Nach Elmau:Einfach weitermachen

Gasturbine von Siemens

Siemens-Gasturbine für einen antiquierten Energieträger: Unternehmenschef Kaeser will von der Politik Unterstützung für die weltweite Energiewende.

(Foto: Siemens/oh)

Die G-7-Politiker wollen die Welt von fossilen Energieträgern wie Kohle, Öl und Gas befreien.

Von Karl-Heinz Büschemann

Es erscheint wie Ironie oder Trotz. Kaum hatte der Elmauer G-7- Gipfel am Montag mit einer Erklärung das weltweite Ende von Kohle, Erdöl oder Gas als Energieträger eingeläutet, zogen die Aktien von Peabody Energy, des größten Kohleabbauers der Welt, an der Wall Street erst einmal an. Auch das Papier von Exxon, des größten Ölkonzerns der westlichen Welt, blieb von der Erklärung aus den bayerischen Bergen unbeeindruckt, obwohl die Führer der westlichen Welt den Globus bis zum Ende des Jahrhunderts ganz auf erneuerbare Energie umgerüstet sehen wollen. Juckt es die Unternehmen, wenn Politiker Ziele formulieren, die 85 Jahre entfernt sind und weit über die üblichen Planungshorizonte von Managern hinausgehen? Nur wenig.

Immerhin einer gesteht ein, der Plan zur globalen "Dekarbonisierung", so das neue Schlagwort, habe eine Wirkung auf Unternehmen und Volkswirtschaften: Joe Kaeser, der Vorstandschef von Siemens. Die Worte von Elmau würden "die Ausrichtung von Forschung und Innovation für Generationen verändern", sagte der Manager am Tag danach auf dem CDU-Wirtschaftstag in Berlin. Will Kaeser einen strategischen Irrtum einräumen? Erst gerade hatte sich der Münchner Konzern aus dem Geschäft mit der Solar-Stromerzeugung zurückgezogen. War das ein Fehler? Kaeser sagt dazu nichts. Aber er nutzt die Stunde, um den Unionspolitikern zu erklären, was die geplante Politik der Dekarbonisierung allein für Deutschland bedeuten würde. In diesem Land müssten bis dahin " 99 Prozent der derzeitigen Autoproduktion mit Verbrennungsmotoren ersetzt werden". Das klingt utopisch. Kaeser schiebt den Schwarzen Peter an die Politiker zurück. Ein solch visionäres Ziel, sagt er, müsse "planvoll und überlegt in Handlungen umgesetzt werden". Gemeint sind Handlungen der Regierungen.

In der Wirtschaft macht sich nach Elmau verhaltener Groll breit

Und was tun die Unternehmen? Sie zucken erst einmal mit den Achseln. Ein BMW-Sprecher sagt: "Wir machen weiter wie bisher." Es sei "in Ordnung", ein solches Ziel zu formulieren, sagt er, weist aber auf die Welt der Autos hin, die heute noch völlig von Benzin und Dieselmotoren bestimmt wird. "Wir werden fossile Brennstoffe noch brauchen." Noch hat die Branche keine Lösung für die Zeit nach dem Öl. Nur so viel kann er sagen: "Wir sind auf dem Weg dorthin."

In der Wirtschaft macht sich nach Elmau verhaltener Groll breit. Jetzt soll die deutsche Energiewende, die nach dem Nuklearunglück von Fukushima vor vier Jahren und dem Ausstieg aus der Atomenergie die deutsche Industrie massiv durchschüttelte, auch noch weltweit umgesetzt werden, klagen einige. Die Herren in den Vorständen suchen nach Worten, die ihre Gereiztheit nicht allzu deutlich machen. Zum Beispiel Ulrich Grillo, der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie. Brav sagt er: "In Elmau wurde der Weg bereitet für eine Zukunft mit weltweit CO₂-armen Volkswirtschaften". Doch sogleich meldet er Zweifel an: "Der Weg dahin ist noch lang und steinig", sagt er zu dem Jahrhundertprojekt. Vor allem müssten alle Länder mitmachen, nicht nur ein paar Industrieländer. Große Kohle- und Ölverbraucher wie China und Indien, die in Elmau nicht am Tisch saßen, müssten ins Boot gezogen werden. Die G 7 müssten "noch viel Überzeugungsarbeit leisten", meint der BDI-Chef mit einiger Süffisanz. Auch er spielt den Ball an die Politiker zurück, die ihre Energiepolitik immer noch im kleinen nationalen Rahmen machen. "Die Zeit der nationalen Alleingänge ist vorbei", schimpft er, "wir brauchen dringend eine gesamteuropäische Energiewende". Ansonsten leide die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie.

Ein ranghoher Vertreter des BDI sagt, wenn keine Zeugen dabei sind, dass er an den Segen der Elmauer Beschlüsse überhaupt nicht glaubt. Länder wie die USA oder Russland, die stark von ihrer Öl- und Gasindustrie leben, fühlten sich wohl kaum berufen, auf diese Energieträger zu verzichten. Sein Fazit: "Es wird keine globale Energiewende geben."

Typisch ist die Reaktion des Essener Energiekonzerns RWE, der seinen Strom zum großen Teil aus Kohle und Braunkohle erzeugt und den schon die deutsche Energiewende an den Rand des Ruins gebracht hat. Man begrüße die Erklärung des G-7-Gipfels, sagt eine Konzernvertreterin. Die entspreche den Plänen des Essener Konzerns. "Der Beschluss der G 7 zeigt, dass wir mit dieser Strategie und unseren Wachstumsfeldern auf dem richtigen Weg sind." Ein erstaunliches Statement.

Geschickt greift die Lobby der Autoindustrie die Idee von Elmau auf, um die Politiker um handfeste Hilfen zu bitten. Die Branche kommt mit der Einführung des Elektroautos nicht voran, teils, weil sie mit wenig Engagement am Ersatz für die bisherigen Diesel- und Ottomotoren arbeitet, teils, weil sich die Käufer zurückhalten. Die Stromer sind teuer. Ihre Verkaufszahlen liegen weit hinter den Erwartungen zurück. Der Staat solle den Kauf von Stromautos mit hohen Steuervergünstigungen fördern, so die Forderung von Matthias Wissmann, des Präsidenten des Autoverbandes VDA. Die Politik müsse die ersten Schritte gehen, die auf dem langen Weg zur Dekarbonisierung nötig sei. "Wer sich wie die G 7 hohe Ziele setzt, muss den Weg dorthin ebnen", sagt Wissmann, der Präsident des Autoverbandes VDA. Am Montag will Wissmann bei einem Treffen mit der Kanzlerin seine Position klarmachen.

Andere werden folgen, die Politiker in die Pflicht nehmen und für den Klimaschutz die Hand aufhalten. Die Kanzlerin wird sich daran gewöhnen müssen, dass sie künftig jeden Tag an ihre weitreichende Ankündigung von Elmau erinnert wird.

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