Garching:Brücken bauen zwischen den Kulturen

Garching: Das Fest der Vielfalt in Garching zeigte, wie bunt die Stadtgesellschaft ist - und das nicht erst, seit Flüchtlinge dazugehören.

Das Fest der Vielfalt in Garching zeigte, wie bunt die Stadtgesellschaft ist - und das nicht erst, seit Flüchtlinge dazugehören.

(Foto: Catherina Hess)

Seit 2005 setzt sich der Integrationsbeirat in Garching für eine bessere Verständigung ein. Er hat dazu beigetragen, dass sich die Bürger inzwischen auch mitverantwortlich für neue Mitbürger fühlen

Von Gudrun Passarge, Garching

Es sind Menschen wie Claudio Cumani, die das Rückgrat des Integrationsbeirats bilden. Der Astrophysiker aus Triest arbeitet seit 2001 als Software-Ingenieur bei der Eso in Garching. "Das ist meine Heimat geworden", sagt Cumani, deswegen sei es für ihn selbstverständlich, sich hier zu engagieren. "Und für mich persönlich ist es eine Möglichkeit, diese Gesellschaft besser kennenzulernen." Zehn Leute umfasst der Beirat, ihr größtes Ziel ist es "Brücken zu bauen", zwischen den Menschen, zwischen den Kulturen. "Ich sehe es als eine große Herausforderung", sagt die Vorsitzende Brigitte Kehrle.

Migration ist ein großes Thema in Garching, vom Campus bis nach Hochbrück. Cumani erzählt von einem gelungenen Spektakel, das der Integrationsbeirat vor der Europawahl 2014 auf dem Bürgerplatz organisiert hat. Dort haben nicht nur Garchinger unterschiedlichster Herkunft Märchen in ihrer Muttersprache erzählt, sie haben auch eine Weltkarte mit Nadeln bestückt. Eine Farbe für die Großeltern, eine für die Eltern, eine für die eigene Herkunft. "Da sieht man plötzlich, wie bunt Garching ist. Die meisten haben einen Migrationshintergrund." Auch viele Deutsche hätten Großeltern oder Eltern aus Polen, Tschechien oder einem anderen östlichen Land. Der Garchinger Integrationsbeirat begann seine Arbeit Ende November 2005. Seitdem ist viel passiert, betont Cumani. Im Stadtrat gab er eine kleine Zwischenbilanz des Engagements. Der Beirat habe sich für bessere Verständigung eingesetzt, Deutschkurse für Mütter organisiert, fremdsprachige Elternabende an Schulen, ein interkulturelles Training in den Kindergärten auf die Beine gestellt, mit der Stadt zusammengearbeitet und beispielsweise Flyer zur Mülltrennung oder Informationen zu Bestattungen in andere Sprachen übersetzt, mit Vereinen und Bildungseinrichtungen Veranstaltungen und Ausflüge organisiert. "Das Thema Integration wird von den Menschen mehr wahrgenommen", hat der Italiener festgestellt. Bei der Flüchtlingswelle aus Osteuropa in den Neunzigerjahren habe es noch viele Vorurteile gegeben, "aber inzwischen fühlen sich die Bürger verantwortlich für die neuen Mitbürger".

Unabhängig davon will der Integrationsbeirat den Menschen schnelle Hilfe vermitteln. "Wenn jemand aus Burundi oder dem Senegal kommt, dann können wir sofort Kontakte vermitteln, um die Sprachbarrieren zu überwinden", erklärt Kehrle. Sie betont, wie wichtig es sei, Netzwerke zu knüpfen und für jeden Fall den richtigen Ansprechpartner zu kennen. "Wir wollen die Hilfe unten ansetzen und nicht Wochen und Monate abwarten." Ganz gleich ob es um das Gesundheitswesen oder Schulfragen geht, der Integrationsbeirat kümmert sich darum. Teils auch sehr persönlich, wie Cumani erzählt. Zusammen mit seiner Frau betreut er eine afrikanische Familie mit italienischer Staatsbürgerschaft, die seit kurzem in Garching wohnt - zu fünft in einem Zimmer. Der Mann ist Ingenieur, gut ausgebildet, spricht mehrere Sprachen, Deutsch lernt er gerade, aber in Italien war er ohne Arbeit. Die sucht er jetzt hier und Cumani hilft ihm dabei, unter anderem unterstützt er ihn, eine gute Bewerbung abzugeben.

Flüchtlinge, Migranten, neue Mitarbeiter am Wissenschaftscampus, die Aufgaben sind vielfältig. Gerade überlegen die Mitglieder des Beirats, ob eine regelmäßige Sprechstunde für die Hilfesuchenden nicht sinnvoll wäre. Aber auch viele Garchinger fragen beim Integrationsbeirat an. Wie es denn mit den Flüchtlingen weiterginge? Wie deren Kinder in Kindergärten und Schulen versorgt würden? "Wir spüren bei Eltern und in der Nachbarschaft gewisse Ängste und Vorurteile", berichtete Şefika Seymen vom Integrationsbeirat im Stadtrat. Die Mitglieder des Beirats fordern deswegen von der Stadt einen besseren Informationsaustausch, damit sie diese Fragen beantworten können. Und sie würden gerne wissen, was die Stadtpolitiker von ihnen erwarten. Seymen kündigte einen Workshop am 11. Juni an, zu dem alle Stadträte eingeladen sind. "Wir wollen wissen, wie wir bei der Stadt stehen und wofür wir gebraucht werden." Bürgermeister Dietmar Gruchmann (SPD) und einige Stadträte haben bereits zugesagt.

Claudio Cumani jedenfalls weiß, was er vom Integrationsbeirat und seinem Engagement erwartet. "Es ist wirklich wichtig, dass Migranten nicht nur unter sich bleiben, sondern sich mehr einmischen und mitgestalten", sagt der Mann, der auch im Bayerischen Integrationsbeirat mitarbeitet. Er sieht die Vielfalt der Kulturen als Bereicherung einer Gesellschaft und hat für sich festgestellt, dass die Mitarbeit in diesem Gremium auch seiner eigenen Integration dient, schon wegen der Sprache. Denn im Beruf spricht er nur Englisch und Spanisch. Der Ingenieur sieht sich selbst als privilegiert an. Probleme wegen seiner Herkunft habe er in Bayern nie gehabt. Es gab höchstens mal Leute, die seine Nationalität automatisch mit einer Arbeit in der Gastronomie verbunden hätten, oder die ganz erstaunt waren, dass ein Italiener auch pünktlich sein kann. Cumani kennt aber auch andere Beispiele. Etwa das einer früheren Sekretärin, die aus der Karibik kam und nach sechs Monaten lieber wieder nach Paris umzog. Sie sei hier häufig von der Polizei kontrolliert worden, habe sie erzählt. Und der Platz neben ihr in der U-Bahn sei oft leer geblieben.

Doch da setzt der Integrationsbeirat auf Hilfe und Aufklärung. Ein reger Austausch untereinander, von dem alle profitieren können. Das Fest der Vielfalt, das der Integrationsbeirat mit anderen Institutionen zusammen organisiert hat, ist einer der vielen Schritte auf diesem Weg.

Die Amtszeit des Integrationsbeirats endet offiziell am 27. Juni 2015. Für die nächste dreijährige Amtszeit sucht die Stadt Garching noch engagierte Menschen, denen es ein Anliegen ist, sich für eine gelingende Integration einzusetzen. Die Mitglieder des Integrationsbeirats sind ehrenamtlich tätig. Nähere Informationen erteilt die Integrationsbeauftragte Ingrid Stanglmeier Telefon 23 08 91 54; E-Mail: ingrid.stanglmeier@garching.de

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