Frankreich:Verhängnisvolles Sandwich

Pünktlich zur Reisezeit hat die französische Regierung ein Gesetz zur Besserung der öffentlichen Moral in Kraft gesetzt. Wer hinter dem Steuer den Lippenstift zückt oder ein Sandwich kaut, zahlt 75 Euro Bußgeld.

Von Joachim Becker

Das Auto ist eine Bühne. Was spielt sich in den gläsernen Guckkästen nicht alles ab: Menschen streiten und küssen sich, sie tanzen zu wummernden Bass-Beats, rasieren ihr unausgeschlafenes Gesicht oder überschminken die Spuren einer durchfeierten Nacht. Gerade weil wir so viel Zeit in unseren Überrollkäfigen verbringen, tun wir beinahe alles, was wir zu Hause auch tun würden. Ja, manche(r) scheint den Auftritt vor dem ampelblockierten Publikum sogar sichtlich zu genießen.

Dieses Panoptikum des Allzumenschlichen ist den Mächtigen ein Dorn im Auge. Pünktlich zur Reisezeit hat die französische Regierung ein Gesetz zur Besserung der öffentlichen Moral in Kraft gesetzt. Seit dem 1. Juli ist es bei Strafe verboten, in seinem Auto so laut Musik zu hören, dass man das Martinshorn überhört. Stattliche 1500 Euro Strafe kostet auch das Blicken auf einen Bildschirm, der nicht dem Zwecke der Fahrerassistenz dient. Klar, das Streicheln von Smartphone oder Tablet lenkt von der Fahraufgabe ab. Das Telefon am Ohr kostet den Lenker dagegen nur 135 Euro. Anscheinend ist das Fremdgucken zehnmal bedrohlicher für den Verkehr als das Fremdhören. Dieser Logik folgend haben auch die Waffen einer Frau erhebliches Gefährdungspotenzial. Wer hinter dem Steuer den Lippenstift zückt, zahlt 75 Euro, wenn sie erwischt wird. Selbst im Stau sollte man sich das abschminken, warnt die neue Verordnung mit aller Deutlichkeit.

Mit stummer Einsicht beugen wir uns diesen Sicherheitsvorschriften - wenigsten bis zur Langeweile im nächsten Stau. Besonders schwierig wird es bei Fragen der Nahrungsaufnahme. Einhändiges Fahren und Mampfen hinter dem Steuer kostet 75 Euro. Dabei ist ausdrücklich nur von Sandwiches die Rede und nicht von Brötchen, Stullen, Obst oder Müsli. Vielleicht ist der jeweilige Preis dieser Untaten ja mit dem kontrollierenden Ordnungshüter und dessen kulinarischen Vorlieben verhandelbar. Bleibt die Frage, ob sich die kleinen Krümelmonster auf der Rückbank strafbar machen. Hier müssten Zucht und Ordnung doch vor allem einsetzen, um die kommende Generation zu bessern und moralisch zu festigen. Im nächsten Frankreichurlaub müssen wir das bei der Obrigkeit unbedingt nachfragen.

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