Jon Stewart zum Attentat in Charleston:Traurigkeit und ein leeres Blatt Papier

Lesezeit: 1 min

Wie besessen kritzelte Jon Stewart auf einem leeren Blatt Papier herum - als hoffe er, sein Bleistift könne die Frage beantworten: Warum? (Foto: Comedy Central)

Jon Stewart fielen keine Witze ein. Es war der Tag des rassistischen Massakers von Charleston. Also erlaubte sich Stewart, was sich kaum eine öffentliche Figur je erlaubt: hoffnungslos zu sein.

Von Jörg Häntzschel

Was machen Comedians? "Ich komme morgens rein, wir schauen uns die Nachrichten an, ich schreibe ein paar Witze und mache ein lustiges Gesicht" - Fertig. So einfach ist das, erklärt Jon Stewart von der Daily Show. Nur am Donnerstag war es nicht einfach. Da fielen ihm nämlich keine Witze ein.

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In einer Kirche in Charleston, South Carolina hatte ein Weißer neun Schwarze erschossen. Und Stewart brachte nichts in seine Sendung mit als Traurigkeit und ein leeres Blatt Papier, auf dem er wie besessen herumkritzelte - als hoffe er, sein Bleistift könne die Frage beantworten: Warum?

In Wahrheit hatte Stewart natürlich doch etwas zu sagen. Es war nicht witzig, aber ehrlicher als das meiste, das man in den USA in den letzten zwei Tagen zu dem Massaker gehört hat. Sich die vier Minuten auf Youtube anzusehen lohnt auch jetzt noch. Oder nächste Woche oder nächstes Jahr. Es wird sich ja nichts ändern.

"Wir haben diese klaffende Rassismus-Wunde"

Jon Stewart erlaubt sich, was kaum eine öffentliche Figur sich je erlaubt: hoffnungslos zu sein. "Wir haben diese klaffende Rassismus-Wunde, die einfach nicht heilt, und dennoch tun wir so, als gäbe es sie nicht. Und ich bin sicher: Selbst wenn wir sie wahrnähmen, selbst wenn wir in diesen Abgrund schauten, würden wir noch immer nichts tun. Ja, so sind wir!"

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Stewart sprach auch noch andere Dinge aus, die man in den USA nur ungern hört: Etwa, dass die Schwarzen in South Carolina auf Straßen fahren, die nach Generälen benannt sind, die dafür kämpften, dass Schwarze diese Straßen nicht benützen dürfen. Dass das Land auf Bedrohung von außen hysterisch, auf Bedrohung von innen aber nur schulterzuckend reagiert: "Wir haben zwei Kriege angefangen, Tausende von Amerikanern haben ihr Leben gelassen, wir lassen Todesmaschinen über fünf oder sechs Ländern fliegen. Aber neun Tote in einer Kirche? Tja, Verrückte gibt's immer - was soll man machen?"

Und nein, so Stewart weiter, hier ist keine "Tragödie" passiert. "Es war kein Tornado!" Es ist in diesem Fall auch kein Abwägen und Differenzieren angebracht. Es gibt nämlich keine Grautöne, "sondern nur Schwarz und Weiß".

Selbst ein Comedian hat dann nicht mehr die Freiheit, aus ernst lustig zu machen.

© SZ vom 20./21. Juni 2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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