Maut-Moratorium:Glück gehabt

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Verkehrsminister Alexander Dobrindt gibt sich schwer verärgert über den blauen Brief aus Brüssel. Vielleicht ist er das wirklich. Aber tatsächlich dürfte die Verzögerung der Bundesregierung nicht ganz ungelegen kommen.

Von M. Bauchmüller, D. Kuhr

Wenn es irgendwann einmal stehen sollte, das deutsche Maut-System, dann haben Ingenieure und Programmierer ganze Arbeit geleistet. Dann wird es Kameras geben, die auf der Autobahn Nummernschilder abfilmen. Rechner werden feststellen, ob ausländische Autofahrer auch eine Vignette gelöst haben, ehe sie die Grenze passierten. Um aber diese Vignette zu lösen, müssen sich diese Autofahrer erst im Internet auf entsprechenden Seiten eingeloggt haben. Dort wiederum müssen sie angeben, mit welcher Fahrzeugklasse sie unterwegs sind, das entscheidet über die Höhe der Maut. Und, ach ja, bezahlen müssen sie auch noch im Internet. Natürlich sicher.

Wer so ein System einrichten will, braucht dafür Leute, die richtigen Leute. Damit von den Maut-Einnahmen etwas übrig bleibt, sollten die auch nicht zu teuer sein. Es braucht also eine ordentliche Ausschreibung, so verlangt es das Gesetz. So eine Ausschreibung aber kostet Zeit. Deshalb sollen die Vorbereitungen für das neue System trotz des vorläufigen Aus auch weiterlaufen, oder besser: die Vorbereitungen auf die Vorbereitungen.

Es gehe nun "um alle Beratungsleistungen bis zu dem Punkt, wo wir ausschreiben können", sagt Alexander Dobrindt, der Verkehrsminister. Sobald der Europäische Gerichtshof dem System zugestimmt habe, wolle man bereit sein. Deswegen soll eine erste Ausschreibung auch bald anlaufen - für jene Berater, die dann die nächsten Ausschreibungen vorbereiten sollen. Schließlich ist jedes dieser Verfahren ein Abenteuer für sich. Sind die Unterlagen einer Ausschreibung nicht wasserdicht, drohen schnell Klagen unterlegener Bieter, und das ganze Verfahren zieht sich hin.

So schnell wird es keinen neuen Versuch geben

Schon vermutet mancher daher, dass die Einwände aus Brüssel Dobrindt gar nicht ungelegen kommen. Selbst unter den Spitzenpolitikern in der CSU gibt es vereinzelt Stimmen, die das behaupten. Und zwar deshalb, weil es ohnehin kaum zu schaffen war, das Maut-System noch im Lauf des Jahres 2016 "scharf" zu stellen. Eben das aber hatte Dobrindt wiederholt zugesichert. Doch eine europaweite Ausschreibung ist extrem aufwendig. Zudem muss die nötige Software erst noch entwickelt und getestet werden. Hört man sich bei potenziellen Bewerbern um, so erfährt man: So gut wie keiner davon hielt es für möglich, dass der Zeitplan noch einzuhalten war. Insofern ist es für Dobrindt natürlich ganz angenehm, wenn er nun sagen kann: Brüssel ist schuld, dass wir 2016 noch nicht starten können.

Nun also will der Verkehrsminister erst das Ende des Gerichtsverfahrens abwarten - was bedeutet, dass es durchaus 2017 werden kann, bis es mit dem Projekt weitergeht. Dobrindt gibt sich jedoch überzeugt, dass die Bundesregierung am Ende recht bekommen wird. Denn die Kfz-Steuer sei unzweifelhaft Sache der Mitgliedsländer. Da dürfe die EU-Kommission sich nicht einmischen - und der Europäische Gerichtshof nicht drüber entscheiden. Ein Vorwurf immerhin, der vor allem von den Grünen immer wieder erhoben wurde, dürfte nun aber vom Tisch sein: dass die CSU von vornherein geplant habe, die sogenannte Ausländer-Maut erst einmal einzuführen und sie dann vom Europäischen Gerichtshof für rechtswidrig erklären zu lassen - um am Ende die Maut für alle zu haben. Im Moment sieht es eher so aus, dass es am Ende die Maut für keinen gibt.

© SZ vom 19.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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