Dominique Heintz hat sich über den Anruf gewundert. Er hatte nicht damit gerechnet, dass Peter Stöger, sein künftiger Trainer vom 1. FC Köln, ihm danken würde. Wofür auch?
Heintz ging davon aus, dass der Österreicher ihm zu seiner gelungenen Darbietungen bei der U-21-Eurpameisterschaft gratulieren würde - was ein aufmerksamer Trainer eben tut, wenn seine Nationalspieler auf Reisen sind. Stöger fand tatsächlich lobende Worte für den Innenverteidiger, aber erst nachdem er seinen Dank ausgesprochen hatte, "weil ich meinen Vertrag schon vor der EM unterschrieben habe", wie der 21-Jährige erzählt.
Tatsächlich haben Heintz bei der U-21-EM in Tschechien zwei Spiele in der Gruppenphase genügt, um seinen Marktwert um ein Vielfaches zu steigern. Das weiß auch Stöger. Die Kölner haben rechtzeitig zugeschlagen und Heintz für kolportierte 1,5 Millionen Euro vom Zweitligisten Kaiserslautern losgelöst. So günstig wie vor dem Turnier könnten die Kölner Verantwortlichen ihn nicht mehr verpflichten.
Wer ist dieser Spieler, den bis vor wenigen Tagen außerhalb von Kaiserlautern kaum jemand kannte, und der am Samstag (18 Uhr, im SZ-Liveticker) gegen Portugal vor dem wichtigsten Spiel seiner Karriere steht? Seine Mitspieler schätzen vor allem seine selbstlose Art auf und neben dem Platz und seinen Humor. "Dominique bringt uns mit seinem Pfälzer Dialekt häufig zum Lachen", sagt Joshua Kimmich. Heintz ist einer der wenigen Berufskicker, die sich ihren Heimatdialekt nicht abtrainiert haben. Er ist ein Pfälzer Bub, geboren in Neustadt an der Weinstraße, der nicht daran denkt, seine Herkunft zu verleugnen. Das hebt Heintz aus der Masse der oft profillosen Fußballprofis heraus.
Seine Heimat, die zweite Liga mit Kaiserslautern, ist nach zwei Spielzeiten zu klein für ihn geworden. Dass er für die große Bühne taugt, beweist er mit jedem Einsatz in der U-21-Nationalmannschaft. Nachdem er sich das erste Spiel gegen Serbien noch von der Bank aus anschauen musste, schickte ihn Cheftrainer Horst Hrubesch nach dem holprigen 1:1 im zweiten Spiel gegen Dänemark für Robin Knoche in die Startelf.
Heintz spielte beim 3:0 neben Weltmeister Matthias Ginter so unerschrocken und fehlerlos, als ob er schon 50 A-Länderspiele in seiner Vita stehen hätte, dabei hat er gerade mal 13 Minuten in der ersten Liga gespielt, im Dress des 1. FC Kaiserslautern. Es gibt für Hrubesch keinen Grund, ihn aus der Mannschaft zu nehmen. Heintz hat mit dem Aufstieg in Zeitraffer nicht gerechnet. "Ich war ja schon froh, dass ich überhaupt die Chance bekam, bei der EM dabei zu sein."
Gelernt, was Bodenständigkeit ist
Heintz' Spielweise ist von klarer Einfachheit, er macht keine verrückten Dinge, sondern tut das, was von ihm verlangt wird: Zweikämpfe im eigenen Strafraum gewinnen und sicher passen. Der Linksfuß hat dabei die astreine Grätsche ebenso im Repertoire wie das elegante Ablaufen des Gegners. Heintz ist ein Spieler, der schon allein durch seine Körperlänge von 1,90 Metern Wucht mitbringt und die Gegenspieler einschüchtern kann. Er selbst lässt sich nicht Bange machen, nicht von großen Namen und schon gar nicht von den vielen Zuschauern im Stadion. "Das spornt mich zusätzlich an, weil ich dann noch konzentrierter bin", sagt Heintz.
In der neuen Saison bekommt er in der Bundesliga nun jede Woche Gelegenheit dazu, sich auf höchstem Niveau zu messen. Ihm war wichtig, dass er seine berufliche Zukunft schon vor der EM geklärt hatte. "Ich weiß nicht, ob ich meine Leistung hätte so abrufen können, wenn ich noch während der EM darüber gegrübelt hätte, wohin meine Reise gehen wird", sagt Heintz.
Er verschwendet deshalb auch keinen Gedanken daran, dass er finanziell für sich womöglich noch viel mehr hätte herausholen können, wenn er seine Vertragsunterzeichnung hinausgezögert hätte. "Die Gespräche mit den Kölnern waren super", sagt Heintz, "und ihr Konzept hat mich überzeugt." In der Pfalz lernen die Menschen, was Bodenständigkeit bedeutet.
Bei seinem neuen Coach, bei Peter Stöger, hat Heintz schnell gemerkt, dass er nach jungen Spielern nicht nur fahndet, sondern sie auch aufstellt. Er hat genau registriert, dass Jonas Hector in Köln zum deutschen A-Nationalspieler aufgestiegen ist und Kevin Wimmer in der kommenden Saison bei Tottenham Hotspur in der Premier League spielt. "Auch mein Ziel ist es, oben anzukommen", sagt Heintz und fügt mit einem Lächeln hinzu: "So viele Linksfüßler haben die in der Nationalmannschaft in der Abwehr auch nicht."
Die EM-Auftritte haben den Pfälzer selbstsicherer gemacht. "Der Trainer und die Fans gucken ja alle zu und wollen bestimmt mehr über mich wissen", sagt Heintz. Seine wundersame Reise in Tschechen soll nicht am Samstag im Halbfinale enden, er denkt an den Titel. "Es wäre überragend, wenn wir das Ding holen würden", sagt er. Peter Stöger würde bestimmt wieder anrufen. Diesmal nicht zum Bedanken, sondern zum Gratulieren.
