Nachlese zum Münchner "Polizeiruf 110":Jeder kreist um sich selbst

Polizeiruf "Kreise" München BR Justus von Dohnányi

Allein und einsam: Peter Brauer (Justus von Dohnányi) ist dringend tatverdächtig, seine Exfrau ermordet zu haben.

(Foto: BR)

Mit "Kreise" schafft Christian Petzold ein gefühliges Stück über verlassene Seelen. Leider hat das weniger mit einem "Polizeiruf" als mit einer Modelleisenbahn zu tun. Die Nachlese - mit den besten Zuschauerkommentaren.

Von Carolin Gasteiger

Darum geht's:

In einem Wald werden eine Fabrikbesitzerin und ihr kleiner Hund tot aufgefunden. Bei ihren Angestellten war Claudia Hoffer unbeliebt, auch ihr Exmann, Peter Brauer, scheint von ihrem Tod wenig gerührt. Aber nicht nur der Mordfall beschäftigt den Münchner Ermittler Hanns von Meuffels. Auch mit seiner neuen Kollegin Constanze Hermann muss er erst noch warm werden. Bald tappen die beiden in einem undurchsichtigen Netz aus Alibis und drehen sich bis zuletzt im Kreis. Aber vor allem um sich selbst.

Lesen Sie hier die SZ-Rezension zum Münchner Polizeiruf:

Bezeichnender Dialog:

Endlich bricht das Eis zwischen Constanze Hermann und Hanns von Meuffels. Das passiert, als die beiden - wie so oft in diesem Polizeiruf - im Auto unterwegs sind.

von Meuffels: "Hanns."

Hermann: "Constanze."

von Meuffels: "Die Beständige."

Hermann: "Schön wär's."

von Meuffels: "Sollten Sie nicht beständig sein?"

Hermann: "Meine Mutter liebte Modezeitschriften: Petra, Brigitte, Sibylle und eben Constanze."

von Meuffels: "Sibylle war DDR."

Hermann: "Sie kennen sich aus."

von Meuffels: "Meine Mutter las auch Modezeitschriften."

Hermann: "Was ist Hanns denn für eine Zeitschrift?"

Die besten Zuschauerkommentare:

Die beste Szene:

Die Kommissare sind - im Auto - auf dem Nachhauseweg, als Hermann ihren Kollegen bittet, rechts ranzufahren. Die beiden tauschen die Plätze und Hermann erläutert von Meuffels vom Fahrersitz aus, wie sich der Mord abgespielt haben könnte. Immer wieder atmet sie tief durch, überlegt, spricht ganz ruhig und deutlich, als wäre sie selbst dabeigewesen. Als könnte sie von Grund auf verstehen, was im Täter vorging. Schließlich fragt sie von Meuffels zweifelnd: "Blöd?" Aber der schüttelt nur den Kopf.

Top:

Ohne große dramaturgische Wendungen entwickelt Christian Petzold ("Barbara", "Dreileben") diesen Fall. Es sind die düsteren, einzelgängerischen Figuren, die diesen Fall tragen. Und die sachten, behutsamen, gefühligen Einblicke in deren verlassene Seelen. Passend dazu läuft als Soundtrack immer wieder "I'm not in love" von 10cc.

Flop:

Allen Finessen der Figuren zum Trotz kommt der Film nicht in Schwung. Vor lauter Empathie mit all den Alleingelassenen bleibt der Krimi-Plot auf der Strecke. Im Kino mag das funktionieren, in einem Polizeiruf leider nicht.

Bester Auftritt:

Abgesehen von den Kommissaren mal wieder Justus von Dohnányi. Als Peter Brauer gibt er sich überzeugend undurchsichtig. Hat er seine Frau wirklich geliebt? Oder absichtlich hintergangen? Wollte er zurück zu ihr oder doch lieber mit seiner Affäre zusammenleben? Obwohl von Anfang an alles klar ist, führt er die Kommissare doch bis zuletzt an der Nase herum.

Die Erkenntnis:

Selten dürften Kommissare und Täter sich so ähnlich gewesen sein wie in "Kreise". Nicht nur Peter Brauer ist allein und verlassen, sondern auch von Meuffels und Hermann. Aber die einen führt ihre Einsamkeit zu grausamen Taten, die anderen versuchen, genau diese Taten nachvollziehen zu können. Und letztlich kreist jeder um sich selbst.

Die Schlusspointe:

Im Moment der Wahrheit will Brauer nicht allein bleiben. "Trinken wir noch einen Kaffee, bevor Sie mich mitnehmen?", fragt er den Kommissar. "Bitte!" Und so sitzt ein enttäuschter, verlassener von Meuffels einem gedemütigten Brauer gegenüber. Beide trinken ihren Kaffee, schwarz. Und sehen sich lange an. Im Hintergrund singen 10cc gerade "Big boys don't cry." Aber von Meuffels sieht anders aus.

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