Gesundheitsreport:Ein Viertel der Studenten steht unter Dauerstress

Leerer Hörsaal

Studenten in einer Vorlesung in einem Hörsaal der Berliner Humboldt-Universität.

(Foto: Jens Kalaene/dpa)
  • In ihrem Gesundheitsreport 2015 sowie der Umfrage Campus Kompass befasst sich die Techniker Krankenkasse mit der Gesundheit von Studenten.
  • Viele Studierende haben demnach Stress und sogar psychische Probleme - der Anteil derer, denen Antidepressiva verordnet wurde, ist seit 2006 deutlich angestiegen.
  • Je älter ein Student, desto schlechter ist laut Umfrage sein gesundheitlicher Zustand.

Von Matthias Kohlmaier

An den Universitäten beginnt die Prüfungszeit, das Stresslevel der Studenten wird in den kommenden Wochen ziemlich hoch sein. Danach beginnen zwar die Semesterferien - aber die vorlesungsfreie Zeit lässt sich auch nicht zwingend mit Freizeit gleichsetzen. Hausarbeiten wollen geschrieben, Praktika absolviert und womöglich muss auch Versäumtes nachgeholt werden.

Was das für die Gesundheit Studierender bedeutet, damit hat sich die Techniker Krankenkasse (TK) in ihrem Gesundheitsreport 2015 sowie in einer vom Meinungsforschungsinstitut Forsa durchgeführten repräsentativen Befragung unter 1000 Studenten, dem "Campus Kompass", auseinandergesetzt. Die wichtigsten Ergebnisse:

Verordnung von Antidepressiva nimmt deutlich zu

Drei von zehn Studentinnen in Deutschland bekommen dem TK-Gesundheitsreport zufolge mindestens einmal im Jahr eine psychische Diagnose, bei den männlichen Studierenden sind 15 Prozent betroffen. Zu den häufigsten Erkrankungen gehören Depressionen, somatoforme Störungen, Anpassungs-, Belastungs- sowie Angststörungen. Fast vier Prozent der angehenden Akademiker bekamen 2014 Antidepressiva verordnet - das sind 43 Prozent mehr als noch im Jahr 2006.

Campus Kompass der Techniker Krankenkasse zur Gesundheit von Studenten

Mehr Frauen ab 32 Jahren bekamen 2014 Antidepressiva als gleichaltrige Männer.

(Foto: TK Campus Kompass)

Bei der Verordnung von Antidepressiva ist der Vergleich zwischen Studenten und gleichaltrigen Berufstätigen besonders interessant. Die im Vergleich zu Erwerbspersonen höheren Verordnungsraten von Antidepressiva bei Studenten resultieren demnach aus relativ hohen Raten bei Studierenden im Alter von mehr als 26 Jahren. Die Schlussfolgerung liegt nahe: Je älter der Student, desto anfälliger ist er für psychische Probleme.

Laut Campus Kompass haben sich 27 Prozent der Befragten während des Studiums schon einmal so gestresst gefühlt, dass der Druck mit ihren üblichen Entspannungsstrategien nicht mehr zu bewältigen gewesen sei. Mehr als die Hälfte der Betroffenen nahm professionelle Hilfe in Anspruch, die meisten ließen sich ambulant von einem Psychologen oder Psychotherapeuten behandeln.

"Beunruhigend"

Jens Baas, Vorstandsvorsitzender der TK: "Wir wissen alle, dass das Studium vor allem in Prüfungszeiten Stress bedeutet." Es sei allerdings beunruhigend, "wenn der Druck bei so vielen Studierenden ein Ausmaß annimmt, dass sie ihn allein nicht bewältigen können und medizinische Unterstützung brauchen".

Zu den vermehrt bei älteren Studenten auftretenden psychischen Problemen erklärte Thomas Grohe vom Aqua-Institut, das die Daten ausgewertet hat: "Bis zum Alter von 26 Jahren bekommen Studierende seltener Antidepressiva verschrieben als ihre berufstätigen Altersgenossen. Dann steigt das Volumen bei den Hochschülern deutlich stärker und ab 32 bekommen Studierende beider Geschlechter etwa doppelt so viel verschrieben wie Erwerbspersonen."

Am schlechtesten fühlen sich die Geisteswissenschaftler

Je älter, desto schlechter der Gesundheitszustand

Einen Zusammenhang zwischen fortschreitendem Alter und einer zunehmenden Anfälligkeit für Beschwerden verschiedener Art zeigt auch ein weiteres Ergebnis des Campus Kompass. So bewerteten nur drei von zehn Hochschülern über 28 Jahren ihren generellen Gesundheitszustand mit "sehr gut". In den jüngeren Altersgruppen sind es 42 Prozent bei den bis 23-Jährigen und 40 Prozent bei den 24- bis 27-Jährigen. Die Forscher vermuten, dass die Belastung mit dem Alter zunimmt, da "der Anteil derer, die Studium, Familie und eventuell auch eine berufliche Tätigkeit in Einklang bringen müssen" steige.

Bei den untersuchten gesundheitlichen Problemen Rückenschmerzen, Konzentrationsstörungen, Erkältungskrankheiten, Tinnitus und Übergewicht galt unisono: Am wenigsten betroffen war die Gruppe der bis 23-Jährigen, gefolgt von den 24- bis 27-Jährigen und den Studenten jenseits der 28 Jahre. Einzig beim Kriterium "durch Stress erschöpft" stimmten etwas mehr Studenten aus der jüngsten Altersgruppe zu als aus der der 24- bis 27-Jährigen. Das könnte daran liegen, dass die Belastung in der früheren Phase des Studiums höher ist.

Die Ergebnisse der Forsa-Umfrage sind bei der Frage nach dem Gesundheitszustand auch nach Studienrichtungen gegliedert. Am schlechtesten bewerteten ihr Wohlbefinden dabei die Geisteswissenschaftler - sieben Prozent der Befragten wählten die Option "weniger gut/schlecht", 21 Prozent bezeichneten ihren Gesundheitszustand immerhin als zufriedenstellend, etwas mehr als 70 Prozent kreuzten "sehr gut/gut" an. Am gesündesten fühlen sich laut Statistik Studenten der Medizin/Psychologie und der MIN-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften): Jeweils 90 Prozent bezeichneten ihren körperlichen Zustand als sehr gut und nur je zwei Prozent als weniger gut bis schlecht.

Wie gestresst Studenten sind - und was sie dagegen tun

Mehr als die Hälfte, genauer 55 Prozent, der angehenden Akademiker haben laut Campus Kompass regelmäßig Stress, ein weiteres Viertel steht unter Dauerstress. Die Hälfte der Studentinnen und vier von zehn Studenten litten unter stressbedingter Erschöpfung. Zu den wichtigsten Stressauslösern gehören laut Umfrage Prüfungen (52 Prozent), der Lernstoff (28 Prozent), die Doppelbelastung von Studium und Jobben (26 Prozent), die Angst vor schlechten Noten (26 Prozent) oder keinen Job zu finden (23 Prozent) sowie finanzielle Sorgen (20 Prozent).

Um mit dem Druck klarzukommen, nutzen die Befragten nicht nur Enstpannungsmethoden wie Sport oder das Treffen mit Freunden. Viele behelfen sich auch mit Alkohol, Rauchen, Cannabiskonsum, Beruhigungs- oder Aufputschmitteln sowie verschreibungspflichtigen Medikamenten. Auffällig ist hier, dass deutlich mehr Männer als Frauen Alkohol, Zigaretten und Cannabis konsumieren. Bei der Einnahme von Beruhigungsmitteln dagegen waren die Studentinnen deutlich in der Überzahl.

"Die Stressfaktoren unterscheiden sich gar nicht so sehr von denen früherer Generationen. Aber das Abschalten fällt der Generation Smartphone, die jetzt auch an den Hochschulen angekommen ist, schwerer", sagt TK-Chef Baas. "Sie haben Probleme, sich zu konzentrieren, wenn die Ablenkung durch soziale Netzwerke etc. nur einen Mausklick entfernt ist. Deshalb ist das Vermitteln von Medienkompetenz auch Aufgabe der Stress-Prävention." Der Umfrage zufolge lässt sich jeder zweite Student von digitalen Medien ablenken, wenn er eigentlich lernen soll, drei Viertel bescheinigen dem Internet Suchtpotenzial.

Über die Studien

Für den Gesundheitsreport wurden Daten zu Arzneiverordnungen bei Studierenden von 2006 bis 2014 und Daten aus der ambulant-ärztlichen Versorgung von 2009 bis 2013 ausgewertet. Für das Jahr 2014 konnten Daten zu etwa 190.000 Studierenden analysiert werden. Basis der Auswertungen bilden routinemäßig erfasste Daten zu eigenständig bei der TK versicherten Studierenden sowie zu jungen Erwerbspersonen im Alter zwischen 20 und 34 Jahren.

Für den Campus Kompass befragte Forsa im März 2015 insgesamt 1000 Studenten zu ihrer gesundheitlichen Situation sowie zu ihrer Mediennutzung.

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