TV-Doku über Ossi- und Wessi-Klischees:Ausgerechnet Bananen!

"Jammer-Ossi und Besser-Wessi", MDR

Der MDR spielt die Wiedervereinigung auch mit Puppen nach.

(Foto: Dana Hilpert/Mia Media/MDR)

Der MDR will die Geschichte der Klischees vom Jammer-Ossi und Besser-Wessi erzählen. Tatsächlich bildet die Doku das Klischee nur ab.

Von Cornelius Pollmer

Die deutsche Einheit ist in nicht wenigen Belangen bis heute eine deutsch-deutsche Zweiheit geblieben, in Fragen der Wirtschaft etwa und der Kultur, auch in solchen der Mentalität. Die Fortschritte des Zusammenwachsens aber sind unbestreitbar, erinnert man sich an die frühen Stunden der vereinigten Republik, zum Beispiel an den 3. Mai 1991. An diesem Tag erschien die zweite Ausgabe der von Burda konfektionierten Super!-Zeitung, einer Art Bild für die Zone. Geführt wurde das Blatt vom schon damals quartalswirren Franz Josef Wagner, an besagtem Tag im Mai titelte Super! "Angeber-Wessi mit Bierflasche erschlagen", Unterzeile: "Ganz Bernau ist glücklich, daß er tot ist".

Ganz so garstig geht es heute nicht mehr zu, das ist allgemein bekannt und zugleich die einzig vernehmbare Botschaft einer 90 Minuten langen Dokumentation des MDR. Jammer-Ossi und Besser-Wessi - Die Geschichte eines Klischees heißt der Film von Stefan Hoge, er ist Teil eines "Programmschwerpunkts 25 Jahre Einheit", bringt aber leider kaum eigenes Gewicht auf die Waage. Der MDR, der einst von dem Wessi Udo Reiter aufgebaut wurde und lange mit Ein Kessel Buntes an die DDR-Unterhaltung anknüpfte, verspricht zwar, die Geschichte des Klischees zu erzählen - tatsächlich bildet er es nur ab.

Es beginnt mit, na klar, Bananen und auch danach folgt der übliche Verschiebebahnhof vor dem Blue Screen. Im Hintergrund sieht man den Mauerfall, einen Trabi oder irgendwas mit Treuhand - im Vordergrund erzählen Achim Mentzel et al., dass es so oder vielleicht so, aber ganz bestimmt nicht anders gewesen sei. Das ist ermüdend genug und es wird so richtig schmerzlich, wenn die Klammerpüppchen ihren nächsten Auftritt haben. "Herr Westpfahl" und "Mandy Ostende" sehen aus wie Muppet-Show-Imitate aus dem Ein-Euro-Laden. Was sie sagen, ist so geistlos, dass man nicht einmal die geringe innere Kraft findet, es zu kritisieren.

Vom Gruppenpipi in die Xenophobie

Höhepunkte? Gibt es, wenn auch wenige. Es wird erinnert an die komplett bescheuerte These des Kriminologen Christian Pfeiffer, der den im Osten aufkommenden Rechtsextremismus präzise damit erklären zu können glaubte, dass im Unrechts- und Unfreiheitsstaat DDR die Krippenkinder gemeinsam auf den Topf gingen. Vom Gruppenpipi in die Xenophobie, das klingt wie ausgedacht, funktionierte damals aber als "Kausalnarrativ", wie es eine Wissenschaftlerin benennt: lieber eine einfache und depperte Erklärung für ein gesellschaftliches Problem als gar keine.

Dem Wort Kausalnarrativ hängt einem dann noch ein bisschen nach, weil es so gut passt, auch auf diesen Film. Darin kommt irgendwie alles vor, was einem nach drei Sekunden Nachdenken zum Thema Ost-West so einfällt. Kaum etwas davon ist klug arrangiert, es fehlen Struktur und ein Leitgedanke, es fehlen Neugier und vor allem der Respekt vor dem gesamtdeutschen Publikum. Dieses wird ein weiteres Mal mit den staubigsten unter den Ossi-Witzen belästigt, mit Gratis-Spott über modische Fehlleistungen der ausgehenden DDR und mit Wortbeiträgen von Gertrud Höhler. Das müsste man inzwischen selbst als Wessi zum Jammern finden.

Jammer-Ossi und Besser-Wessi, MDR, 16. und 23. Juni, jeweils 22.05 Uhr.

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