Frage an den SZ-Jobcoach:Wie führe ich Mitarbeiter, die mir fachlich überlegen sind?

Lesezeit: 2 min

In seiner Rolle als Vertriebsleiter soll Dominik V. plötzlich, und ohne sonderlich Ahnung von der Materie zu haben, ein Team von Online-Spezialisten führen. Wie kann das klappen?

SZ-Leser Dominik V. fragt:

Unser Unternehmen hat sich entschieden, neben dem klassischen Vertrieb einen Online-Direktverkauf aufzubauen. Ich soll in meiner Funktion als Vertriebsleiter die neue Abteilung führen. Das Team, das den Internet-Auftritt und die entsprechenden Online-Marketingstrategien ausarbeiten soll, besteht fast ausschließlich aus Berufsanfängern, die frisch von der Uni kommen. Sie kooperieren gut miteinander und wissen die Stärken der jeweiligen Teammitglieder zu nutzen. Da sie mir in ihren Spezialgebieten fachlich weit überlegen sind, habe ich sie erst mal machen lassen, bis erste Ergebnisse vorliegen, die ich dann mit ihnen besprechen will. Doch diese Führung an der langen Leine behagt ihnen nicht. Immer öfter kommen Wünsche nach Feedback und die Frage, ob sie mit ihrer Arbeit, die ich - ehrlich gesagt - im Detail überhaupt nicht beurteilen kann, auf dem richtigen Weg sind. Wie führe ich ein solches Team aus Spezialisten?

Georg Kaiser antwortet:

Lieber Herr V., auch wenn die Mitarbeiter ihr spezielles Aufgabengebiet im Hinblick auf die Planung und Durchführung einzelner Arbeitsschritte besser verstehen als Sie - sie brauchen dennoch Führung und Orientierung. Das spricht nicht gegen Ihren Grundansatz, dem Team - was Inhalte und Strukturierung der einzelnen Arbeitsschritte betrifft - weitgehende Freiheiten zu geben.

Viel Führung und Unterstützung braucht das Team allerdings, um seinen Platz und seine Aufgabe im Unternehmen bewusst einzunehmen. Als Berufsanfänger haben Ihre Mitarbeiter keine Erfahrung, wie die Ergebnisse aus den einzelnen Abteilungen gebündelt und zum Erfolg des ganzen Unternehmens aufeinander abgestimmt werden. Ihnen fehlt das "big picture". Deshalb können sie nicht einschätzen, ob und in welchem Maße ihre Arbeit tatsächlich im Unternehmen gebraucht wird. Der zunehmende Wunsch nach Feedback deutet an, dass die Leitplanken, innerhalb derer sich das Team frei bewegen kann, klarer benannt und eventuell auch enger gezogen werden sollten.

Geben Sie einen Rahmen vor, der so fest ist, dass er den Mitarbeitern hinreichend Halt gibt - und auch so frei, dass er kreative Neuerungen zulässt. Die jeweils passende Mischung aus Struktur und Freiheit muss situativ gefunden werden. Eine zu starke Struktur bremst die Kreativität und Leistungsbereitschaft der innovativsten Köpfe. Ist die Struktur zu schwach, entsteht Unsicherheit. Es werden unnötige Kräfte verschwendet, wenn Mitarbeiter lange untereinander diskutieren, welche inhaltliche Ausrichtung für das Unternehmen wohl die beste sein könnte.

Gehen Sie davon aus, dass viele solcher Diskussionen bereits geführt worden sind, bevor der erste Wunsch nach mehr Feedback an Sie gerichtet wurde. Stimmen Sie gemeinsam mit Ihren Mitarbeitern ab, ob bestimmte Aufgabenfelder in kleinere Teilschritte zergliedert werden können, sodass die Arbeitspakete überschaubarer werden. Erklären Sie lieber einmal zu viel als zu wenig, wo das Team mit seiner Arbeit in der Wertschöpfungskette des Unternehmens angesiedelt ist, welche Schnittstellen beachtet und genutzt werden sollen und zu welchem Zeitpunkt Ergebnisse in welchem Umfang vorliegen müssen.

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Von Dieter Frey

Um den passenden Rahmen einschätzen zu können, müssen Sie näher dran sein am Team, etwa indem Sie in der Rolle des beobachtenden Unterstützers turnusmäßig an Teamsitzungen teilnehmen. Das bereichert beide Seiten. Das Team hat die Möglichkeit, frühzeitig eine stärkere Orientierung einzufordern. Sie bekommen einen tieferen Einblick, welche Inhalte wie erarbeitet werden, und wachsen dadurch mehr in das Arbeitsfeld der Online-Vermarktung hinein.

Außerdem erleben Sie das Klima im Team und können frühzeitig eingreifen, wenn es sich zu sehr auf ein oder zwei Meinungsführer verlässt, einzelne Teammitglieder überfordert sind oder die Stimmung aus anderen Gründen zu kippen droht. Und beenden Sie eine Sitzung mit einem Statement, wie Sie die Zwischenergebnisse, die inhaltliche Arbeit des Teams und die Form der Zusammenarbeit einschätzen.

Haben Sie auch eine Frage zu Berufswahl, Bewerbung, Arbeitsrecht, Etikette oder Führungsstil? Schreiben Sie ein paar Zeilen an coaching@sueddeutsche.de . Unsere sechs Experten wählen einzelne Fragen aus und beantworten sie im Wechsel. Ihr Brief wird komplett anonymisiert.

© SZ vom 27.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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