Salmonellen-Skandal:Das große Herumeiern der Verbraucherschutzministerin

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  • Obwohl hunderte Menschen an Salmonellen erkrankten und es zwei Tote gab, schickten die bayerischen Behörden wichtige Proben erst Wochen später ins Labor.
  • Im Landtag nimmt Verbraucherschutzministerin Ulrike Scharf erstmals zum Salmonellen-Skandal Stellung.
  • Ihr Fazit: Die Kontrollbehörden hätten keinesfalls versagt, sondern einen guten Job gemacht. Doch wichtige Fakten blendet sie aus.

Von Philipp Grüll und Frederik Obermaier, München

Da erkranken europaweit Hunderte Menschen an Salmonellen. Mindestens zwei Menschen sterben, und die Spur führt zum größten Eierproduzenten Bayerns: der Firma Bayern-Ei. Die bayerischen Behörden schicken wichtige Proben erst mit Wochen Verspätung an das zuständige Labor, über wichtige Details werden Experten im Ausland erst spät informiert.

Und selbst als klar ist, dass eine gesamte Herde von Salmonellen befallen ist, schauen die Kontrolleure dort sieben Monate lang nicht mehr nach dem Rechten. Und dennoch ist für Verbraucherschutzministerin Ulrike Scharf klar: Die Behörden hätten ihren Job gut gemacht, der Vorwurf bayerischer Gleichgültigkeit sei falsch. Scharf und der Präsident des Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL), Andreas Zapf, präsentierten am Donnerstag im Umweltausschuss ihren Bericht über den Fall Bayern-Ei. Der lautet zusammengefasst: Alles gut.

Mehrere Stunden erzählten Zapf und Scharf von Kontrollen, die vorschriftsgemäß erfolgt seien, von Bürgern, die halt allzu oft nicht wüssten, wie man mit Eiern richtig umzugehen habe, und von einem Überwachungssystem, das sich "bewährt" habe. Entscheidende Fakten erwähnten sie allerdings nicht, spannenden Fragen gingen sie aus dem Weg.

Wie die Ministerin argumentiert

Das zentrale Argument von Scharf und Zapf: Die bayerischen Behörden hätten sofort reagiert, eine Gefahr für die Verbraucher habe nie bestanden. Hinweise auf mysteriöse Salmonellenausbrüche im Ausland habe es gegeben, es seien aber einige wenige gewesen unter Tausenden Warnungen, die jedes Jahr aus dem Ausland beim LGL landeten. Nichts Besonderes also? In den Jahren 2013 und 2014 wurden laut Bundesamt für Verbraucherschutz über das europaweite Warnsystem RASFF nur fünfmal Meldungen versendet, in denen es um deutsche Betriebe ging, die Salmonellose-Erkrankungen ausgelöst haben sollen. Drei davon betrafen Bayern-Ei.

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Bereits in der ersten Warnung vom 9. Juli war die Rede von Eiern der Firma Bayern-Ei, acht Tage später, so Zapf, sei festgestanden, dass es bei dem Fall um Salmonellen des Typs PT14b geht - einen Typ, der in Deutschland selten ist, aber in jenem Sommer auffällig oft in Niederbayern, wo Bayern-Ei seine Ställe hat, gefunden wurde.

Behörde schickt Proben erst sieben Wochen später ab

Am 11. Juli nahmen die Behörden Proben im Ettlinger Hof der Firma Bayern-Ei. Ob es sich um Salmonellen des Typs PT14b handelt, wurde allerdings erst vier Wochen später geprüft. So lange dauerte es, bis das LGL die Proben an das Robert-Koch-Institut weiterleitete. Dieser Test sei schließlich nur für eine "fachlich interessante Aufbereitung" wichtig, sagte Zapf am Donnerstag. Für den Verbraucherschutz spiele er keine Rolle.

Eine bemerkenswerte Aussage: Für den Verbraucherschutz sei es demnach also nicht wichtig, herauszufinden, ob ein Zusammenhang zwischen den französischen Salmonellose-Fällen und Bayern-Ei bestehen könnte. Das Ergebnis der Untersuchung lautete am Ende: PT14b. Und dennoch, für den Verbraucher habe keine Gefahr bestanden, so Zapf. Schließen hätten im Juli 2014 keine Eier der Handelsklasse A mehr den Betrieb verlassen, nur noch Handelsklasse B. Und die ist für die Industrieproduktion gedacht und muss abgekocht werden.

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Auch den Experten im Ausland teilte das LGL mit, dass Bayern-Ei seit 29. Juni 2014 keine A-Eier mehr ausgeliefert hätte. Die ganze Sache hat allerdings einen Haken: Ein genauer Tag, seit dem nur noch B-Eier ausgeliefert wurden, könne gar "nicht angegeben werden", wie das LGL auf Anfrage von SZ und BR mitteilte. Dass nur noch B-Eier ausgeliefert würden, wisse man überhaupt auch nur, weil es Bayern-Ei so mitgeteilt habe - ein Unternehmen, das bis zu diesem Zeitpunkt bei vier Eigenproben in Ettling angeblich nie Salmonellen gefunden hatte, während die Bakterien zur selben Zeit bei mindestens zwei amtlichen Kontrollen gefunden wurden.

Zapf und Scharf reagieren auf viele Vorwürfe nicht

Selbst auf mehrmalige Nachfrage von SZ und BR verweigerte das LGL Auskunft darüber, wann genau Bayern-Ei die Aussage getroffen habe, ob sie schriftlich oder mündlich erfolgte und ob sie dokumentiert wurde. Bayern-Ei wollte sich nicht weiter zu der Angelegenheit äußern. Die Aussagen mehrerer Bayern-Ei-Mitarbeiter legen jedenfalls nahe, dass womöglich weiterhin A-Eier ausgeliefert wurden.

Das Ganze bleibt eine von vielen Ungereimtheiten, auf die Zapf und Scharf im Umweltausschuss gar nicht erst eingingen. Ministerin Scharf betonte zwar, dass die Kollegen im Ausland stets "richtig" informiert worden seien. Dass die wichtige Information, wonach auch ein Stallbursche von Bayern-Ei an PT14b erkrankt war, aber erst nach mehr als zwei Wochen weitergegeben wurde, überging sie. Zapf lobte indes alle beteiligten Kontrolleure, verschwieg aber, dass diese die Staatsanwaltschaft nicht informiert haben, was in einem solchen Fall, in dem es auch um Todesfälle geht, eigentlich üblich wäre.

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Das Ministerium wusste nach eigenen Angaben seit dem 14. August, dass Bayern-Ei mit dem europaweiten Salmonellenausbruch in Verbindung gebracht wird. Aktiv wird das Ministerium aber erst jetzt, nachdem das Thema öffentlich geworden ist: Die Kontrollen bei Geflügelgroßbetrieben sollen verstärkt werden. Zuletzt wurden in drei von vier Bayern-Ei-Betrieben Salmonellen gefunden. In mindestens einem davon werden laut LGL derzeit A-Eier produziert - Eier, die auch für Supermärkte bestimmt sind.

© SZ vom 12.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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