Jauch-Talk zur Griechenland-Krise:Öffentlich-ratloser Rundfunk

Showdown Griechenland - Thema bei Jauch

Einst auch "blondes Fallbeil" genannt: Bayerns ehemaliger Ministerpräsident Edmund Stoiber steuert eine Prise Populismus bei.

(Foto: dpa)

Der Euro als Nachtlokal, Griechenland als trunkener Stammgast: Bei Günther Jauch beweist Ex-CSU-Chef Stoiber, warum man ihn einst das "blonde Fallbeil" nannte.

Von Stephan Radomsky

Griechenland, mal wieder. Den dritten Sonntag in Folge geht es bei Günther Jauch um Wohl und Wehe des hochverschuldeten Landes. Diesmal soll die Runde herausfinden, was nach dem "Showdown im Schuldenstreit" nun aus dem Land wird: Staatspleite? Ausscheiden aus dem Euro? Vielleicht sogar Austritt aus der EU?

Interessante Fragen. Schließlich dürften nach tagelangen Verhandlungen und den irrwitzigen Volten des Wochenendes wohl nicht einmal die innersten Zirkel der Macht eine Antwort darauf parat haben. Zu unübersichtlich ist die Lage, zu unberechenbar agiert die Regierung in Athen und zu stark scheint nach all den Vermittlungsversuchen, Enttäuschungen und persönlichen Anfeindungen inzwischen die Eigendynamik der Krise.

Griechischer Bösewicht in Wiederholung

Im Studio waren die Rollen derweil einigermaßen klar verteilt. Der Bösewicht: schon wieder Theodoros Paraskevopoulos. Der Berater des griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras mit ausgezeichneten Deutschkenntnissen sollte wie schon in der Vorwoche die Politik seines Regierungschefs erklären - schließlich komme dem ja "höchstens Frau Tsipras noch näher", wie Jauch es in seiner Vorstellung formulierte.

Und Paraskevopoulos nahm die ihm zugedachte Rolle freudig an: Es sei ein "Skandal, dass das Hilfsprogramm nicht verlängert wird", gab das Gründungsmitglied der linken Syriza-Partei gleich die Linie vor. Angesichts des "irrsinnigen Vorschlags" der Geldgeber vom Donnerstag und der Tatsache, dass diese der Regierung "in keinem Punkt" entgegengekommen seien, sei die für kommenden Sonntag angesetzte Volksabstimmung richtig. "Und ich kann mir nicht vorstellen, dass das Referendum scheitert" - also dass die Griechen vielleicht doch für die Sparpläne der EU stimmen könnten.

Angreifer von drei Flanken

Damit war also alles bereitet für die öffentliche Abrechnung mit der griechischen Regierung. Und das, obwohl Moderator Jauch ja eigentlich "nicht noch einmal die Schlachten der vergangenen Wochen und Monate" schlagen wollte, wie er zwischendurch betonte. Das ging allerdings gründlich schief - was auch am restlichen Personal der Sendung lag: Das konnte zwar pointiert auf die jüngsten Ereignisse zurückschauen und die griechischen Positionen zerlegen, der politische Sachverstand für einen Zukunftsentwurf fehlte aber.

Denn Paraskevopoulos gegenübergestellt wurden von der Redaktion Angreifer, die ihn ganz offensichtlich auf verschiedenen Flanken attackieren sollten: Die technische Seite deckte Klaus Regling, Chef des Euro-Rettungsschirms ESM, ab, der auch in Brüssel bei den Verhandlungen der Geldgeber mit der Athener Regierung mit am Tisch gesessen hatte. Für das Schneidig-Politische mit der gewissen Prise Populismus war Edmund Stoiber, langjähriger bayerischer Ministerpräsident und CSU-Chef, verantwortlich. Und die Sicht der Beobachter aus Medien und Finanzmärkten sollte ARD-Börsenkorrespondentin Anja Kohl beisteuern.

Glaubhafte Empörung

Kohl tat allerdings im Verlauf der Sendung sehr viel mehr, als nur die Außensicht beizusteuern. Aufmerksam verfolgte sie die Runde, um dann zunächst Fakten einzustreuen und später glaubhaft immer empörter mit den Positionen Paraskevopoulos' abzurechnen: Die Geldgeber seien Athen "sehr weit entgegengekommen" und wenn die Regierung Tsipras nun glaube, das angesetzte Referendum über das Sparpapier der Geldgeber sei nicht auch eine Abstimmung über den Verbleib im Euro, so sei das "naiv", hielt die Journalistin dem griechischen Politiker vor. "Sie werden sich wundern."

Zugleich schaffte es Kohl als einzige in der Runde, Jauch eingeschlossen, den Blick einmal von den Verhandlungsvolten der vergangenen Tage weg in die Zukunft zu richten. So warf sie die Frage auf, wie es eigentlich mit Europa nach der Griechenlandkrise weitergehen soll - ob das Land nun, wie es noch immer politisch unbedingt gewollt sei, im Euro gehalten würde oder nicht. Schließlich stünde in Großbritannien schon das nächste Referendum an, in dem es dann tatsächlich um den Verbleib des nächsten Mitgliedslandes in der Union gehe und damit auch um die Frage, ob und wie Europa die einzelnen Staaten zusammenhalten könne.

Die Gemeinschaftswährung ein Nachtlokal und Griechenland ein Stammgast

Stoiber demonstrierte in der Auseinandersetzung mit Paraskevopoulos noch einmal, warum man ihn einst das "blonde Fallbeil" nannte: Auf der Empörungsskala schafft es der ehemalige CSU-Chef noch immer in einem Wimpernschlag von null auf hundert. "So geht es wirklich nicht weiter", ereiferte er sich immer wieder und verwies, nicht zu Unrecht, auf die Sparanstrengungen, die andere Länder unternommen hätten, um den Euro zu bekommen (etwa die baltischen Länder) oder ihn zu behalten (Irland und Spanien).

Etwas merkwürdig mutete dagegen Stoibers Wunsch an, man müsse Athen "aus dem Euro hinausbegleiten". Das klang ein wenig, als sei die Gemeinschaftswährung ein Nachtlokal und Griechenland ein Stammgast, der zu viel getrunken und sich dann daneben benommen hat.

Deutlich leiser ging es da Euro-Retter Regling an. Der Spitzenbeamte bemühte sich sichtlich um einen sachlichen und möglichst freundlichen Ton. Aber auch er verlor im Fortgang der Sendung sichtlich die Geduld mit Paraskevopoulos. Zunehmend genervt reagierte er auf die Anwürfe des Griechen. Es habe eben "kein Ultimatum" aus Brüssel gegeben, vielmehr sei es die Regierung in Athen, die "nur sehr halbherzig an die Reformen herangeht". Paraskevopoulos' Einlassungen über die Situation und ihr Zustandekommen kommentierte er irgendwann einigermaßen perplex nur noch als "Verschwörungstheorien".

"Kluft zwischen Griechenland und Europa"

Auf die Frage, was denn nun aus Griechenland werde, wollte keiner so recht eine Antwort geben. Wie auch? Schließlich gebe es "heute so viele Unsicherheiten, dass ich mich nicht traue zu sagen, was in acht Tagen in Griechenland sein wird", wie es ESM-Chef Regling formulierte. Also blieb Jauch nur "eine Ahnung von der Kluft zwischen Griechenland und Europa". Und Paraskevopoulos das Versprechen, für nächste Woche eine junge Kollegin aus dem Ministerpräsidenten-Büro vorbeizuschicken. Die sei ohnehin viel hübscher.

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