"Tatort" Stuttgart:Was isch los

Tatort, "Der Inder"

Haben viel zu durchblicken in diesem Tatort: die Stuttgarter Kommissare Bootz (Felix Klare, links) und Lannert (Richy Müller).

(Foto: SWR/Alexander Kluge)

Wer macht sich eigentlich die Taschen voll mit Stuttgart 21? Darum geht es in diesem "Tatort" - unter anderem. Am Ende wird er sogar noch zum Liebesdrama.

Von Holger Gertz

In diesem Tatort aus Stuttgart geht es, unter anderem, um Durchstechereien, erschlichene Fördermittel, Vetternwirtschaft, Investoreninteressen, Deals mit Bebauungsplänen. Die Debatte um Stuttgart 21 ist nicht nur eingearbeitet, sondern weitergedreht: wer macht sich eigentlich die Taschen voll mit diesem Projekt?

Ein Staatssekretär ist von einem Killer mit drei Schüssen ermordet worden. Ein Aktivist im Thermalbad spielt eine Rolle, auch ein abgewählter Ministerpräsident namens Heinerle: "Was isch los in diesem Land", fragt er und beweist, dass eine Floskel auch dann wie eine Floskel klingt, wenn ein Schwabe sie vorbringt: "Wissen Sie - es wird verdammt einsam um einen, wenn man abgewählt isch."

Da wird dieser Wirtschaftskrimi zur Gesellschaftskritik und auch zur Charakterstudie, wobei der Inder noch gar nicht in Erscheinung getreten ist, obwohl dieser Tatort doch "Der Inder" heißt.

Thomas Thieme als Godfather des Bauwesens

Die Episode von Niki Stein ist eine Erzählung über Benutzte und Benutzende, aufwendig gefilmt, mit großem Personal. Lannert (Richy Müller) und Bootz (Felix Klare) sind wunderbar aufeinander eingespielt, und Thomas Thieme als Godfather des Bauwesens ist natürlich ein Erlebnis. Wie er sich herumschlagen muss mit "Umsiedlungswünschen für Eidechsen, die doch nur dort wohnen, weil sie vor hundert Jahren mit den Zügen aus Südeuropa eingereist sind, ohne Visum".

Aber die Geschichte ist derart anspruchsvoll konstruiert, dass es schwerfällt, ihr zu folgen. Heinerles beiläufig hingestreutes "Was isch los" steht wie ein Motto über dem Plot. Auch bei den Nebensträngen: der Killer fährt in einem Wagen mit Elsässer Kennzeichen, wird gerettet von einer tschechischen Frau, spricht mit belgischen Dialekt und ähnelt irritierenderweise sehr dem RAF-Terroristen Christian Klar, wie man ihn aus seinem späten Interview mit Günter Gaus kennt.

Womöglich angelehnt an diesen "Holla, die Waldfee"-Spruch

Die Charakterisierung der Journalisten kennt man schon aus anderen Tatorten, der Sound ihrer Wortbeiträge changiert zwischen vorwurfsvoll und anklagend. Bei Odenthal neulich spielte sogar einer mit, der hat sich kurz nach der Einführung des Farbfernsehens zum letzten Mal gewaschen. Vor einer Woche, in Bremen, hielt einer sein rotes Mikro wie ein kleines Zepter in die Luft und sagte zum Umweltverschmutzer: "Das Gutachten zur Umweltverträglichkeit - das haben sie doch manipuliert!"

In Stuttgart tritt jetzt eine Reporterin besonders lärmig auf, sie ist ja Bloggerin und heißt - bescheuerter Name - Fee Waldner. Womöglich angelehnt an diesen "Holla, die Waldfee"-Spruch, der strapaziert wird von Menschen, denen gar nichts mehr einfällt. Diesem Tatort hier fällt immer mehr ein, am Ende wird er sogar noch zum Liebesdrama. Das alles ist zu viel für einen Film.

ARD, Sonntag, 20.15 Uhr

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