Der Referendar über die Seminartage:Akustischer Sauhaufen

Der Referendar über die Seminartage: Referendar und Teilzeitschüler: Pascal Grün

Referendar und Teilzeitschüler: Pascal Grün

(Foto: Collage SZ.de)

Bei den Seminartagen muss Referendar Pascal Grün selbst die Schulbank drücken. Dabei lernt er, dass sich angehende Lehrer und Schüler in einer Sache kaum unterscheiden.

Kolumne "Der Referendar"

Pascal Grün ist 27 Jahre alt und unterrichtet als Referendar an einem bayerischen Gymnasium die Fächer Französisch und Spanisch. Auf SZ.de berichtet er regelmäßig über seine Erlebnisse als Referendar. Pascal Grün ist ein Pseudonym - zu seinem eigenen Schutz und zum Schutz der Personen, über die er schreibt. Ansonsten ist "Der Referendar" aber maximal offen und ehrlich.

Freitagmorgen, bepackt mit einer Reisetasche betrete ich das Lehrerzimmer. Direkt nach Schulschluss geht es nämlich gen Süden, gen Heimat. Zwar arbeite ich im Moment an einem Gymnasium in Unterfranken, kehre aber etwa alle zwei Monate für die so genannten Seminartage an meine Seminarschule zurück. Da diese meist zu Wochenbeginn stattfinden, reise bereits freitags an, um das Wochenende mit Freunden und Familie zu verbringen. Selbst wenn ich mich dank neuer Freunde und netter Kollegen im fränkischen Exil unerwartet wohl fühle, freue ich mich auf etwas Zeit "dahoam". Dementsprechend intensiv gestaltet sich das Wochenende, so dass das allmontagliche Verfluchen des Weckers noch hitziger ausfällt als gewöhnlich.

Als ich wenig später das Schulgelände betrete, fühle ich mich heimisch und fremd zugleich. Im Seminarraum treffe ich auf die Referendare des Oberseminars (Referendare, die ein Jahr weiter sind als wir). Auch meine 27 Referendarskollegen - im Einsatz über den Freistaat verstreut - haben die Reise angetreten und die Wiedersehensfreude lindert den Morgenfrust. Wie geht's dir? Wie läuft's mit den Schülern? Stresst dich deine Betreuungslehrerin auch so? Blöd, dass der Terminplan der kommenden zwei Tage voll gepackt ist und für Privatgespräche kaum Zeit bleibt. Es geht direkt los mit den Sitzungen der Fachseminare.

Nichts außer Schule

Die Seminarlehrer referieren über didaktische und methodische Inhalte (diesmal über Lektürearbeit und den Einsatz von Filmen im Fremdsprachenunterricht) und wir Referendare berichten von Erlebnissen oder Problemen unseres Lehrerdaseins.

Eine Kollegin hat derart große zwischenmenschliche Schwierigkeiten mit ihrem Betreuungslehrer, dass sie die Tränen kaum zurück halten kann. Sie fühlt sich nicht für voll genommen und überhaupt nicht unterstützt, dafür durch ständige Einwände und Einschüchterungen in ihrer Arbeit behindert. Eine andere Kollegin klagt über die Tristesse ihres Alltags in der oberpfälzischen Provinz. "Außer Schule gibt es für mich dort einfach nichts!" Ich merke, dass ich Glück im Unglück hatte, denn abgesehen von Kleinigkeiten wie dem "Bunter-Vogel-Zwischenfall" habe ich nichts zu berichten.

Dann lieber - wie schon zu eigenen Schülerzeiten - während des Unterrichts mit dem Banknachbarn spannendere Dinge erörtern. Unser Redefluss versiegt auch nach dem Essen nicht, so dass wir während der allgemeinen Fachsitzungen am Nachmittag in Pädagogik, Psychologie, Staatsbürgerlicher Bildung und Schulrecht munter weiter ratschen.

Lehrer sind miese Zuhörer

Ein spannendes Phänomen: Egal ob Klassenkonferenz oder Fortbildung, wenn sich der Lehrer in der Zuhörerrolle wiederfindet, weigert er sich beharrlich, diese zu akzeptieren. Für gewöhnlich der Herr im Klassenzimmer, kann er sein Mundwerk einfach nicht halten - und diese Beobachtung habe ich bei Kollegen mit jahrzehntelanger Erfahrung in selbem Maße wie bei uns Referendaren gemacht. Da unsere Seminarlehrer aber wissen, wie wichtig der Austausch für uns ist, gehen sie recht geduldig und gelassen mit dem akustischen Sauhaufen um, der vor ihnen sitzt. So können wir noch letzte Details unserer Abendplanung klären. Meinen Schülern hätte ich bei so viel Unruhe längst eine Anrede verpasst, so viel ist klar.

Nachdem wir das Pflichtprogramm hinter uns gebracht haben, treffen wir uns zum gemeinsamen Abendessen, bei dem auch nicht mehr hinter vorgehaltener Hand geplaudert werden muss. Eine weitere Auffälligkeit im Verhalten des Lehrers bei derlei Zusammentreffen: Er spricht die ganze Zeit von Schule, vor allem wenn er unter seinesgleichen weilt. Grauenhaft! Solche Verhältnisse kenne ich sonst nur aus Mediziner- und Veganerkreisen.

Beschwerden über "die Neuen"

Also bringe ich in immer kürzer werdenden Abständen einen Toast aus, denn mit zunehmender bierseeliger Heiterkeit wandeln sich glücklicherweise auch die Gesprächsthemen, so dass bald Reisen und Daten die Klassenarbeiten und Elternsprechtage verdrängt haben. Die Stimmung ist ausgelassen und einige von uns ziehen noch ein wenig um die Häuser. Die arbeitsbedingte Müdigkeit verhindert aber den Exzess, so dass der zweite - mäßig aufregende - Seminartag ohne Kopfschmerzen beginnt.

Zum Glück habe ich später nach den Einzelgesprächen mit den Seminarlehrern noch Zeit, meine ehemaligen Klassen zu besuchen. Irre, wie schnell sich die Jugendlichen in diesem Alter entwickeln. Ein Schüler ist gefühlt 20 Zentimeter gewachsen, ein anderer hat mindestens zehn Kilo abgenommen. Ich erzähle ihnen von meinen Erlebnissen und sie klagen mir ihr Leid über die "neuen" Nachwuchslehrer, die langweiligen Unterricht halten und unfair bewerten würden. Ernst sollte man diese Aussagen aber nicht nehmen, denn Schüler beklagen sich prinzipiell über fast alle Lehrer. Was, offen gestanden, zumindest ein Stück weit auf Gegenseitigkeit beruht.

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