Karriere von Stefan Raab:Fünf goldene Raab-Regeln

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Karrierevorbild: Stefan Raab.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Stefan Raab steht nicht nur für strapazierte Hörnerven, unzählige TV-Formate und die endlose Debatte um seine Zahnreihe. Der Mann hat vor allem gezeigt, wie man Karriere macht.

Von Dorothea Grass und Matthias Kohlmaier

In einem Land, in dem Ausbildung und Herkunft oft mehr gelten als ein einzelner und seine Ideen, darf die Karriere des Entertainers Stefan Raab als Ausnahmeerscheinung gelten. Jetzt, nach gut 20 Jahren auf der Mattscheibe, davon allein 16 Jahren TV Total, will er seine "Fernsehschuhe an den Nagel hängen". Nächstes Jahr feiert Raab seinen 50. Geburtstag. Mit seinem Rückzug aus dem TV-Geschäft macht der gelernte Metzger wahr, was er schon 1998 im Spiegel ankündigte: mit 50 Jahren nicht mehr im Fernsehen auftauchen zu wollen.

Doch wie hat es der Mann aus Köln geschafft, vom Metzgergesellen zu einer der erfolgreichsten Figuren der deutschen Unterhaltungslandschaft zu werden? Fernsehmoderator, Entertainer, Unternehmer, Singer-Songwriter, Komponist sowie Fernseh- und Musikproduzent listet das Online-Nachschlagwerk Wikipedia unter seinem Namen auf. Welcher Karrierecoach hätte das für möglich gehalten?

SZ.de hat eine Handvoll Karriere-Regeln aus der Biographie Raabs gefiltert - durchaus mit Vorbildcharakter.

1. Sei frech

Ganz zu Anfang seiner Fernsehkarriere produzierte Stefan Raab Werbejingles und Fernsehspots. Seinen frechen Ruf zementierte er spätestens mit dieser Anekdote: Ende der Neunziger Jahre soll er seinen Bewerbungen ein Glas Honig mit Pinsel hinzugefügt haben. Dabei die Botschaft: Den Honig dürften sich die entsprechenden Personen selbst um den Bart schmieren. Dann müsse er es nicht tun.

Zeit seiner Laufbahn sollte der rotzfreche Ton eine Charaktereigenschaft Raabs bleiben. Ob vor der Kamera oder dahinter: Um Konventionen und besondere Höflichkeit scherte sich der Mann selten. Zeugnis darüber liefern die zahllosen Spontan-Interviews mit Menschen in der Fußgängerzone. Oder auch Raabs Auftritt bei Wetten dass..? im Jahr 2013, den er ungeniert dazu nutzte, Werbung für einen von ihm entworfenen Duschkopf zu machen und gleichzeitig den Moderator Markus Lanz aufs Peinlichste vorführte. Seine Unverschämtheiten schmälerten nie seinen Erfolg - eher im Gegenteil.

2. Sei anders

Man müsste diese Raab'sche Grundregel noch erweitern mit einem "- und zwar verrückt". Raab ist eine Art Pippi Langstrumpf der Unterhaltungsindustrie. Ein Macher, der jahrelang die eigene Ungezähmtheit kultiviert hat. Wie sonst kann es sein, dass sich ein Mann mit Nervensägen-Organ erfolgreich in einer Fernsehshow behauptet? Einer, der lange Zeit mit der gleichen Hose im TV auftrat? Mit einem Song mit dem Titel "Waddehaddeduddadah?" am deutschen Bild des Eurovision Song Contest rüttelte? Der sowohl Promis als auch seinen Haus-Fernsehsender dazu brachte, Wettkämpfe zu veranstalten, bei denen sich erwachsene Menschen auf Woks in Eiskanäle stürzen?

Nein. Hätten wir das vorher gewusst, wir hätten alle den Kopf geschüttelt. Und genau deswegen ist Raab der beste Beweis dafür, dass das vor allem im Berufsleben vielzitierte Argument "Das wird nie funktionieren" keines sein kann und darf.

Der "King of Kotelett", der das Unmögliche fordert

3. Stelle Althergebrachtes in Frage

Raab und Autoritäten - eine revolutionäre Mischung. Trafen beide aufeinander, waren es nicht selten die viel behuldigten Matadoren der Szene, die sich mit eingezogenem Schwanz trollten. So war es zum Beispiel auch, als sich Stefan Raab den Eurovision Song Contest vornahm, die Auswahlmodi von Grund auf änderte und damit nicht nur Ralph Siegel ausbootete, sondern später die ARD seinen eigenen Regeln unterwarf.

Unvergessen auch Raabs Auftritt beim TV-Duell zwischen Angela Merkel und Peer Steinbrück im Jahr 2013, bei dem in seiner Person zum ersten Mal ein Co-Moderator das Studio betreten durfte, der nicht als versierter Politik-Journalist galt. Die Öffentlichkeit kürte ihn im Anschluss zum "King of Kotelett", der für die Überraschung des Fernsehereignisses sorgte.

"Das haben wir noch nie so gemacht", das zweitbeliebteste Totschlag-Argument für neue Ideen - noch so ein Feind der Raab'schen-Karriereregeln. Wer seinem Weg nacheifern will, sollte grundsätzlich immer all das fordern, was es noch nie gab.

4. Sei fleißig

Er hat Autos zu Schrott gefahren (TV Total Stock Car Crash Challenge), auf einer Eisfläche Fußball gespielt (Deutscher Eisfußball Pokal), ist ins Wasser gehüpft (TV Total Turmspringen) und hat nebenbei den Eurovision Song Contest für ein paar Augenblicke cool gemacht und das Genre Late Night im deutschen Fernsehen zwar nicht erfunden, aber doch ein Stück weit revolutioniert. Von den diversen anderen Formaten, die Stefan Raab erdacht und den diversen Menschen, die in seinem Kielwasser groß werden konnten, gar nicht zu sprechen. Eine 40-Stunden-Woche hatte der Mann in den vergangen zwei Jahrzehnten selten.

Und, um das mal auf das Arbeitsleben des durchschnittlichen Büromenschen herunterzubrechen: Wer in einem Nine-to-five-Job tagtäglich um 9.01 Uhr anfängt und um 16.59 Uhr nach Hause geht, wird mit Gewissheit nicht die ganz große Karriere machen. Wer nach oben will, der muss sich gewöhnlich schinden, wenigstens für eine Weile. Stefan Raab hat das getan - und dabei sogar noch die zeitintensive Herausforderung gemeistert, die Presse von seiner Familie fernzuhalten. Chapeau!

5. Gehe rechtzeitig

Gut, rechtzeitig ist ein dehnbarer Begriff, der sich vielfältig interpretieren ließe. Aber das gewöhnliche Vorgehen sieht doch so aus: Wer es zu etwas Macht, Ruhm und Ehre gebracht hat, hält so lange daran fest, wie es sich irgendwie machen lässt. Deswegen trat der Einheitskanzler Kohl, die sichere Niederlage vor Augen, nochmal gegen den Kollegen Schröder an. Deswegen steht Tennisprofi Tommy Haas in dem Wissen, dass es nie mehr so wird wie früher, auch nach der gefühlt 20. Schulteroperation derzeit wieder auf dem Platz. Und von der ellenlangen Riege greiser Sportfunktionäre brauchen wir hier gar nicht anfangen.

Freilich hätte Raab noch etwas früher und noch etwas dichter am Zenit abtreten können. Aber wer erkennt schon zielsicher, wann man auf dem Gipfel der eigenen Anstrengungen angekommen ist, von dem es nur noch - mal steiler, mal gemächlicher - bergab gehen wird. Raab schafft etwas, was in jüngerer Vergangenheit nur ein älterer Herr - wenn auch aus nicht ganz so freien Stücken - hingekriegt hat. Einer, der in seiner Organisation ein ähnliches Standing hatte, wie Raab bei Pro Sieben. Im Endeffekt ist Stefan Raab nichts anderes als der Joseph Ratzinger des deutschen Privatfernsehens.

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