Berlin:Ein Stückchen Würde

Gedenktag für Opfer von Flucht und Vertreibung

Im Gespräch: Bundespräsident Gauck und Asma Abubaker Ali.

(Foto: dpa)

Bundespräsident Joachim Gauck hat anlässlich des Gedenktages für die Opfer von Flucht und Vertreibung mehr Offenheit von den Deutschen gefordert. Und sie dabei auch an ihre eigene Vergangenheit erinnert.

Bundespräsident Joachim Gauck hat die Deutschen zu mehr "Offenheit für das Leid des Anderen" aufgerufen. Anlässlich des ersten bundesweiten Gedenktages für die Opfer von Flucht und Vertreibung sagte Gauck am Samstag in Berlin: "Vor 70 Jahren hat ein armes und zerstörtes Deutschland Millionen Flüchtlinge zu integrieren vermocht. Warum sollte ein wirtschaftlich erfolgreiches und politisch stabiles Deutschland nicht fähig sein, in gegenwärtigen Herausforderungen die Chancen von morgen zu erkennen?" Deutschland müsse mehr tun.

Einfache Lösungen werde es für die weltweit 60 Millionen Geflüchteten jedoch nicht geben, sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) bei der zentralen Gedenkstunde im Deutschen Historischen Museum. Bei allen Beschlüssen müssten Regierungen auch die Bereitschaft der eigenen Bevölkerung für die Aufnahme von Flüchtlingen erhalten. Er warnte vor Ausländerfeindlichkeit und politischer Instrumentalisierung. Auch wenn die Situation der Flüchtlinge von heute "grundsätzlich anders" sei als die der Menschen nach dem Zweiten Weltkrieg, lägen die Einzelschicksale womöglich nicht so weit auseinander, bekräftigte der Minister. "Ich wünschte, die Erinnerung an die geflüchteten und vertriebenen Menschen von damals könnte unser Verständnis für geflüchtete und vertriebene Menschen von heute vertiefen", sagte auch Joachim Gauck. Heute aber stünden Deutschland und Europa vor völlig neuen Herausforderungen. Die staatlichen Strukturen ganzer Regionen drohten zu zerfallen. Die moralische Pflicht aller Staaten Europas, Flüchtlinge vor dem Tod im Mittelmeer zu retten und ihnen eine Zuflucht zu gewähren, sei nicht verhandelbar.

Im vorigen Jahr hatte die Bundesregierung beschlossen, den 20. Juni zum nationalen Gedenktag für Vertriebene zu machen und diesen an den Weltflüchtlingstag der Vereinten Nationen zu koppeln. Der Umgang mit der Erinnerung an die Vertreibung aus ehemaligen deutschen Siedlungsgebieten in Mittel- und Osteuropa hatte lange Debatten entfacht. Der Bund der Vertriebenen, der Interessen vieler im Zweiten Weltkrieg vertriebener Menschen und ihrer Nachkommen vertritt, hatte einen eigenen Gedenktag gefordert.

Frauen zweier Generationen, Asma Abubaker Ali aus Somalia und Edith Kiesewetter-Giese, Vertriebene aus dem Sudetenland, schilderten in Berlin grausame Erlebnisse während ihrer Flucht. Asma Abubaker Ali nannte die Ankunft in Deutschland einen der glücklichsten Tage ihres Lebens. Kiesewetter-Giese sagte, Unrecht könne man verzeihen, aber nie vergessen. An diesem Gedenktag bekämen Flüchtlinge und Vertriebene in Deutschland ein kleines Stückchen Würde wieder.

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