Hypo Alpe Adria:Kärntner Bluff

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Von der Zentrale in Klagenfurt aus wollte die Hypo Alpe Adria einst auf dem Balkan expandieren. Ihre riskanten Geschäfte trieben sie aber in den Ruin. (Foto: Herwig Prammer/Reuters)

Die Taktik der Österreicher im Heta-Streit könnte zum Debakel für die Alpenrepublik werden.

Von Cathrin Kahlweit, Stephan Radomsky und Meike Schreiber, Wien/München/Frankfurt

Es geht um viel: mehr als sieben Milliarden Euro. Um die zu "gewinnen", hat die Regierung in Wien alles auf eine Karte gesetzt - und könnte nun spektakulär verlieren. Denn im Streit um die Schulden der kollabierten Kärntner Bank Hypo Alpe Adria erhöhen die Gläubiger den Druck. Und nun interessieren sich offenbar auch noch Spekulanten für das Gezerre um die Altlasten der Skandalbank. Damit könnte die Abwicklungs-Strategie der österreichischen Regierung für das in Heta umgetaufte Institut als Bluff enden. Als sehr teurer Bluff. Die Bank, einst ein Prestigeobjekt des inzwischen verstorbenen Kärntner Regierungschefs Jörg Haider, hat bereits Milliarden verschlungen. Jahrelang hatte sich die Hypo Alpe Adria, ausgestattet mit Milliarden-Garantien des Landes, durch Anleihen Geld auf dem Kapitalmarkt geliehen, um es vor allem auf dem Balkan zu investieren. 2007 übernahm dann die Bayern-LB, selbst auf Expansionskurs, das Institut. Das entpuppte sich allerdings schnell als Milliardengrab, weil die hoch riskanten Geschäfte schiefgingen. So kaufte die Republik Österreich die Bank Ende 2009 für einen Euro wieder zurück überführte sie in die Bad Bank Heta. Wie übel die Lage wirklich ist, zeigt die Bilanz für 2014: Der Heta fehlen demnach noch immer sieben Milliarden Euro. Verbindlichkeiten von 16,6 Milliarden Euro stehen einem Vermögen von 9,6 Milliarden Euro gegenüber - und das, obwohl Österreich seit der Notverstaatlichung bereits mehr als 5,5 Milliarden Euro an Steuergeldern in die Bank gepumpt hat. Zudem machte das Institut allein im vergangenen Jahr ein Verlust von 7,9 Milliarden Euro.

Die Frage ist nun, wer das neuerliche Milliardenloch stopfen muss: Das Bundesland Kärnten, das noch immer mit mehr als zehn Milliarden Euro für Heta-Schulden haftet und sich damit völlig übernommen hat? Die Regierung in Wien, die eigentlich versprochen hatte, dass keine weiteren Steuergelder in die Hypo-Überreste fließen? Oder die Käufer der Anleihen, also größtenteils deutsche Banken und Versicherer?

Denen schuldete die Heta zum Jahreswechsel laut Bundesbank ziemlich genau die fehlenden sieben Milliarden. Weil kein weiteres Staatsgeld ins Hypo-Desaster fließen sollte, verhängte die österreichische Finanzmarktaufsicht (FMA) Anfang März ein "Moratorium" über die Heta-Schulden - bis mindestens Mai 2016. Damit wurde die Rückzahlung der Anleihen zwar gestoppt, trotzdem musste das Land Kärnten aber nicht mit seinen abgegebenen Garantien einspringen. Damit wollte sich Österreich Zeit für Verhandlungen über einen Schuldenschnitt verschaffen. Nun könnte sich diese Strategie aber als fatal erweisen und die Uhr gegen Wien ticken. Denn seit Anfang März streiten die Beteiligten heftig, teils in den Hinterzimmern der deutschen und österreichischen Politik, teils in den Gerichtssälen beiderseits der Grenze. Derweil werden die Heta-Anleihen am Markt immer noch mit mehr als 60 Prozent ihres Nominalwerts gehandelt. Das ist in etwa derselbe Kurs, zudem sie bereits Anfang Februar notierten - einige Zeit bevor die FMA den Zahlungsstopp verkündete und die Bankenaufsicht der EZB die Gläubiger aufforderte, den Wert der Papiere um mindestens die Hälfte zu senken. Offenbar spekulieren also einige Investoren auf eine höhere Rückzahlungsquote als von der EZB erwartet - oder sogar auf einen Erfolg auf ganzer Linie vor Gericht. Dafür spricht etwa, dass eine Tochter der französischen Bankengruppe BPCE ihr gesamtes Paket an Heta-Anleihen vergangene Woche vermutlich für deutlich mehr als die Hälfte des Nennwerts von 260 Millionen Euro verkaufen konnte. An wen die Papiere gingen, teilten die Franzosen nicht mit. In Bankenkreisen wird aber vermutet, dass ein oder mehrere Hedgefonds die Anleihen gekauft haben.

Zugleich liegen bereits 33 Klagen gegen das österreichische Sondergesetz vor, das einen Sanierungsbeitrag der BayernLB und anderer Hypo-Gläubiger vorsieht, wie die Heta in ihrem Finanzbericht mitteilt. Sollte das Gesetz kippen, drohten zusätzliche Belastungen von rund 900 Million Euro, heißt es in dem Bericht.

Zudem haben bis Anfang Juni mehr als 200 Gläubiger bei der FMA Beschwerde gegen den Zahlungsstopp eingereicht, sagte der Co-Behördenchef Klaus Kumpfmüller kürzlich in einem Interview. Wenn diese bewertet seien, werde man "einen neuen Bescheid erstellen".

Anschließend könnten Gläubiger klagen. Wohl auch angesichts dieses wachsenden Drucks hatte es zuletzt zunehmend versöhnlichere Töne aus Wien gegeben - wenn auch meist inoffiziell. So hatte die österreichische Zeitung Kurier eine wachsende Kompromissbereitschaft geortet: Die Heta denke über einen für die Gläubiger nicht mehr ganz so schmerzhaften Schuldenschnitt nach, hieß es. Die Bank erwäge ein Angebot, bei dem Anleihen mit Kärntner Haftung mit einem Abschlag von 10 oder maximal 20 Prozent zurückgekauft werden. "Im Gegenzug würden sich die Gläubiger einen Rechtsstreit sparen und 80 bis 90 Prozent des Geldes sofort bekommen", so der Kurier. Zuvor habe ein Schnitt von 40 bis 50 Prozent in Rede gestanden.

Auch auf deutscher Seite dürfte durchaus ein Interesse an einer schnellen und gütlichen Einigung bestehen - zumindest in der Politik. Denn der Streit um nicht eingelöste Staatsgarantien beginnt Spuren zu hinterlassen. So sagte ein Frankfurter Banker, zuletzt hätten auch Anleihen deutscher Bundesländer wie Nordrhein-Westfalen auf den Zwist reagiert.

Noch deutlicher ist das Misstrauen bei anderen Bank-Papieren, für die ebenfalls Staatsgarantien bestehen - etwa bei der HSH Nordbank: So brachen die Kurse der Nachranganleihen der Landesbank Ende Mai geradezu ein. Bei diesen Papieren haften Investoren im Fall von Verlusten oder Schieflagen einer Bank mit, beispielsweise per Schuldenschnitt.

Das neue Bankenabwicklungsgesetz hat dieses Risiko zuletzt noch gesteigert. Damit sollen Investoren künftig im Pleitefall verstärkt in die Pflicht genommen werden. Für die bedeutet das: mehr Risiko. Und das ist immer teuer.

© SZ vom 19.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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