Demonstrationen gegen den G-7-Gipfel:Kleingehaltener Protest

G7-Gipfel 2015 - Demonstration

Einsatzkräfte der Polizei stehen in den Straßen in Garmisch-Partenkirchen (Bayern) als sie eine Demonstration von Teilnehmer des Protestcamps gegen den G7 Gipfel begleiten.

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Alle paar Kilometer Checkpoints, eine gigantische Polizeipräsenz: Die Taktik der bayerischen Regierung, die Proteste möglichst klein zu halten, scheint zumindest am ersten Tag aufgegangen zu sein.

Von Oliver Klasen, Mittenwald und Garmisch-Partenkirchen

Staatsregierung: eins, G-7-Gegner: null

Wie es im Inneren von Joachim Herrmann an diesem Abend aussieht, wissen wir nicht. Der bayerische Innenminister, der das Sicherheitskonzept beim G-7-Gipfel verantwortet, ist vom Typ her eher der kühle Verwalter, von sich selbst gibt er wenig preis. Wir wissen also nicht mal, ob er das Champions League-Finale ansieht. So wie die Geschehnisse an diesem Samstag abgelaufen sind, spricht jedoch einiges dafür, dass er sich so fühlen kann wie ein Fußballer im Moment eines wichtigen Sieges. "Staatsregierung: eins, G-7-Gegner: null" mag er innerlich skandieren.

3600 Demonstranten sind am Nachmittag nach Garmisch-Partenkirchen gekommen. Nur 3600. Viel weniger als bei vergleichbaren Gipfel-Veranstaltungen. Viel weniger als zum Beispiel in Heiligendamm 2008 oder in Genua 2001. Wie viele Polizisten den 3600 G-7-Gegnern gegenüberstanden, wollen die Einsatzkräfte aus "Sicherheitsgründen" nicht sagen.

Gigantische Polizeipräsenz

Zwar mag es viele Gründe haben, warum vergleichsweise wenig Demonstranten gekommen sind, doch wenn es das Ziel der bayerischen Regierung war, mit einer gigantischen Polizeipräsenz möglichst viele Protestierer von vornherein abzuhalten, dann scheint es, als sei diese Taktik aufgegangen.

Das zeigt sich zum Beispiel auch in Mittenwald, südöstlich von Garmisch-Partenkirchen. Der Ort liegt nur etwa zehn Kilomter von Schloss Elmau entfernt. Hier hätte an diesem Samstag eigentlich auch eine Gegen-Demo stattfinden sollen. Doch die Stadt ist am Nachmittag so gut wie leer. Nur ein paar Touristen schlendern durch die kleine Fußgängerzone. Ein Mann sagt, er habe vorhin aus der Ferne am Bahnhof "zehn Leute mit Luftballons" gesehen. "Ich komme aus Düsseldorf. Da bin ich andere Demos gewöhnt", sagt er im Vorbeigehen noch.

Kolonnen von Polizeiwagen

Tatsächlich gab es am Samstagmittag eine kleine Kundgebung, bei der eine Gruppe engagierter Bürger 99 Luftballons hat aufsteigen lassen - so wie in Nenas berühmten Neue-Deutsche-Welle-Song. Die Aktion, so sagt Jörn Alexander, einer der Initiatoren, sollte ähnlich wie das Lied aus dem Jahr 1983 ein Friedenssignal sein. Man wolle an die Politiker der G-7-Staaten appellieren, einen neuen Kalten Krieg zu verhindern.

Am Nachmittag fahren in Mittenwald ständig Kolonnen von Polizeiwagen durch den Ort. Allerdings wirkt es so, als wüssten die Beamten selbst nicht so genau, was sie mit diesen Manövern bezwecken sollen. Den größten Menschenauflauf gibt es vor der Eisdiele in der Bahnhofstraße, wo sich am Nachmittag auch fünf Bereitschaftspolizisten aus Bayern mit Stracciatella und Zitrone erfrischen.

Zithermusik statt antikapitalistischem Protestsong

Gegen 16:45 Uhr dann, hat Josef Völkl genug. Er bringt die Postkartenständer in Sicherheit und räumt auch die Waren, die draußen vor seinem Souvenirladen in Auslagen liegen, jetzt lieber schnell weg. Er tut dies allerdings nicht, weil er Angst vor marodierenden G7-Gegnern hätte, sondern weil über dem Karwendelgebirge jetzt ein heftiges Gewitter aufzieht.

Obwohl es bald regnen soll, fangen drei Burschen vor dem Gasthaus Alpenrose jetzt spontan an zu musizieren. Es ist allerdings, nach allem was sich laienhaft sagen lässt, kein antikapitalistischer Protestsong, sondern "Musi" nach alter Väter Sitte. "Täglich Zithermusik in unserer Gaststube", steht auf einem Schild mit bayerisch weiß-blauem Hintergrund.

Alle paar Kilometer Checkpoints der Polizei

Ein Anruf beim Landratsamt ergibt zwar, dass für 20 Uhr tatsächlich noch eine Kundgebung angemeldet ist, organisiert vom "Aktionskreis angreifbare Traditionspflege". Dabei handele es sich um eine Gruppe, die sich für die Entschädigung von NS-Opfern einsetze und in der Vergangenheit mehrfach gegen die Treffen der Mittenwalder Gebirgsjäger und deren angeblicher Beteiligung an Massakern während des Zweiten Weltkrieg protestiert habe. Geplant ist eine Art "Open-Air-Kino", wie der Mitarbeiter in der Kreisverwaltung sagt. Höchst ungewiss zu diesem Zeitpunkt, ob das angesichts des drohenden Unwetters stattfinden kann.

Von Mittenwald zurück nach Garmisch sind es eigentlich nicht mal 20 Kilometer. Weil die B2 wegen der Demonstration dort am Samstagabend noch immer gesperrt ist, führt der Weg umständlich in einem riesigen Bogen über den Walchen- und den Kochelsee. Fast viermal so lang ist diese Strecke.

Auf der Fahrt kommt man sich mitunter vor wie in einem Bürgerkriegsgebiet. Alle paar Kilometer hat die Polizei irgendwelche Checkpoints aufgebaut. An einigen wird kontrolliert, andere, sind wohl nur für den Ernstfall gedacht. Nicht benutzte Absperrgitter lehnen an einem Baumstamm. Beamte lehnen an der Seitenfront ihres Mannschaftswagens und tippen in ihr Smartphone.

Am Sonntag könnten es deutlich mehr Demonstranten werden

In Garmisch deutlich weniger Demonstranten als erwartet, in Mittenwald ein Protest, der quasi nicht existent war: Der Samstag war aus Sicht der Gipfel-Organisatoren und der bayerischen Regierung ein Erfolg. Am Sonntag könnten sich allerdings in Mittenwald deutlich mehr Anti-G7-Aktivisten versammeln. Der Ort soll einer der Ausgangspunkte des Sternmarsches sein, der über die Lautersee-Alm möglichst nah an Schloss Elmau heranführen soll.

Josef Völkl, der Souvernirladen-Besitzer, wird sich das ansehen. Dass er seine Postkartenständer unerwartet wird in Sicherheit bringen müssen, damit rechnet er eher nicht. Und wenn, dann höchstens wegen des Wetters.

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