Balkan:Leichtes Beben

Auf dem Balkan, wo viele griechische Banken aktiv sind, wächst die Sorge, von der Krise des Landes mitgerissen zu werden. Gleichzeitig sinkt in Ost- und Südosteuropa das Verständnis für Hilfsmaßnahmen für die Griechen.

Von Florian Hassel, Warschau

Es ist ein enttäuschender Weg über die Grenze: Seit Athen Kapitalkontrollen eingeführt und Bezüge an Geldautomaten auf 60 Euro begrenzt hat, fahren viele Griechen ins benachbarte Bulgarien. Doch hier bekommen sie dem lokalen Fernsehsender Nova Televizija zufolge ebenso wenig Geld am Automaten wie in der Heimat. Das Limit gilt auch jenseits der Grenze.

Bulgaren und Rumänen, Serben, Mazedonier oder Albaner wiederum sorgen sich, dass die Krise auch sie erreicht. In Bulgarien etwa kontrollieren vier griechische Banken ein Fünftel des Marktes, in Rumänien sind es zwölf Prozent, in Serbien fünfzehn, und im bettelarmen Albanien gar 32. Doch die Sorge, dass besorgte Sparer auch hier die Konten räumen würden, war bisher überflüssig. Dafür gibt es Gründe: Nach Beginn der Griechenlandkrise 2009 bestanden die Nachbarländer auf Anraten von Internationalem Währungsfonds und Osteuropabank darauf, dass sich Niederlassungen griechischer Banken bei ihnen als eigenständig registrieren müssen: Die griechischen Mutterhäuser können so das Geld der Töchter nicht mehr abziehen, um Löcher zu stopfen.

Baltische Rentner haben weniger Geld als griechische

Gleichwohl dürfte eine tiefere Krise in Athen oder eine Wiedereinführung der Drachme die Nachbarländer treffen: etwa weil ihr Handel mit Griechenland zurückgehen würde oder weil Gastarbeiter aus armen Balkanländern ihre Jobs in Hellas verlieren könnten. Auf Sympathie anderer, armer EU-Länder kann Griechenland nicht zählen. Als etwa Finanzminister Yanis Varoufakis kürzlich gegenüber anderen EU-Finanzministern Kürzungen bei griechischen Renten als unzumutbar zurückwies, ätzte sein litauischer Kollege Rimantas Šadžius, im Baltikum müssten Pensionäre mit einem Bruchteil einer griechischen Rente auskommen. Tatsächlich zahlte Athen seinen Rentnern Eurostat zufolge 2012 insgesamt ungefähr 11.000 Euro im Jahr, monatlich also etwa 916 Euro. Unerhörter Luxus aus der Sicht von Bulgarien, wo die Monatsrente nur rund 100 Euro betrug. Oder Rumänien (weniger als 200 Euro), Litauen und Lettland (etwas mehr als 200 Euro). Selbst Polen (etwa 375 Euro), Slowenien (500 Euro) oder Spanien (1150 Euro) kamen mit deutlich weniger aus.* Auch nach den seitdem vorgenommenen Kürzungen liegen griechische Renten immer noch höher als in anderen Ländern Südost- oder Osteuropas.

Das gilt auch für den Mindestlohn: Der ist in Griechenland neuen Eurostat-Zahlen zufolge mit 674 Euro weit höher als in allen anderen armen EU-Ländern (Portugal: 589 Euro, Kroatien: 395 Euro, Tschechien: 331 Euro, Bulgarien: 184 Euro).

Und so schimpfte Bulgariens Ministerpräsident Boiko Borisow vor einem EU-Gipfel der Staats- und Regierungschefs, er würde seinen Bürgern auch gerne höhere Gehälter und Renten zahlen, halte aber selbst finanzielle Disziplin und sei so "kategorisch gegen Verzögerungen" und Kompromisse mit Athen.

Die Griechen finden gerade in Ländern, die schneller und härter als sie selbst reformiert haben, kein Verständnis. "Wir haben gesehen, dass Portugal, Spanien, Irland oder Lettland durch schwierige Zeiten und die Krise gekommen sind. Auch Litauen hat dies geschafft", sagte Litauens Präsidentin Dalia Grybauskaitė am 22. Juni. Griechenland dagegen sei ein "Land, das mehrere Jahrzehnte über seine Verhältnisse gelebt hat und nun, vor allem in Gestalt seiner neuen Regierung, sagt, dass alle anderen Länder ihm helfen sollen", so die litauische Präsidentin.

*Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Artikels waren die Durchschnittswerte der Renten falsch angegeben. Wir haben die Passage entsprechend geändert.

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