Reform des Strafrechts:Mord soll nicht mehr zwingend mit lebenslanger Haft bestraft werden

  • Eine vom Justizministerium eingesetzte Expertenkommission hat ihren Abschlussbericht zur Reform der Tötungsdelikte im Strafrecht vorgelegt.
  • Die Differenzierung zwischen "Mord" und "Totschlag" soll demnach beibehalten werden. Die Mordmerkmale sind jedoch teilweise zu überarbeiten.
  • Der wohl wichtigste Vorschlag der Experten: Bei Mord soll eine lebenslange Freiheitsstrafe nicht mehr zwingend sein.

Aus der Nazizeit, ungenau, unpassend für das moderne Strafrecht: Die Kritik an Paragraf 211 des Strafgesetzbuchs (StGB), dem "Mordparagrafen", gibt es seit Jahrzehnten. Seit Mai 2014 befasst sich eine von Bundesjustizminister Heiko Maas eingesetzte Expertenkommission mit einer Reform der Gesetze zu Tötungsdelikten - jetzt wurden die Ergebnisse vorgestellt.

Worum geht es?

Das Strafgesetzbuch unterscheidet zwischen Mord und Totschlag: Als Mörder ist demnach zu bestrafen, wer einen Menschen mit Methoden oder aus Motiven tötet, die die Gesellschaft besonders ablehnt. Das Strafgesetzbuch kleidet diese Anforderungen in sogenannte Mordmerkmale: Mörder ist demnach, wer etwa "aus Habgier" tötet, "heimtückisch oder grausam" oder "aus niedrigen Beweggründen". Die dafür vorgesehene Ahndung ist eindeutig: "Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft", heißt es in Paragraf 211 des Strafgesetzbuches.

Was ist daran problematisch?

Die Formulierungen der Tötungsdelikte seien vom Ungeist der Nazizeit geprägt, sagen Kritiker. So stammen die heutigen Normen zum Teil aus der Feder des Staatssekretärs im NS-Reichsjustizministerium und späteren Präsidenten des Volksgerichtshofes, Roland Freisler. Statt objektiver Maßstäbe beschrieben die Nazis 1941 einen Tätertypen, bestraften seine Gesinnung. Das sei mit dem modernen Strafrechtsverständnis nicht mehr vereinbar, so Kritiker.

Was soll konkret geändert werden?

Seit Jahrzehnten wird bemängelt, dass der Mordparagraf die lebenslange Haft als einzige Strafe vorsieht. Ausnahmen sind nicht vorgesehen, auch wenn mindestens 15 Jahre Haft im Einzelfall als ungerecht empfunden werden. Äußerst problematisch sehen viele Kritiker auch das Mordmerkmal "Heimtücke". Als ein Beispiel fällt oft das Wort "Haustyrannenmord": Klassiker ist die schwache Frau, die ihren brutalen Ehemann nach Jahren der Qual im Schlaf umbringt. Das geltende Recht benachteilige "die physisch Unterlegenen, und das sind oft Frauen", kritisierte Justizminister Maas zum Auftakt der Beratungen der Expertengruppe im Mai vergangenen Jahres.

Zu welchen Ergebnissen kommt die Expertenkommission?

  • Grundsätzlich befürwortet die Kommission die Beibehaltung der lebenslangen Freiheitsstrafe.
  • Gleichzeitig sind sich die Experten einig, dass der "Exklusivitäts-Absolutheits-Mechanismus" aufgelöst werden muss. Bei Mord soll eine lebenslange Freiheitsstrafe also nicht mehr die zwingende Konsequenz sein. Der Richter soll stattdessen die Möglichkeit bekommen, auch mildernde Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Wie weit die Änderungen gehen sollen und in welche Richtung, darüber gab es in der Kommission unterschiedliche Ansichten.
  • Die Beschreibung eines "Tätertypen", eines "Mörders" oder "Totschlägers", betrachten die Experten als überholt. Diese Begriffe sollen aus dem Gesetz getilgt werden. Stattdessen müsse es künftig um die "Tathandlung" gehen.
  • Die Differenzierung zwischen "Mord" und "Totschlag" soll beibehalten werden.
  • Auch die Mordmerkmale - besprochen wurden Verdeckungsabsicht, Grausamkeit, Motivgeneralklausel und Heimtücke - sollen mit einigen Änderungen bestehen bleiben.
  • Als weitere niedrige Beweggründe für eine vorsätzliche Tötung, die ins Gesetz aufgenommen werden müssen, sehen die Experten Abstammung, ethnische oder sonstige Herkunft, Glauben oder religiöse Anschauung des Opfers sowie rassistische Beweggründe des Täters.

Wie ist die Justiz bisher mit den Problemen umgegangen?

Um zu gerechten Urteilen zu kommen betreiben die Gerichte "sehr weitgehende Rechtsfortbildung", wie Maas es ausdrückt. So kann die drohende lebenslange Haftstrafe etwa wegen "außergewöhnlicher Umstände" gemildert werden. Das sieht das Gesetz so aber nicht vor. Es bestehe dadurch Rechtsunsicherheit, kritisierte unter anderem der Deutsche Anwaltverein. "Angeklagte und Verteidiger wissen dadurch nie, ob ein falsches Wort oder ein falscher Satz einen Beschuldigten in die lebenslange Haftstrafe katapultiert", erklärt der Düsseldorfer Strafrechtsexperte Rüdiger Deckers vom Anwaltverein.

Wie geht es jetzt weiter?

Die Experten waren sich bei Weitem nicht in allen Punkten einig - das schlägt sich auch im Abschlussbericht der Kommission nieder. Die Erwägungen und Empfehlungen werden nun vom Bundesjustizministerium geprüft. Danach soll ein Gesetzesentwurf erarbeitet werden.

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