Wahl in der Türkei:AKP verliert absolute Mehrheit

Turkey's Prime Minister Tayyip Erdogan greets members of parliament from his ruling AK Party during a meeting in Ankara

Herbe Verluste für Erdoğans AKP.

(Foto: REUTERS)
  • Die AKP von Präsident Erdoğan hat bei der Parlamentswahl in der Türkei eine absolute Mehrheit verfehlt.
  • Damit benötigt die Partei einen Koaltionspartner.
  • Einen wesentlichen Anteil an dem Wahlergebnis hat der Einzug der pro-kurdischen Partei HDP.

HDP schafft wohl Sprung ins Parlament

Die islamisch-konservative Regierungspartei AKP von Präsident Recep Tayyip Erdoğan ist bei der Parlamentswahl in der Türkei laut Fernsehberichten stärkste Kraft geworden, hat aber aller Voraussicht nach die absolute Mehrheit verfehlt. Die Kurdenpartei HDP schaffte den Sprung ins Parlament, wie der Fernsehsender TRT nach Auszählung von mehr als 99 Prozent der Stimmen berichtete.

Demnach kam die AKP auf 40,8 Prozent der Stimmen. Zweitstärkste Kraft wurde den Berichten zufolge die säkulare Republikanische Volkspartei (CHP), gefolgt von der Nationalistenpartei MHP. Die HDP landete an vierter Stelle und erreichte 12,8 Prozent. Damit muss die AKP voraussichtlich erstmals seit ihrer Regierungsübernahme 2002 eine Koalition bilden.

Weg zum Präsidialsystem versperrt

Der einfachste Weg zu der von Erdoğan angestrebten Verfassungsänderung wird damit versperrt bleiben. Wahlziel der AKP war es, 60 Prozent der Abgeordnetensitze und damit eine verfassungsändernde Mehrheit zu erreichen. Das sollte ein Präsidialsystem mit ihm an der Spitze ermöglichen. Gegenwärtig hat der türkische Präsident vor allem repräsentative Aufgaben und offiziell kaum politische Befugnisse. Weder die AKP noch Erdogan haben erklärt, wie ein Präsidialsystem genau aussehen sollte. Bislang ist der Ministerpräsident Regierungschef. Die angestrebte Reform hätte das verändern können.

Maßgeblichen Anteil an einem Scheitern der Pläne Erdoğans hat der voraussichtliche Einzug der HDP in die türkische Nationalversammlung. Ansonsten wären sehr viel mehr Abgeordnetensitze an die regierende AKP gefallen. Die Sperrklausel für das türkische Parlament liegt bei zehn Prozent und wird von der HDP wohl nur knapp erreicht.

Wahlkampfende von Gewalt überschattet

Erdoğans hatte die HDP im Wahlkampf scharf angegriffen, obwohl der Präsident nach der Verfassung zur Neutralität verpflichtet ist. Die HDP war mit dem Ziel in den Wahlkampf gezogen, Erdoğans Präsidialsystem zu verhindern, und hatte vor einer "Diktatur" gewarnt.

Die HDP vertritt die kurdische Minderheit in der Türkei und ist außerdem zum Sammelbecken all jener geworden, die unzufrieden mit der Regierung der AKP sind. Zudem verlor die AKP im kurdischen Südosten der Türkei erheblich an Boden. Beobachter machten dafür unter anderem die Tatsache verantwortlich, dass sich die AKP-Regierung im vergangenen Jahr geweigert hatte, der kurdischen Stadt Kobanê im Norden Syriens im Kampf gegen die Dschihadisten-Miliz Islamischer Staat (IS) zu helfen.

Die Parlamentswahl ist die erste seit dem Amtsantritt von Präsident Erdoğan im vergangenen August. Erdogan war davor Ministerpräsident. Das Wahlkampfende war von schwerer Gewalt überschattet worden. Bei einem Sprengstoffanschlag auf eine HDP-Veranstaltung in der Kurden-Metropole Diyarbakir wurden am Freitagabend nach Angaben von Polizei und Ärzten mindestens 3 Menschen getötet und 220 verletzt.

Möglicherweise baldige Neuwahlen

Eine Regierungsbildung wird unter den sich abzeichnenden Umständen schwierig. Der hochrangige AKP-Politiker Burhan Kuzu sagte, baldige Neuwahlen seien unausweichlich. Laut der Verfassung kann der Staatspräsident neue Wahlen anordnen, wenn keine neue Regierung zustandekommt.

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