Urheberrecht:Recht am Ton

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Der legendäre amerikanische Saxofonist Ornette Coleman hat zwei junge Musiker der Gruppe "Antibals" wegen einer gemeinsamen Session-CD verklagt. Er ist dagegen, dass ziellose Improvisationen veröffentlicht werden.

Von Andrian Kreye

Der Saxofonist Ornette Coleman, der 1961 mit seinem Album "Free Jazz" der damals neuen wilden Musik einen Namen gab, hat die Musiker Jordan McLean und Amir Ziv verklagt. Die betreiben in Brooklyn die Afrobeat-Gruppe Antibalas, die bekannt wurde, weil sie die Hausband des Broadway-Musicals "Fela" war. Es geht dabei um ein Album, das McLean und Ziv herausgebracht haben, auf dem eine Session mit Coleman und den beiden zu hören ist.

Der Prozess wird interessant, weil es dabei eben nicht um Geld gehen wird. Bei Free-Jazz-Platten stehen die kulturelle Bedeutung und die Verkaufszahlen von ein paar hundert Stück ja ähnlich wie bei Lyrikbänden in keinerlei Verhältnis. Es geht also um das Urheberrecht in seiner reinsten Form. Darf Ornette Coleman die Veröffentlichung seiner eigenen Töne verbieten lassen? Angesichts des musikalischen Sperrmülls, der als Bonusmaterial der zahllosen Wiederveröffentlichungen erscheint, eine wichtige Frage.

Der Meister will keine ziellosen Improvisationen veröffentlichen

Aussage steht derzeit noch gegen Aussage. Die Musiker von Antibalas sagen, das Album sei bei mehreren Aufnahmen und im gegenseitigen Einverständnis entstanden. Colemans Seite (die Klage des 85-jährigen hat sein Sohn und Betreuer Denardo eingereicht) beharrt darauf, dass es sich lediglich um "teaching sessions" bei ihm zu Hause, also um privaten Musikunterricht gehandelt habe. Eine Veröffentlichung habe man bei Anfrage abgelehnt. Außerdem hätten die Musiker später ungefragt Aufnahmen mit einem Pianisten darübergelegt.

Die Indizien sprechen für Coleman. Sicher, McLean und Ziv, meinten es nicht böse. Sie sind vor allem Fans, haben ihr Label System Dialing Records genannt, eine Hommage an Colemans Album "Tone Dialing", und die CD "New Vocabulary", eine Anspielung auf Colemans letztes Studioalbum "Sound Grammar" von 2006.

Lädt man sich das Album herunter, bekommt man allerdings eine eher fahrige Session zu hören. Coleman spielt auf dem Altsaxofon wie immer mit durchdringender Klarheit. Er findet auch hin und wieder einen Dialog mit Schlagzeuger Amir Ziv. Jordan McLean verliert sich dagegen auf dem Keyboard in halbherzigen Elektrowabereien und quält seine Trompete durch Effektgeräte. Stücke verlaufen im Nichts oder brechen ab. Das mag als Free Jazz durchgehen. Allerdings hat Ornette Coleman seine Arbeit immer in Kompositionen eingebettet, die von lyrischer Schönheit und hoher Komplexität bestimmt waren. Ziellose Improvisationen veröffentlichte er jedenfalls nie. Davor soll ihn nun das Urheberrecht schützen.

© SZ vom 05.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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