Deutsche-Bank-Chef:"Schwerwiegendes Fehlverhalten"

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  • John Cryan, der neue Chef der Deutschen Bank, schreibt zu seinem Amtsantritt ohne große Beschönigung, wie er das Institut aus der Krise führen will.
  • Er macht deutlich, dass wohl Stellen gestrichen werden und distanzierte sich von seinem Vorgänger Anshu Jain. Auch die Investmentbank soll kleiner werden.

Von Meike Schreiber, Frankfurt

An ihrem ersten Arbeitstag, so will es der gute Ton, wenden sich neue Chefs zuerst an die Mitarbeiter. Sie schreiben einen Brief oder halten eine Rede. Öffentlich sind solche Botschaften in der Regel nicht. Anders bei der Deutschen Bank, die den Antrittsbrief des neuen Vorstandschefs John Cryan am Mittwochmorgen kurzerhand auf ihre Internetseite stellte.

Ist es eine Art Kapitulation, weil gerade bei der jüngsten schmerzhaften Suche nach einer neuen Strategie ohnehin viele Interna unkontrolliert nach draußen drangen? Oder ein Zeichen, dass die größte deutsche Bank mit ihrem neuen Management in eine Ära der Transparenz aufbrechen will? Vielleicht liegt es auch daran, dass nicht nur Mitarbeiter, sondern auch Investoren, Kunden, letztlich die gesamte deutsche Öffentlichkeit wissen wollen, wie Cryan die Bank aus der wohl größten Krise ihrer Geschichte hinausführen will.

Cryan vermeidet das Wort "Kulturwandel"

Die alte Führungsspitze war dazu nicht mehr in der Lage. Auf der Hauptversammlung Ende Mai zerrissen die Aktionäre die "Strategie 2020" der Co-Chefs Anshu Jain und Jürgen Fitschen in der Luft. Anfang Juni entschied der Aufsichtsrat, dass Cryan, der bereits zwei Jahre im Aufsichtsrat der Deutschen Bank tätig war und zuvor als Finanzvorstand des Schweizer Konkurrenten UBS Meriten gesammelt hatte, die Nachfolge von Jain antreten wird. Zunächst wird er das Haus mit Fitschen führen, vom kommenden Mai an dann allein.

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Dass dies kein Spaziergang wird und womöglich weitere Personalentscheidungen im Management anstehen, machte Cryan in seinem Brief an die rund 100 000 Mitarbeiter deutlich. Zwar fand er auch für Vorgänger Jain lobende Worte, den Investoren mitverantwortlich machen für die Strafzahlungen in Milliardenhöhe. Er setzte sich jedoch auch deutlich von ihm ab. So kündigte er an, dass er in nächsten Monaten in dem Institut ordentlich aufräumen wolle, und dabei werde "nicht alles harmonisch und ohne Probleme verlaufen". Wegen des ramponierten Rufes stehe die Bank vor immensen Herausforderungen.

Auch verzichtet Cryan auf den Begriff des Kulturwandels, den Jain und Fitschen wie eine Monstranz vor sich hertrugen, auf jene Narrative also, wonach die Bank die Skandale mithilfe von neuen Regeln und Mitarbeiterseminaren hinter sich lassen wollte. Kühl sezierend spricht er stattdessen von den "jüngsten Bemühungen, höchste Verhaltensstandards innerhalb der Bank zu etablieren", die jedoch in Wirklichkeit alles nur langsamer und umständlicher gemacht hätten. "Wir haben uns zu sehr nach innen ausgerichtet und sind dadurch bürokratischer geworden." Darunter habe das Selbstvertrauen gelitten und der Dialog zur Außenwelt.

"Schwerwiegendes Fehlverhalten", "hohe Strafzahlungen", "langsame Entscheidungsprozesse" - es ist eine Abrechnung mit der Vergangenheit.

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Auch die Investmentbank solle kleiner werden

Mit einer wichtigen Ausnahme: Die Strategie bleibt zunächst bestehen. Zusammen mit Fitschen will Cryan nun alles daran setzen, dass die Bank wieder dorthin zurückkehre, wo sie hingehöre - "ins Herz der deutschen Gesellschaft und ihrer Wirtschaft". Dabei wird er sich im Rahmen der noch von Jain und Fitschen als Befreiungsschlag ausgerufenen "Strategie 2020" bewegen, die er im Aufsichtsrat selbst mit genehmigt hat. Demnach sollen die Postbank verkauft, im restlichen Privatkundengeschäft 200 Filialen geschlossen und das Investmentbanking verschlankt werden.

Wichtige Details zu dieser Strategie wird Cryan nun erst Ende Oktober und damit drei Monate später liefern, als es noch Jain und Fitschen versprochen hatten. Vor allem für die Investoren ist das wichtig, die sich nach wie vor fragen, wo genau gespart wird und ob die neue Strategie wirklich der Befreiungsschlag ist für die Bank. Nach deren Verkündung im April war der Aktienkurs gefallen, erst mit der Ernennung von Cryan hatte er sich wieder etwas erholt.

Viele Investoren dürften noch einmal Geduld mit dem neuen Management aufbringen, so wie Helmut Hipper, Fondsmanager von Union Investment. Die Eckpunkte der neuen Strategie müssten zwar jetzt mit Leben gefüllt werden. "Es ist aber richtig und nötig, dass Cryan sich bis Herbst Zeit nimmt, um die Details der neuen Strategie auszuarbeiten", sagte er.

Wann wird sich die Bank wieder auf das Alltagsgeschäft konzentrieren?

Schon jetzt machte der Brite zumindest klar, dass er das Geschäftsmodell vereinfachen und Kosten senken will. Die nächsten Schritte zur Postbank-Trennung sollten "so schnell und effektiv wie möglich" kommen - bevorzugter Plan ist der Börsengang. Und auch die Investmentbank solle kleiner werden: "Unser Handelsgeschäft mit Wertpapieren und Derivaten kann nicht mehr so bilanzintensiv sein." Kritiker hatten Jain vorgeworfen, die Sparte zu lange verschont zu haben.

Einen Fingerzeig, dass das zuletzt schwächelnde Privatkundengeschäft im Konzern weiter ein starkes Gegengewicht zum Investmentbanking sein wird, gab am Mittwoch aber auch Christian Sewing, der neue Privatkundenvorstand. Um in die Digitalisierung des Geschäfts mit Privatanlegern, Sparern und Häuslebauern zu investieren, nehme die Bank 400 bis 500 Millionen Euro in die Hand, sagte er auf einer Veranstaltung. Außerdem werde die Bank das Filialgeschäft weiterhin auch in Ländern wie Spanien oder Italien betreiben. "Ich will ein ausgeglichenes Portfolio - nach Ländern, nach Produkten, nach Erträgen", sagte Sewing. In Deutschland jedoch würden wie geplant 200 Filialen geschlossen.

Doch wann wird sich die Deutsche Bank wirklich wieder auf das Alltagsgeschäft konzentrieren können? Dass dies noch eine Weile dauern wird, daraus machte Cryan in seinem Brief keinen Hehl. Und womöglich liegt es auch daran, dass er genau weiß, was alles in der Abschlussuntersuchung der deutschen Finanzaufsicht Bafin zur Zinsmanipulationen zu lesen ist.

Anfang Mai wurde dieser der Bank zugestellt, seither kommt dessen Inhalt scheibchenweise heraus - und es drängt sich immer mehr der Eindruck auf, dass der Bafin-Report mit zum Rücktritt von Jain geführt hat. So berichtete die Financial Times am Mittwoch, Jain trage sehr wohl eine Mitverantwortung für einen umstrittenen Millionenbonus, den Christian Bittar, ein Ex-Starhändler der Bank, erhalten habe. Die Bank weist das zurück. Aber: Die Vergangenheit lässt sich nicht einfach wegwischen - und der neue Vorstandschef wird das wissen.

© SZ vom 02.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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