"Anne Will" zu Griechenland:Allein unter Selbstdarstellern

"Ochi" oder "Nai"? Bei Anne Will debattieren griechische und deutsche Politiker über den Weg aus der Schuldenkrise und bedienen dabei jede Menge Klischees. Besonnen bleibt nur ein Luxemburger.

Von Katharina Brunner

Die Griechen müssen ran: Am vergangenen Wochenende hat Ministerpräsident Alexis Tsipras für den 5. Juli eine Volksbefragung angekündigt. Griechenland steht dann vor der Wahl: Nai (Ja) oder Ochi (Nein) - für oder gegen Vorschläge der Kreditgeber. Die griechische Regierung trommelt für ein Nein.

Dazu hatte Anne Will zur Diskussion geladen. Das Thema: "Tsipras lässt das Volk abstimmen - Provokation oder Chance für Europa?"

Die Gäste

  • Sahra Wagenknecht: Frontfrau der Linken und routinierte Talkshow-Teilnehmerin. Unterstützerin der Syriza-Regierung.
  • Volker Kauder: Fraktionschef der Union. Kritiker von Tsipras und dessen Verhandlungsstil.
  • Giorgos Chondros: Parteimitglied von Syriza. Bereits zum zweiten Mal in Folge als Gast bei Anne Will.
  • Pierre Gramegna: Finanzminister aus Luxemburg, Landsmann von Jean-Claude Juncker, einer der zentralen Figuren in den Verhandlungen. ​

Die Meinungen zum Referendum

Erwartungsgemäß hält Chondros, der Syriza-Mann, das Referendum für richtig und verteidigt Tsipras' Entscheidung: "Griechenland ist das schwächste Glied. Die einzige Stärke, die es hat, ist die Solidarität der Menschen."

Auch die Linken-Politikerin Wagenknecht hält die Abstimmung für eine gute Idee: Es spreche für die Regierung, zu dieser Maßnahme zu greifen. "Wenn ein Referendum ein Fehler ist, dann frage ich mich, wohin wir uns in diesem Europa bewegen", sagte Wagenknecht.

Nicht so der CDU-Mann Kauder. Ihm ist besonders unverständlich, dass Tsipras kurz nach der Ankündigung eines Referendums sagte, schon wenig später wieder verhandeln zu wollen: "So was ist irr'", sagte Kauder. Seine Wahlempfehlung an die Griechen sprach er nur indirekt aus: "Je nachdem, wie sie entscheiden, wird es leichter - oder noch sehr viel schwerer."

Luxemburgs Finanzminister Pierre Gramegna interpretiert die beiden möglichen Ergebnisse der Abstimmung so: Ein Ja bedeute ein Mandat, weiterzuverhandeln. "Ein Nein heißt: Wir sind enttäuscht über all das, was geschehen ist." Was dann passiere, sei aber nicht klar: "Das ist eine Grauzone." Bemerkungen zu EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker ließ Gramegna sich nicht entlocken. Nur wenn er über den Juncker-Plan sprach, ein Investitionsprogramm über 35 Milliarden Euro für alle Länder, nahm er den Namen in den Mund.

Und sonst?

Die Sendung erfüllte jede Menge Klischees über Talkshows: Mit Kauder und Wagenknecht waren zwei Politiker im Studio, die gerne und viel reden - und das am liebsten gleichzeitig. Als Dauergäste in diversen Talkshows sind ihre Scharmützel eingeübt: "Sie machen eine falsche Propaganda. Das stimmt hinten und vorne nicht", sagte Kauder zu Wagenknecht. Wagenknecht zu Kauder: "Herr Kauder, stellen Sie sich doch nicht dümmer als Sie sind." Auch Chondros, Neuling in der Talk-Szene, hat schnell gelernt und holt für konkrete Fragen gern sehr weit aus.

Nur der Luxemburger Gramegna mochte nicht so mitspielen. Ruhig und besonnen antwortete er, führte keine Monologe, fiel nicht einmal jemandem ins Wort. Und sogar die Fragen beantwortete er einigermaßen präzise. Mehr als 20 Jahre als Diplomat lassen sich auch nach 18 Monaten als Minister nicht so leicht abstreifen.

Die vier Gäste schnitten so gut wie alle Themenbereiche der Schuldenkrise an: die Folgen des Schuldenschnitts, die bisherigen Programme, die Rollen von EZB und IWF, Investitionsgelder aus EU-Töpfen, die Schulden und die Schuld. Immerhin in einem waren sie sich einig: Griechenland braucht Wachstum. Aber wie erreichen?

So wie es aussehe, meinte Kauder, "sind wir in einem Jahr wieder hier." Chondros von Syriza glaubt, dass es nicht so lang dauert: "Wenn es so weitergeht, sitzen wir in fünf Monaten wieder hier." Wer bietet weniger?

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: