Euro-Krise:Griechenland ist seinen Gläubigern ausgeliefert

  • Griechenlands Kreditgeber sind fast ausschließlich die Euro-Länder, der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Europäische Zentralbank (EZB). Sie könnten Athen von nun an jederzeit fallen lassen, denn das offizielle Kreditprogramm ist um Mitternacht ausgelaufen.
  • Besonders kritisch für Griechenland ist die Haltung der EZB. Sie könnte die Banken des Landes in die Pleite schicken. Außerdem muss Athen am 20. Juli einen Milliardenkredit an die Zentralbank überweisen, sonst ist das Land insolvent.

Von Bastian Brinkmann

Mittwoch, der 1. Juli 2015 ist der dritte Tag in Griechenland mit Kapitalkontrollen. Die Banken sind geschlossen. Bürger bekommen nur noch 60 Euro pro Tag am Geldautomaten, wenn überhaupt noch Scheine in der Maschine sind. Und trotzdem hat sich die Lage für das Land über Nacht noch einmal dramatisch verändert. Zum ersten Mal seit fünf Jahren steht Griechenland nicht mehr unter dem Schutz der Euro-Länder, die Rettungsschirme für Athen aufgespannt hatten. Sie verlangten im Gegenzug zwar harte - manche sagen: zu harte - Reformen von Griechenland. Sie schützten das Land aber auch vor Forderungen seiner Gläubiger. Und Athens Gläubiger haben Ansprüche in dreistelliger Milliardenhöhe.

Das Land hatte so viele Schulden angehäuft, dass die Finanzszene das Vertrauen verloren hatte, das Geld jemals wieder zurückzubekommen. Im April 2010 verlor Athen den Zugang zum internationalen Kapitalmarkt, an dem sich Staaten normalerweise mit Geld versorgen. Spekulanten griffen das Land und die Euro-Zone an. Ohne Notkredite der Euro-Partner wäre Griechenland wohl pleite gegangen, das Land zusammengebrochen. Im Mai 2010 handelten Athen und die Euro-Partner zum ersten Mal ein sogenanntes "Anpassungsprogramm" aus, das die Insolvenz des Staats verhinderte.

Dieser Schutz ist nun weg. Das aktuelle Programm ist um Mitternacht ausgelaufen.

Griechenland ist jetzt ein Land ohne Sicherheitsnetz. Athen ist wie im April 2010 wieder seinen Gläubigern ausgeliefert. Nur sind dies nicht mehr die internationalen Finanzmärkte, deutsche und französische Banken, Vermögensverwalter aus den USA. Jetzt sind die Kreditgeber fast ausschließlich die Euro-Länder, der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Europäische Zentralbank (EZB). Sie könnten Griechenland fallen lassen. Was machen die Gläubiger jetzt mit Athen?

So reagiert der IWF

Athen hat nicht gezahlt. Die Regierung hätte bis Dienstagnacht rund 1,5 Milliarden Euro an den IWF zurückzahlen müssen. Nun ist Griechenland im Verzug, aber nicht automatisch pleite. Der IWF mahnt zunächst die fällige Rate an.

So reagieren die Euro-Partner

Die Regierung von Alexis Tsipras und die Euro-Finanzminister reden miteinander. Tsipras will ein neues Programm; die anderen Länder fordern, das Athen Reformen umsetzt. Die vorläufigen Gespräche laufen (die aktuellen Entwicklungen in diesem Text).

Die Euro-Zone hat im Juni 2010 einen Euro-Rettungsschirm gegründet, der die Abkürzung EFSF trägt. Er hat mit Griechenland einen Vertrag geschlossen (hier als PDF). Für die Notkredite an Athen gelten die Standardregeln der Finanzmärkte. Dazu gehört auch eine Verzugsklausel: Zahlt Griechenland nicht, kann der EFSF seine Forderungen sofort fällig stellen. Athen müsste ohne Aufschub zahlen. Das Geld dafür fehlt aber, das Land wäre pleite. Auch eine Nicht-Zahlung an eine dritte Partei kann die Verzugsklausel auslösen - und Athen hat eben die IWF-Rate nicht fristgemäß gezahlt. Der EFSF kann nun jederzeit erklären, dass er Griechenland für pleite hält, und seine Kredite sofort zurückverlangen. Athen könnte dagegen klagen, Gerichtsstand ist Luxemburg (PDF).

An diesem Tag droht Athen die Pleite

So reagiert die EZB

Die Notenbank der Euro-Zone will an diesem Mittwoch in Frankfurt entscheiden, ob und wie den griechischen Banken weiter Notgeld gewährt wird. Dank dieser Genehmigung aus Frankfurt versorgt die griechische Zentralbank die Institute seit Anfang des Jahres mit der sogenannten Emergency Liquidity Assistance (ELA). Ohne diese Sonder-Milliarden wären die Banken wohl schon insolvent, weil die Kunden ihre Konten leeren. Sie fürchten, das ihr Geld dort nicht mehr sicher ist.

Am Sonntag hatte die EZB die Nothilfe eingefroren und den Banken verwehrt, zusätzliche Milliarden zu bekommen. Das zwang die Regierung Tsipras, Kapitalkontrollen einzuführen.

Eigentlich müsste die EZB nun alle Hilfskredite für Athens Geldhäuser widerrufen. Diese Bedingung hatte sie zumindest im Fall Zypern selbst aufgestellt: "Emergency Liquidity Assistance kann nur erwogen werden, wenn ein EU/IWF-Programm in Kraft ist, das die Solvenz der betroffenen Banken sicherstellt", hatte die EZB damals mitgeteilt.

Sie könnte zunächst aber auch die Anforderungen an die griechischen Banken erhöhen, die die Sonderkredite bekommen. Sie müssten dann mehr Sicherheiten bei der griechischen Zentralbank hinterlegen. Es ist aber unklar, ob die Institute überhaupt noch Sicherheiten haben.

Außerdem schuldet Griechenland der EZB Geld, weil die Zentralbank Kredite des Landes aufgekauft hat. Rund 3,5 Milliarden Euro werden am 20. Juli fällig. Die EZB duldet anders als der IWF keinen Zahlungsaufschub - sonst würde die Zentralbank einen Staat finanzieren, das ist laut EU-Vertrag streng verboten (PDF). Hat Griechenland bis dahin keine neuen Geldquellen gefunden, droht die Pleite.

Und Griechenland?

Die Gläubiger können jederzeit den Druck auf die Regierung in Athen erhöhen, das nun ohne Schutzschirm dasteht. Die Frage ist nun, wie Tsipras darauf reagiert.

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