U-21-Europameister:Carlgren ist Schwedens neuer Held

Portugal v Sweden - UEFA European Under 21 Championship - Czech Republic 2015 - Final

Er fliegt und hält: Schwedens Torwart Patrik Carlgren.

(Foto: REUTERS)
  • Torwart Patrik Carlgren pariert zwei Strafstöße, damit ist Schweden erstmals Europameister bei den U-21-Junioren.
  • Gegner Portugal, der im Halbfinale noch das deutsche Team 5:0 besiegt hatte, trauert vielen vergebenen Chancen nach.
  • Hier geht es zur Liveticker-Nachlese.

Von Ulrich Hartmann, Prag

Der Kommentator vom portugiesischen Fernsehen kann ein Fall für die Lärmschutzkommission sein. Er sollte nie zu viel Anlass zum Jubel erhalten. Wenn doch, dann holt er tief Luft und schreit "Goooooool", bis er ohnmächtig zu werden droht. Das kann locker mal 15 Sekunden dauern. Im Halbfinale der U21-Europameisterschaft gegen Deutschland am vergangenen Samstag in Olmütz hatte der Gute seine Lunge gleich fünf Mal strapaziert. Hohe Siege sind nicht gesund für den Mann.

Am Dienstagabend war bei der U21-EM Endspiel: Portugal gegen Schweden in Prag, und wieder war eine Jubelarie in mehrere Akten von der Kommentatoren-Tribüne herunter zu befürchten. Doch das Endspiel verlief lungenfreundlich. Nach 45 Minuten kein Tor, nach 90 Minuten kein Tor, nach 105 Minuten keines und auch nach 120 keines. Als dann nach zwei torlosen Stunden das Elfmeterschießen begann, war es für natürlichen Enthusiasmus eigentlich sowieso schon zu spät.

Um 23.29 Uhr aber entfuhr dem Kommentator bloß noch ein Schrei des Schreckens. Weil Portugals EM-Star William Carvalho den letzten Elfmeter verschoss, gewannen die Schweden das Elfmeterschießen mit 4:3 und bejubelten ihren ersten Titelgewinn im Nachwuchsbereich überhaupt.

Das Spiel war sechseinhalb Minuten alt, da hatte der Kommentator seinen ersten Schrei auf den Lippen, doch ein Freistoß vom Kapitän Sergio Oliveira (Pacos de Ferreira) knallte aus 20 Metern ans Gebälk. Die Portugiesen machten zunächst dort weiter, wo sie gegen Deutschland im Halbfinale aufgehört hatten: sie spielten ohne abzuwarten, ohne zu zögern, ohne Gegenwehr.

Schweden war anfangs machtlos. Die Mannschaft vom Trainer Rui Jorge spielte wie aus eine Guss, wie eine seit langem eingespielte Klubmannschaft. Der Torwart José Sá sowie die Feldspieler Paulo Oliveira, Ricardo Esgaio, William Carvalho und Sérgio Oliveira hatten auf dem portugiesischen Weg ins Finale in allen vier Spielen jede Minute mitgespielt.

Doch der anfänglich hohe portugiesische Druck wich. Torlos verabschiedeten sich die Mannschaften zur Pause in die Kabine, und als sie das Spiel hernach fortsetzten, hatte John Guidetti von Manchester City in der 52. Minute die größte Chance zur schwedischen 1:0-Führung. Sein artistischer Schuss im Fallen strich knapp über das Tor. Es wirkte nun, als hätten die Portugiesen gegen Deutschland alle Patronen verschossen. Guidetti bekam fünf Minuten vor dem Ende der regulären Spielzeit die zweite Chance zum Siegtreffer, doch Torwart Sá hatte die Finger im Spiel. Nach einer von Erschöpfung geprägten Verlängerung musste die Entscheidung im Elfmeterschießen fallen.

William Carvalho, der tragische Held

Dass es einen neuen und erstmalig triumphierenden U21-Europameister geben würde, war bereits vor dem Anpfiff des Endspiels klar gewesen, denn nie zuvor hatten Schweden oder Portugiesen diesen Titel bei den ältesten Nachwuchsfußballern gewinnen können. Beide hatten zwar bereits jeweils ein Mal im Finale gestanden, dabei aber nacheinander jeweils gegen den U21-Rekordchampion Italien (fünf Titel) verloren: 1992 die Schweden mit 1:2 - und 1994 die Portugiesen mit Luis Figo und Rui Costa mit 0:1. Etwa zwei Monate nach jener Final-Niederlage der Portugiesen damals wurde im August 1994 Bernardo Silva geboren, der ein leidenschaftlicher Rui-Costa-Fan werden und 21 Jahre später, am Dienstagabend in Prag, die Gelegenheit erhalten sollte, erstmals für Portugal diesen U21-EM-Titel zu holen.

Doch dieser Traum zerplatzte am Dienstag eine halbe Stunde vor Mitternacht. Bei den Schweden war Oscar Lewick einer der auffälligsten Spieler. Er hat insgesamt drei Jahre in der Jugend und der zweiten Mannschaft des FC Bayern gespielt und die Münchner 2011 auf eigenen Wunsch verlassen. Danach spielte er dreieinhalb Jahre beim Göteborger Verein Bollklub Häkken, bevor er Anfang 2015 zu Malmö FF gewechselt ist.

In Malmö wurde 2009 die deutsche U21 zum ersten und bislang einzigen Mal Europameister. Am Dienstag in Prag hätte der Deutsche Fußball-Bund ja eigentlich gern den zweiten Titel in dieser Altersklasse gefeiert, allerdings war seine hochgepriesene Mannschaft am vergangenen Samstag in Olmütz mit 0:5 an den Portugiesen gescheitert. Die haushohe Niederlage der Deutschen wurde durch den knappen Ausgang des Finals noch einmal schmerzlicher und fragwürdiger.

Lewickis Söhnchen Liam wurde am Dienstag ein Jahr alt. Es war also ein besonders schöner Anlass, an diesem Tag mit den Schweden auch U21-Europameister zu werden. Das galt bedingt auch für Branimir Hrgota. Der Mönchengladbacher Ersatzstürmer spielt auch in der schwedischen U21 kaum eine Rolle. Vor dem Einzug ins Finale hatte er bei dieser EM gerade mal 52 Minuten spielen dürfen und musste auch das Finale samt seinem Elfmetschießen von der Bank aus ansehen.

Der dritte portugiesische Schütze Ricardo Esgaio scheiterte am schwedischen Torwart Patrik Carlgren, doch gleich im Anschluss widerfuhr dies auch Abdullah Khalili gegen Sá. Und ganz am Ende wurde - natürlich - William Carvalho zum tragischen Helden. Seinen Elfmeter parierte Carlgren und machte die Schweden zu Europameistern.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: