Zivilisationskrankheiten:Fette Packung

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Weil es mehr Lebensmittel gibt, essen die Menschen mehr - nicht nur in reichen, sondern auch in armen Ländern. Eine neue Studie zeigt das Ausmaß.

Von Werner Bartens

Je mehr Lebensmittel in einem Land zur Verfügung stehen, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Bevölkerung an Übergewicht und anderen Zivilisationskrankheiten leidet. Dies gilt gleichermaßen für Nationen mit hohem, mittlerem und geringem Durchschnittseinkommen, zeigen Wissenschaftler aus Neuseeland und den USA im Bulletin of the World Health Organization (Bd. 93, S. 446, 2015). Die Analyse von Daten aus 69 Nationen zeigt, dass in 81 Prozent der Länder sowohl die Energiezufuhr als auch das Körpergewicht im Zeitraum zwischen 1971 und 2010 erheblich angestiegen sind.

"Natürlich haben in dieser Zeit auch die Urbanisierung, sitzende Tätigkeiten und der Gebrauch des Autos zugenommen", sagt die Hauptautorin der Studie, Stefanie Vandevijvere, die an der Universität Auckland forscht. "Aber die Überversorgung mit Kalorien ist wohl der Hauptgrund dafür, dass in den meisten Ländern immer mehr Menschen an Gewicht zulegen." So sei die durchschnittliche tägliche Kalorienaufnahme von Erwachsenen im Beobachtungszeitraum in Kanada um 559 Kilokalorien pro Person gestiegen, in den USA sogar um 768 - und selbst auf den Fidschi-Inseln um 550 Kilokalorien.

Die Wissenschaftler beunruhigt nicht so sehr, dass die Menschen rund um den Globus mehr essen - zumindest in den Ländern, in denen es genug für alle gibt. Vielmehr ist besorgniserregend, dass der Anteil ungesunder Lebensmittel immer größer wird.

"Der Anstieg der Kalorienzufuhr geht zu großen Teilen auf mehrfach bearbeitete und mit Zusatzstoffen versehene Lebensmittel zurück", sagt Vandevijvere. "Die sind sehr schmackhaft, relativ billig und werden überall beworben. Es ist leicht, auf diese Weise zu viele Kalorien zu sich zu nehmen." Außer Übergewicht seien auch Krankheiten wie Diabetes und Herz-Kreislauf-Leiden die Folge.

Um die Situation zu verbessern, sind allerdings nicht nur Verhaltensänderungen des Einzelnen nötig. "Die Länder müssen analysieren, wie ihre Lebensmittelversorgung funktioniert", sagt Francesco Branca, der das WHO-Programm für Ernährung und Gesundheit leitet. "Das bezieht sich auf Landwirtschaft, Lebensmittelindustrie, Handel, aber auch Gesundheitswesen und Bildungssystem." Von der Politik fordern die Forscher, die Vermarktung ungesunder Lebensmittel einzuschränken, eine Kennzeichnung vorn auf der Verpackung vorzuschreiben und günstigere Preise für gesunde Lebensmittel sowie gesünderes Essen in Schulen und anderen öffentlichen Bereichen zu fördern.

© SZ vom 01.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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