Erding:"Belogen und betrogen"

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Ein Erdinger Handwerker fordert von einer Kleberfirma viel zu hohe Reklamationen. Der kommt das reichlich dubios vor

Ein großer Hersteller hatte 2013 einen neuen Fliesenkleber auf den Markt gebracht, der nicht hielt, was er versprach. Bereits nach dem ersten Winter seifte der Kleber ab und die Fliesen wurden lose. Das Unternehmen musste zahlreiche Schadenersatzforderungen begleichen. Ein Handwerksmeister aus Erding, der in finanziellen Schwierigkeiten war, wollte daran mitverdienen und reichte fingierte Reklamationen ein. Vom Schöffengericht Erding wurde er wegen versuchten Betrugs in zwei Fällen zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und fünf Monaten verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt wurde.

Der 52-Jährige hatte seinen Betrieb fast 25 Jahre ordentlich geführt, als er seine neue Lebensgefährtin kennen lernte und mit ihr ein Haus baute. Dabei übernahm er sich finanziell und in seiner Firma, wo sie die Buchhaltung übernommen hatte, lief es plötzlich auch nicht mehr gut. Als er dann von Handwerkskollegen von den Reklamationszahlungen des Fliesenkleber-herstellers hörte, wollte er sich daran bereichern und damit seinen Betrieb retten. Denn auch er hatte diesen Kleber verwendet, allerdings eher sporadisch. Lediglich auf einer Baustelle hatte er damit auf einem von sieben Balkonen gearbeitet.

Am 22. Juli vergangenen Jahres monierte er über den Gebietsvertreter des Unternehmens pauschal einen Schaden an allen sieben Balkonen in Höhe von 130 000 Euro. Daraufhin teilte man ihm mit, dass man keine Pauschalforderungen akzeptiere, er solle die Kosten detailliert aufschlüsseln. Das wurde dann schon etwas schwieriger und bei einer detaillierten Rechnung konnte er nur noch 66 700 Euro verlangen. Der tatsächliche Schaden lag bei 9000 Euro.

Der Handwerker hört nicht auf

Der Gebietsvertreter wurde schon mal stutzig. Er verlangte, dass er bei den Sanierungsarbeiten dabei sein wolle, um Proben zu entnehmen, ob es sich tatsächlich um besagten Fliesenkleber handele.

Wenige Tager später reichte der Handwerksmeister die nächste Pauschalforderung ein. Dieses Mal ging es um eine geflieste Terrasse, bei der ein Schaden in Höhe von pauschal 35 000 Euro entstanden sein sollte. Allerdings hatte er diese Terrasse bereits 2001 gefliest und der Kleber war erst seit 2013 auf dem Markt. Als er auch dabei aufgefordert wurde, eine detaillierte Rechnung statt einer Pauschalforderung einzureichen, reduzierte er die Summe auf mehr als 17 000 Euro. Auch das kam den Gebietsvertretern dubios vor.

Und dann gingen offenbar die Gäule mit dem Handwerksmeister durch: Er präsentierte eine dritte Forderung, bei der es um Schäden an 35 Balkonen ging im Wert von rund 400 000 Euro. Begleitet wurde die Forderung von einer E-Mail, in der er behauptete, es handele sich um einen Schaden bei einem Stammkunden, der nun "auf das Brutalste sauer" sei und man müsse ihm helfen, dass er sein Image rette, das durch den Fliesenkleber beschädigt worden sei. Postwendend meldete sich der Gebietsvertreter telefonisch bei ihm und rückte ihm mit ein paar deutlichen Worten den Kopf zurecht. Daraufhin verfasst der Handwerksmeister eine weitere Mail, gab darin zu, "belogen und betrogen" zu haben und bat um Entschuldigung. Das Unternehmen brachte den Fall zur Anzeige.

Vor Gericht verteidigte er sich mit dem Argument, dass er psychische und finanzielle Probleme gehabt habe. Weil er keinerlei Vorstrafen hatte, kam er mit einer Bewährungsstrafe davon. Mittlerweile steht er ohnehin vor einem Scherbenhaufen. Er und seine Lebensgefährtin haben sich getrennt, er hat 600 000 Euro Schulden. Sie bewohnt das Haus und weigert sich, es zu verkaufen, um Schulden damit zu tilgen. Jetzt ist er arbeitslos, lebt von Hartz IV und ist in psychologischer Behandlung.

© SZ vom 29.06.2015 / tdr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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