Poing:Wunderliche Visitenkarte

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Ein Bild aus der Serie von Fotoarbeiten von Norbert Haberkorn. (Foto: Norberg Haberkorn)

Poing kauft eine Fotoarbeit von Norbert Haberkorn. Sie dokumentiert den Hinterhof des City Centers

Von Rita Baedeker, Poing

Dem Bahnreisenden mag der wundersame Willkommensgruß auf der Wand des City Centers Poing fast "chinesisch" vorkommen: "CityCener steht da in roten Lettern, darunter "P ing" in blauer Schrift. Offenbar sind dem Schriftzug irgendwann in den vergangenen sechs Jahren zwei Buchstaben abhanden gekommen. So lange jedenfalls steht da schon die Wortruine. Da stellt sich die Frage: Gab es keine Möglichkeit, diese zu ersetzen? Oder hat man den Ortsnamen Poing der irgendwie nach Peitschenknall klingenden Aussprache wegen gleich zu "Ping" verkürzt?

Jenes Schild taucht auch auf jeder der sechs Fotografien einer Bildtafel des Poinger Fotokünstlers Norbert Haberkorn auf, welche die Gemeindeverwaltung kürzlich angekauft hat. "Wondrous Consistency - CityCenerPing" lautet der Titel der Fotoarbeit, die eine sechsjährige Zeitspanne der Wahrnehmung und Beobachtung umfasst. Sie entstand während des Projekts "S2 - Life in Transit", in dem der Fotokünstler und S-Bahn-Pendler Momenteindrücke im Zug, im Vorbeifahren an Bahnhöfen, Gewerbegebieten und anderen urbanen Räumen festgehalten hat.

Der Titel dieser nun von der Gemeinde erworbenen Arbeit reflektiere, so Haberkorn, "Großspurigkeit und Anmaßung eines Unternehmens, das sich, wie der Titel vermuten lässt, international geben will. Wenn man aber als Pendler, als Geschäftsreisender oder Tourist von der S-Bahn nach Poing-Nord kommt, trifft man auf die riesige Wandfläche des City Centers, die den Fremden mit besagtem desolaten Schriftzug unverändert willkommen heißt." Und das erscheine ihm doch sehr merkwürdig, "wondrous" eben, sagt Haberkorn. Umso wunderlicher, als dieser S-Bahn-Ausgang einer der wichtigsten Eingänge nach Poing sei, gleichwertig dem Ortseingang nach Poing von der Straße her. "Ich frage mich: Wie begreift ein Unternehmer, ein Manager sein Wirken, wenn er oder sie an so einer exponierten Stelle des Ortszugangs seine Visitenkarte derart ramponiert hinterlässt? Vorne hui, hinten pfui!" Wobei diese Sichtweise ein Missverständnis sei, weil dieser Zugang doch kein Hintereingang ist. "Hat das Unternehmen das nicht begriffen? Oder denkt man nur ertragsorientiert?" Wobei: Auch der gesamte "Hinterhof" sei nicht gerade in einem beeindruckenden Zustand, wie man den Bildern entnehmen könne, findet Haberkorn.

Die Gemeinde habe, so Haberkorn, offensichtlich keine Mittel, die Firma entsprechend zu beeinflussen, habe den Missstand aber schon vor längerer Zeit im Unternehmen angesprochen.

Poings Bürgermeister Albert Hingerl bestätigt, die Firma auf den Missstand hingewiesen zu haben. "Wir haben diese Bildtafel aber nicht gekauft, um hier ein Zeichen zu setzen", sagt Hingerl. "Wir wollten die Arbeit eines ansässigen Künstlers kaufen, weil wir als Gemeinde das lokale Kunstgeschehen und lokal tätige Künstler fördern wollen." Zudem habe man ein besonderes Interesse an Kunstwerken, die sich thematisch mit der Gemeinde Poing auseinandersetzen. "Wir haben signalisiert, dass wir eine Arbeit von Norbert Haberkorn haben wollen", erklärt Hingerl. "Ausgesucht hat sie aber der Künstler selbst." Die Arbeit sehe er als Momentaufnahme, nicht als politische Aussage.

© SZ vom 03.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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