fortgeschickt. Er verbrachte dann einige Jahre beim VfL Osnabrück und beim FC St. Pauli, bevor er beim KSC und in Osnabrück teilweise in der dritten Liga verschwand. Nun aber hat der inzwischen 27-Jährige eine atemberaubende Entwicklung als Spätentwickler hinter sich.

Im Rückspiel müssen beide Teams auf Spieler verzichten, denen Schiedsrichter Deniz Aytekin die gelbe Karte zeigte. Bei Karlsruhe muss Peitz zuschauen, beim HSV Gojko Kacar und Westermann. Er halte das für "keine sinnvolle Regelung", die Karten aus den Punktspielen in die Relegation mitzunehmen, sagte Bruno Labbadia. Karlsruhes Profi Reinhold Yabo stellte zwar fest, man habe in Hamburg den Auftrag Kauczinkis ("Lauft, als sei es Euer letztes Spiel") erfüllt. Doch nun, fordert der Techniker Yabo, "müssen wir noch mehr Fußball spielen".

Ein 0:0 wäre der Aufstieg des KSC wegen der Auswärtstorregel. Labbadia wird trotzdem kein weiteres Trainings- lager in Malente ansetzen. Auch in Malente brannte es übrigens diese Woche. Der Coach hatte die Profis samt Anhang zum Lagerfeuer gebeten, um den Korpsgeist zu stärken. Es sah am Donnerstag nicht so aus, als könnte das den ersten HSV-Abstieg verhindern.

© SZ vom 30.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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