Serie Wirtschaftswunder:Wirtsleute aus Leidenschaft

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Hans Fischhaber junior und seine Mutter Maria führen den Landgasthof Berg aus Überzeugung. Sie servieren regionale Küche, die auch Rücksicht nimmt auf die Jahreszeiten

Von Benjamin Engel

Links neben dem Kachelofen hängt im Landgasthof Berg ein Bild König Ludwigs II. Das passt zur Gaststube, obgleich das stattliche Wirtshaus nicht im Dorf mit dem Schloss am Starnberger See steht, sondern ein paar Kilometer südöstlich in Berg bei Eurasburg. In der "Burg Stub'n" sitzen die Gäste unter einem Kreuzgewölbe an Holztischen mit grün-weiß karierten Tischdecken, auf denen Blumen und Kerzen stehen. Auf den Bänken an den Seitenwänden liegen farblich dazu passend grüne Kissen. Die Leuchten an der Decke erinnern an Petroleumlampen.

Das entspricht genau dem Geschmack von Hans Fischhaber junior und seiner Mutter Maria, die den Landgasthof seit beinahe 21 Jahren leiten. Von Anfang an wollte Fischhaber ein traditionelles bayerisches Gasthaus betreiben, das mit pseudoalpenländisch-verschnörkelter Kitsch-Deko nichts zu tun haben sollte. Das Gleiche gilt für seine Küche. "Surf und Turf wollte ich nie machen", sagt der 43-jährige gelernte Koch. Deshalb serviert er seinen Gästen traditionelle bayerische Gerichte von Leberknödelsuppe und Schweinsbraten bis hin zu Tafelspitz oder Sauerbraten. Wie alles andere macht er auch die Spätzle und Semmelknödel selbst. Ergänzt wird die Auswahl durch frischen Fisch aus dem Starnberger See oder der Zucht in der Aumühle sowie eine breite Kuchenauswahl.

Hans Fischhaber steht selbst am Herd seines Landgasthofs. Er legt Wert auf Qualität. (Foto: Hartmut Pöstges)

Je nach Saison variiert Fischhaber die Speisekarte. So gibt es im Frühling etwa Hollerküchl - dazu werden die frisch gepflückten Holunderdolden in Teig goldgelb ausgebacken - oder Bärlauchknödel. Nach der Ernte verarbeitet Fischhaber die Äpfel aus dem Obstgarten der Familie in Eurasburg zu Apfelstrudel oder -küchl. Er wolle möglichst regional arbeiten, sagt Fischhaber. So stammt das Fleisch von einem Metzger aus Murnau. Doch Qualität habe eben ihren Preis, weswegen er kein Essen für 5,99 Euro anbieten werde. Allerdings vermisse er in Deutschland die Wertschätzung für qualitativ hochwertig hergestelltes Essen, sagt Fischhaber und legt jegliche Form bayerischer Gemütlichkeit ab, als er auf die gesetzlichen Vorgaben angesprochen wird, die ihn bedrücken.

Ob Brandschutz, Allergenverordnung oder Rauchverbot: Ginge es nach Fischhaber, müsste der Staat seine gesetzlichen Vorgaben "abspecken", um den Gastwirten das Wirtschaften zu erleichtern. In der Gastronomie bräuchte es auch eine Mehrwertsteuersenkung, sagt er. Womöglich ist es aber gerade dieses Temperament und die Energie, die entscheidend mitgeholfen hat, um das Gasthaus so viele Jahre erfolgreich zu führen, das für "ganz normale Leute" da sein soll, wie Fischhaber sagt.

Von der Südterrasse aus hat man bei gutem Wetter einen schönen Blick auf die Berge. Daneben liegt der Spielplatz. (Foto: Hartmut Pöstges)

Protzerei würde wohl auch nicht recht passen zu dem kleinen Dorf mit dem Gasthof und der Kirche Sankt Margaretha, das auf einer Anhöhe in 720 Metern Seehöhe zwischen grünen Wiesen liegt. Über die Hügellandschaft können die Gäste in der warmen Jahreszeit vom Wirtsgarten unter Kastanienbäumen Richtung Süden blicken. Durch den Wald jenseits der Senke blitzen die Bergspitzen der Alpen.

Auf der kleinen Terrasse sitzen dank ihrer Südausrichtung sogar im Winter die Gäste, sobald die Sonne scheint. Bereits im 19. Jahrhundert existierte in Berg eine Gastwirtschaft. Mit dem Bau der Isartalbahn Ende des 19. Jahrhunderts, die von München über Wolfratshausen und Eurasburg bis Bichl führte, erlebte sie einen Aufschwung. Die Ausflügler seien von Eurasburg nach Berg herauf gewandert und von dort manches Mal bis zum Starnberger See, mit dem Schiff nach Starnberg und von dort wieder mit dem Zug nach München zurück, sagt Fischhaber.

Bis in die 1970er Jahre führte Maria Willibald vier Jahrzehnte lang die Gastwirtschaft mit Kegelbahn. Danach stand das Haus leer und verfiel mit der Zeit immer mehr, ehe Hans Fischhaber, langjähriger früherer Bürgermeister von Eurasburg, das Gebäude 1987 schließlich kaufte. "Die Fenster waren mit Brettern vernagelt", erinnert sich Maria Fischhaber. Sie hätten das ganze Gebäude von Grund auf sanieren müssen. Vieles hätten sie selbst übernommen. So habe ihr Mann sämtliche Wasserleitungen neu verlegt. Sie entkernten das ganze Gebäude und bauten um. Neben der Burg Stub'n richteten sie das Jäger-Stüberl für 25 Personen ein. Dazu kamen Doppelzimmer für Übernachtungsgäste. Schließlich bauten sie einen Saal an.

Sieben Jahre dauerte es, bis die Familie die Gastwirtschaft 1994 eröffnen konnte. Fischhaber junior war erst Anfang 20. Bis 2008 führte er gemeinsam mit seiner Mutter das Gasthaus. Als seine Ehe zerbrach, entschloss er sich, das Gasthaus zu verpachten. Die Schwierigkeiten mit dem Pächter häuften sich jedoch. Nach fünf Jahren übernahm Fischhaber junior wieder selbst. Heute ist er sich sicher: "Ein größerer Betrieb lässt sich nur in Familienstruktur führen." Er will weitermachen. Denn der Beruf sei trotz allem schön, weil er so vielfältig sei, sagt er. Noch heuer will sich Fischhaber mit dem Landgasthof Berg an einem kulinarischen Projekt der Tourismus Münsing Interessengemeinschaft beteiligen: Eine Radtour soll die Gäste zu verschiedenen Gasthäusern führen, die jeweils einen Gang eines Menüs servieren. Der Landgasthof Berg soll das Dessert übernehmen.

© SZ vom 01.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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