Lösung im Kita-Streik:Mehr Geld für Erzieher, mehr Personal für die Kitas

Krippe in München: Lösung im Kita-Streik in Sicht

Viele Kinder müssen wegen der Corona-Krise zuhause bleiben. Die Kita-Gebühren soll indessen der Staat übernehmen - doch privaten Trägern reicht das nicht aus.

(Foto: Sebastian Kahnert/dpa)
  • Im Tarifstreit der Kita-Erzieherinnen haben die Schlichter eine einvernehmliche Empfehlung abgegeben.
  • Durschnittlich sollen die Gehälter der Erzieherinnen demnach um 3,3 Prozent steigen.
  • Der Bundeskongress "Mehr Qualität in Kitas" fordert derweil unter anderem eine intensivere Ausbildung frühpädagogischer Fachkräfte.

Von Ulrike Heidenreich

33 bis 160 Euro mehr werden auf der monatlichen Gehaltsabrechnung einer Erzieherin stehen, wenn die einvernehmliche Empfehlung der Schlichter im Kita-Tarifstreit angenommen wird. Diese Erzieherinnen "mit Grundtätigkeit", zum Beispiel also ohne Leitungsfunktion, stellen die größte Gruppe im Sozial- und Erziehungsdienst. Durchschnittlich betragen die Steigerungen für sie 3,3 Prozent.

Für Eltern und Kinder bedeutet der Schlichterspruch von Bad Brückenau noch viel mehr: ein mögliches Ende der täglichen Unwägbarkeit, ob Krippe, Kindergarten oder Hort geöffnet sind. Auch die Kleinen dürften sich wieder entspannen - färbt die Unruhe der berufstätigen Eltern doch ab. Und lustig war es in den langen vier Streikwochen für sie auch nicht, sich an fremde Erzieherinnen in einer Notfallgruppe zu gewöhnen. "Um die Belastungen für die Kinder und ihre Eltern durch die Streiks endgültig zu beenden", so sagte es am Dienstag der Oberbürgermeister von Lüneburg, Ulrich Mägde, Mitglied der Schlichtungskommission, habe man dem Ergebnis zugestimmt. Das Gesamtvolumen des Schlichterspruchs sei für die kommunalen Arbeitgeber aber "außerordentlich schwierig".

Spezialisten für schwierige Fälle

Die Schlichter, der frühere sächsische Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) und der einstige Hannoveraner Oberbürgermeister Herbert Schmalstieg (SPD), sind Spezialisten für schwierige Fälle. Sie kennen sich gut - und die Verhandlungsstrategie des anderen ebenfalls recht genau: Bereits 2010 hatten sie erfolgreich bei Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst für Frieden und Zufriedenheit gesorgt.

Als sie am 10. Juni im Kita-Tarifkonflikt ihre Arbeit aufnahmen, waren die Fronten zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern verhärtet. Trotzdem atmeten alle Seiten auf; herrschte doch während dieser Schlichtung Friedenspflicht, die Streiks waren ausgesetzt. In der Nacht auf Dienstag nun hatte das Duo mit seinen Beratern in Bad Brückenau stundenlang der Ausgestaltung des Gütevorschlags für die Gewerkschaften und kommunalen Arbeitgeber den letzten Schliff gegeben - und eine einvernehmliche Lösung gefunden.

Wie es der Zufall wollte, stand der Dienstag zudem unter einem symbolkräftigen Motto - es war der "Tag der Vereinten Nationen für den öffentlichen Dienst". Zu diesem Anlass lieferte das Statistische Bundesamt Zahlen, die die Auswirkungen einer Einigung im Tarifkonflikt noch relevanter aussehen lassen: Bedingt durch den Ausbau der Kinderbetreuung wächst der öffentliche Dienst insgesamt nämlich deutlich. Weil mehr Personal in den neu entstandenen Kindertagesstätten eingestellt wurde, an den Hochschulen übrigens auch, waren am Stichtag 30. Juni 2014 etwa 4,6 Millionen Frauen und Männer im öffentlichen Dienst beschäftigt. Das sind 17 300 Menschen mehr als im Jahr zuvor.

Die Zahl der Fachkräfte hat rasant zugenommen - 96 Prozent von ihnen sind Frauen

Durchschnittsverdienst in Vollzeit: 2830 Euro brutto

Bei den kommunalen Kitas wird der Zuwachs am deutlichsten, das Plus an Personal, bedingt auch durch den Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz, beträgt hier 6,4 Prozent. 187 000 Menschen waren also beschäftigt mit der Betreuung von Kindern in Krippen, Kindergärten, Tagesheimen und Horten. Wie gefragt qualifiziertes Personal in diesen Einrichtungen seit mehreren Jahren ist, zeigt die Steigerung insgesamt: Seit Mitte 2008 wuchs die Zahl der Erzieherinnen um 37 Prozent. Kinderbetreuung ist weiter fast ausschließlich ein Frauenberuf - mit 96 Prozent Frauenanteil. 62 Prozent waren Teilzeitkräfte, elf Prozent hatten einen befristeten Vertrag. Der Durchschnittsverdienst eines Vollzeitbeschäftigten, so das Statistische Bundesamt, lag bei 2830 Euro brutto.

Am Dienstag, dem Tag des Schlichterspruchs, tagte passenderweise in Berlin auch der Bundeskongress "Mehr Qualität in Kitas". 1000 Experten aus Politik, Forschung und Praxis trafen sich mit Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) und forderten unter anderem eine intensivere Ausbildung frühpädagogischer Fachkräfte. Weil der Ausbau so schnell vor sich geht, hapert es an einer ausreichenden Auswahlmöglichkeit und der Qualifizierung des Personals. Als Weiterentwicklung des Bundesprogramms "Schwerpunkt Kitas Sprache und Integration" wird Schwesig nun ein neues Sprachförderungsprogramm für Tagesstätten auflegen, die besonders viele Kinder aus Migrantenfamilien besuchen.

Ein Kind, das viel Fürsorge und Bildungsimpulse erhalte, so die Ministerin, kenne einer Studie zufolge mit drei Jahren schon mehr als doppelt so viele Wörter wie ein Kind mit schlechteren Voraussetzungen. Dies dürfe nicht zum Dauerhindernis auf dem Bildungsweg werden. Erste Studien haben gezeigt, dass sich der Wortschatz der Kinder durch den Einsatz von Sprachexpertinnen positiv entwickelt. Davon profitierten auch deutsche Kinder mit Sprachproblemen. Von 2016 bis 2019 stehen nun 400 Millionen Euro zur Verfügung. Wie die Sprachförderung aussehen könnte, sagte die Ministerin auch. Nebenbei müsse das laufen, in Alltagssituationen wie dem Tischdecken mit allen Kindern. "Es heißt nicht, ihr habt Probleme mit dem Sprechen, kommt mal mit, wir machen jetzt Sprachunterricht."

Auch die Schlichter sehen diese Notwendigkeit: Die Eingruppierung der Leiterinnen von Kitas für "Kinder und Jugendliche mit wesentlichen Erziehungsschwierigkeiten" wurde deutlich angehoben.

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