Explosion der Space-X-Rakete:Am Rande der Leistungsfähigkeit

  • Am Sonntag explodierte die Trägerrakete Falcon 9 wenige Minuten nach dem Start. Sie sollte Versorgungsgüter zur Internationalen Raumstation ISS bringen.
  • Es ist bereits der dritte Zwischenfall bei ISS-Versorgungsmissionen innerhalb von acht Monaten.
  • Die Rakete wurde von Space-X, der privaten Raumfahrtfirma des Milliardärs Elon Musk, gestartet. Jetzt kommt die Nasa in Terminnot - und muss womöglich auch Hilfe aus Russland annehmen.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Ein paar Wolken, etwas Atlantischer Ozean und das John F. Kennedy Space Center in Florida sind auf dem Foto zu sehen. Eines der üblichen Bilder aus dem All, das der Astronaut Scott Kelly auf dem Kurznachrichtendienst Twitter veröffentlicht hat.

Hätte er jedoch diesen Teil der Erde mit der Internationalen Raumstation ISS etwas später überquert, wäre womöglich eine Explosion zu sehen gewesen. Die Explosion der Trägerrakete, die den Raumfrachter Dragon am vergangenen Sonntag zur ISS bringen sollte. Doch im Moment des Unglücks war Kelly mit seiner Station schon über Südosteuropa. "Heute wurden wir daran erinnert, dass die Raumfahrt hart ist", schrieb er, als der Fehlschlag bekannt wurde. Und nicht nur die Besatzung der ISS fragt sich nun: Ist die Versorgung im Orbit gesichert?

Es ist bereits der dritte gescheiterte Transportflug innerhalb von nur acht Monaten. Im vergangenen Oktober explodierte eine Rakete des privaten amerikanischen Unternehmens Orbital Sciences, im April verglühte ein Transporter der russischen Raumfahrtbehörde Roskosmos.

"Wir sind dafür ausgerüstet, uns anzupassen", schrieb Kelly nach dem russischen Unglück - aber schon damals hieß es, die Astronauten müssten wegen fehlenden Nachschubs einschränken. Nun verkündet die Nasa, Kelly und seine beiden russischen Kollegen Michail Kornijenko und Gennadi Padalka müssten sich keine Sorgen machen: Die Versorgung mit Nahrung und Wasser sei bis Oktober gesichert.

Zwei Versorgungsflüge sind bis zum Herbst geplant

Bis dahin sind aktuell zwei Transportmissionen geplant - eine russische am kommenden Freitag und eine japanische am 16. August -, dazu zwei weitere SpaceX-Flüge, deren Termine allerdings aufgrund des Unglücks am Sonntag noch unklar sind.

Ende Juli sollen zudem drei weitere Astronauten zur ISS gebracht werden. "Wir brauchen eine vollständige Crew, um weiter forschen zu können", sagt Bill Gerstenmaier, bei der Nasa verantwortlich für bemannte Missionen: "Das ist unsere Aufgabe dort oben." Eine für Dezember anberaumte Transportmission von Orbital Sciences könne laut Gerstenmaier womöglich auf Oktober vorgezogen werden.

"Es gibt keinen Zusammenhang zwischen den drei Unglücken", betont Gerstenmaier. "Der Weltraum ist eine anspruchsvolle Umgebung, es ist nun mal schwierig, dort zu fliegen. Wir betreiben die Geräte am Rand ihrer Leistungsfähigkeit." Der Frachter Dragon des privaten Raumfahrtunternehmens SpaceX sollte zwei Tonnen Nachschub, Raumanzüge und wissenschaftliche Geräte zur ISS befördern und mehr als 600 Kilogramm Müll und Werkzeuge zurück zur Erde bringen.

Russland hat der Nasa Hilfe angeboten

Doch 139 Sekunden nach dem Start explodierte die Trägerrakete Falcon 9. SpaceX-Gründer Elon Musk nannte als Grund für das Unglück "Überdruck im Tank für Flüssigsauerstoff der oberen Stufe". Weniger auskunftsfreudig zeigte sich später die Präsidentin des Unternehmens, Gwynne Shotwell: "Wir werden keine Informationen herausgeben, die wir später zurücknehmen müssen."

Mit dem Unglück ist auch eine ambitionierte Neuerung gescheitert: Die untere Stufe der Rakete hätte auf einer schwimmenden Plattform im Atlantischen Ozean landen und danach wiederverwertet werden sollen. Bei früheren Starts hatten die Bauteile ihren Landeplatz jedoch stets verfehlt. Das Unglück ist deshalb auch ein Rückschlag für das Versprechen von Musk, Raumfahrt deutlich günstiger werden zu lassen.

Für die Nasa sind die Dinge nun nicht einfacher geworden. Zum einen waren die Beziehungen zu den russischen Kollegen aufgrund der Ukraine-Krise zuletzt angespannt. Immerhin hat die russische Raumfahrtbehörde nun jedoch angeboten, am kommenden Freitag auch Fracht der Nasa zur ISS bringen zu können. Zum anderen bekommt die Strategie Risse, private Unternehmen mit Transportmissionen und auch mit der Beförderung von Astronauten zu beauftragen.

Politische Probleme verschärfen die Schwierigkeiten

Bei dem jetzigen Unglück verloren gegangen ist auch der International Docking Adapter, mit dem das Andocken bemannter Raketen der Unternehmen SpaceX und Boeing ermöglicht werden sollte. Es gibt allerdings ein zweites Exemplar, das bei einem der künftigen Flüge zur ISS gebracht werden soll, um den Weltraum-Parkplatz einrichten zu können.

Hinzu kommen politische Probleme, die für Schwierigkeiten bei der Finanzierung einzelner Projekte sorgen könnten: Die Regierung Obama hat für das Programm von SpaceX und Boeing ein Budget von 1,2 Milliarden Dollar beantragt, das der Senat wohl auf etwa 900 Millionen Dollar kürzen wird. In Washington sind ohnehin nicht wenige unglücklich darüber, dass die Nasa Aufträge an private Unternehmen vergeben hat, anstatt selbst Lösungen zu finden. "Wenn wir die Finanzierung nicht bekommen, dann wird unsere technische Arbeit verzögert oder verdichtet", fürchtet Gerstenmauer. Das Weltall sei jedoch nicht die geeignete Umgebung, technische Entwicklungen zu verzögern oder zu komprimieren.

Nasa und SpaceX sind deshalb bemüht, Optimismus zu verbreiten und um Verständnis zu werben. "Wir lernen von jedem Erfolg und von jedem Rückschlag - der heutige Versuch wird uns nicht davon abhalten, unser ehrgeiziges Projekt der bemannten Raumfahrt umzusetzen", sagt Nasa-Chef Charles Bolden. SpaceX-Präsidentin Shotwell ergänzt: "Wir müssen den Grund für das Unglück finden, aber natürlich werden wir weiterhin fliegen." Diesen Optimismus übrigens teilt auch Scott Kelly in der ISS. "Morgen ist ein neuer Tag", schrieb er - und twitterte ein Foto von der Sonne.

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