Meisterschaft der Waldarbeiter:Duell an der Kettensäge

Meisterschaft der Waldarbeiter: Ulrich Huber (rechts) ist Waldarbeiter-Weltmeister 2014. Nun will er den Deutschen Meistertitel und trainiert dafür gemeinsam mit Dirk Schmidt.

Ulrich Huber (rechts) ist Waldarbeiter-Weltmeister 2014. Nun will er den Deutschen Meistertitel und trainiert dafür gemeinsam mit Dirk Schmidt.

(Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

Jede Sekunde zählt, wenn Ulrich Huber die Kettensäge ansetzt: Er trainiert für die Deutsche Waldarbeitermeisterschaft. Im vergangenen Jahr gewann Huber einen Titel - doch nun stehen die Vorzeichen nicht ganz so gut.

Von Carolin Fries, Forstinning/Oberpframmern

Jede Sekunde zählt. Ulrich Huber konzentriert sich. Dann heult die Motorsäge auf und der 48-Jährige legt los. 30 Besenstiel-Stücke, die nach einem festgelegtem Schema in einem 60 Zentimeter hoch gelagerten Baumstamm stecken, gilt es beim Entasten möglichst sicher und schnell zu entfernen. Die Stümmel am Stamm dürfen maximal fünf Millimeter lang sein, sonst gibt es Strafpunkte.

Am Ende zeigt die Stoppuhr exakt 13,95 Sekunden. Das ist gut, sehr gut sogar in dieser Disziplin, die einen Teil der Waldarbeitermeisterschaften ausmacht. Es ist die Paradedisziplin des Forstinningers, der auch diesmal keinen Fehler macht. "So wär's recht am kommenden Wochenende", sagt sein Trainingspartner Dirk Schmidt, 39, aus Wolfersberg in Oberpframmern.

Der Titelverteidiger kommt aus der Schweiz

Die beiden Männer trainieren hier in einem Waldstück für die Deutsche Waldarbeitermeisterschaft. In insgesamt fünf Disziplinen gehen sie von Donnerstag bis Samstag, 4. bis 6. Juni, zusammen mit 120 Teilnehmern aus ganz Deutschland im württembergischen Königsbronn-Ochsenberg an den Start. Dabei werden die Augen der Konkurrenz vor allem auf Uli Huber ruhen: Er gewann im vorigen Jahr in der Schweiz den Weltmeistertitel - in der Einzel- und in der Mannschaftswertung. In der Einzelwertung stellte er mit 1676 Punkten sogar einen neuen Weltrekord auf.

"Team Germany" steht in roten Lettern auf der schwarzen Sicherheitshose. Die richtige Ausrüstung, der sichere Umgang mit der schweren Säge - auch das wird bei den Durchgängen gewertet. Wer das Visier des Schutzhelms nicht herunterklappt oder einen Schritt mit laufender Säge macht, bekommt Abzüge. Die Disziplinen sind an der praktischen Arbeit im Wald angelehnt: Fällen, Kettenwechsel, Präzisionsschnitt, Kombinationsschnitt und Entasten. Die Meisterschaften sollen über den "hochqualifizierten Ausbildungsberuf des Forstwirts" informieren, heißt es auf der Homepage des Deutschen Verbands für Waldarbeitsmeisterschaften. Schon die Lehrlinge messen sich im Wettkampf.

Meisterschaft der Waldarbeiter: Fünf Disziplinen muss Ulrich Huber trainieren: Kettenwechsel, Präzisionsschnitt, Kombinationsschnitt und Entasten.

Fünf Disziplinen muss Ulrich Huber trainieren: Kettenwechsel, Präzisionsschnitt, Kombinationsschnitt und Entasten.

(Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

Wie Huber zum Motorsägensport kam

Ulrich Huber ist gelernter Forstwirt, zum Motorsägensport ist er aber erst vor etwa 20 Jahren gekommen. Ein Bekannter sprach ihn an, er machte ein oder zwei Wettkämpfe im Jahr, der Erfolg war Nebensache. Erst vor zehn Jahren, kurz nachdem Dirk Schmidt in den Landkreis gezogen war und man sich auf eine Trainingsgemeinschaft verständigte, begann der Aufstieg in die Weltklasse.

Beruflich hatte Huber damals als Vorarbeiter zum Baubetriebshof nach Poing gewechselt - vielleicht zog es ihn auch deshalb nach der Arbeit wieder häufiger in den Wald. Doch liegt es auch an Schmidt, den Huber seinen "Meistertrainer" nennt. Schmidt wertet die Bewegungsabläufe von Huber aus, "ihm fällt immer alles auf", sagt Huber. Auch Dirk Schmidt hat schon einmal an einer Weltmeisterschaft teilgenommen: 2012 in Weißrussland.

Schmidt ist der einzige Teilnehmer an den Deutschen Meisterschaften, der als Förster arbeitet. Er ist Revierleiter bei der Agrar Grasbrunn GmbH. Bäume zielsicher fällen und entasten, das ist sein Job. Er kann die Zielfällung erklären und ausführen, als gäbe es nichts Leichteres. Dabei arbeitet er so geschickt wie präzise am Simulator und unfassbar schnell: Nur zwei Minuten Zeit hat er am Übungsstamm, für einen echten Stamm wäre es eine Minute mehr. Nahezu behutsam schiebt er das Sägeblatt die entscheidenden Millimeter tief ins Holz, der Lärm ist ohne Gehörschutz kaum zu ertragen.

Bäume fällen wird am Simulator geübt

Der echte Baum würde jetzt auf den Zielpflock einschlagen, beim Simulator misst Schmidt seine Treffsicherheit mithilfe eines Laserpointers. Sechs Zentimeter zu weit links wäre sein Baum in den Waldboden gekracht - das kann er besser. Dafür stimmen sämtliche Abstände und Winkel, die ebenfalls gewertet werden: Bei der Bruchleiste muss die Bruchhöhe zwischen 25 und 33 Millimetern liegen, der Fallkerb muss einen Winkel von 45 bis 55 Grad haben.

Meisterschaft der Waldarbeiter: Maßarbeit für den Meistertitel: Für den Präzisionsschnitt muss Ulrich Huber seine Kettensäge ultragenau einstellen.

Maßarbeit für den Meistertitel: Für den Präzisionsschnitt muss Ulrich Huber seine Kettensäge ultragenau einstellen.

(Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

Überhaupt geht in diesem Sport fast nichts ohne Winkelmesser. Beim Präzisionsschnitt muss eine Scheibe vom Stamm genau im 90-Grad-Winkel geschnitten werden, lediglich ein Grad Toleranz gilt noch als fehlerfrei. Der Schnitt muss möglichst tief durch den Stamm gehen, die Sägekette darf aber keinesfalls den Boden berühren. Huber und Schmidt schneiden in der Regel auf drei Millimeter Rückstand. "Augenmaß", sagt Schmidt.

Was beide als die "anspruchsvollste Disziplin" bezeichnen, ist der Kombinationsschnitt. Von zwei aufgebockten Stämmen gilt es dabei jeweils eine Scheibe zu schneiden. Die erste Hälfte wird von unten, die zweite von oben geschnitten. Die Schnitte müssen senkrecht zur Stammachse geschnitten werden und sich in der Mitte treffen. Vier Winkel werden nach dem Schnitt gemessen sowie der Versatz. Ulrich Huber schüttelt schon gleich nach dem Trainingsdurchgang den Kopf: "Das war nichts."

"Meine Verfassung könnte besser sein"

Er sollte Recht behalten. Woran es liegt? "Ich hab den Kopf nicht frei". Ratlosigkeit bei Schmidt. Da kann er auch nichts machen. Das Wechseln der Kette trainieren sie nicht, das muss jeder daheim üben. Huber nutzt dafür gerne die Mittagspause: Wenn die anderen Brotzeit machen, holt er die Motorsäge heraus. Zehn, elf Sekunden braucht er, "das habe ich optimiert". Sein Geheimnis: Es darf keinen Leerlauf geben, jede Hand muss die ganze Zeit etwas tun.

Das Training ist vorbei. Ein Durchlauf wie beim Wettkampf, das war's. Maximal zwei Stunden brauchen die Männer dafür. Wie sie ihre Form kurz vor der Meisterschaft einschätzen? Huber sagt: "Meine Verfassung könnte besser sein." Ein Platz auf dem Treppchen hat er sich dennoch vorgenommen. Die besten Zehn nehmen an der Kader-Findung des Deutschen Waldarbeitermeisterschaft-Verbands teil. Nach vier Wettkämpfen dürfen wiederum die drei Besten und ein Ersatzmann im kommenden Jahr zur Weltmeisterschaft nach Polen fahren. Bis dahin ist es für Ulrich Huber und Dirk Schmidt noch ein Stück Arbeit.

Noch zehrt Huber von den Erfolgen in der Schweiz, ein "Wahnsinn" sei das gewesen. Die erste Weltmeisterschaft überhaupt für ihn - und dann das. Zurück in Forstinning erwarteten ihn Anfragen von Fernsehen und Rundfunk, Huber trat bei Stefan Raab auf und mehrmals bei TV München. Dabei ist Huber alles andere als ein lauter Fernsehheld, er habe nur den forstwirtschaftlichen Beruf bewerben wollen, betontt er. Dass er sich nach Feierabend im von Mücken und Fliegen durchwaberten Wald mit einer acht Kilogramm schweren Motorsäge auf- und niederbeugt, das tut er nicht, um reich und berühmt zu werden: "Es macht mir einfach Spaß."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: