Ghosting als Trennungs-Methode:Wenn der Partner einfach verschwindet

Ghosting als Trennungs-Methode: Und plötzlich meldet er sich nicht mehr.

Und plötzlich meldet er sich nicht mehr.

(Foto: Illustration: Jessy Asmus / SZ.de)

Ghosting ist eine der miesesten Arten, Schluss zu machen. Doch es gibt nicht nur Opfer und Täter - die Ursache wurzelt meist in der Beziehung.

Von Violetta Simon

Hop oder Top, wisch und weg. In Zeiten von Tinder und Speed-Dating ist schnell geklärt, ob man zusammenpasst oder nicht - und ob dem ersten Date ein zweites folgt. Doch nicht jeder hat den Mut, dem anderen nach den ersten romantischen Annäherungen ehrlich zu sagen, dass leider nichts daraus wird. Manche ziehen es vor, sich davonzustehlen und hinter einer Mauer aus Schweigen zu verharren. Diese Methode hat jetzt einen Namen: "Ghosting". Weil der Verlassene sich fühlt, als hätte er nur ein Gespenst gesehen, das sich in Luft aufgelöst hat.

Nun ist es eine Sache, den Kontakt nach den ersten Dates abzubrechen, wenn man das Interesse verloren hat. Doch was, wenn sich jemand erst nach Jahren aus dem Staub macht? Wenn der Partner einfach so tut, als hätte die Beziehung nie existiert?

Jüngstes Beispiel: Charlize Theron und Sean Penn. Anhand ihrer Geschichte erklärte die New York Times kürzlich das Phänomen Ghosting. Die Hollywood-Stars waren knapp 20 Jahre befreundet, bevor sie ein Paar wurden - für gerade einmal 18 Monate. Dann muss Penn einen wirklich schweren Fehler begangen haben, denn Theron brach plötzlich den Kontakt ab. Als sei die Lovestory "Sean und Charlize" nur eine Episode in einem Hollywood-Streifen und der Mann an ihrer Seite ein Unbekannter. Die 39-jährige Schauspielerin habe während der Filmfestspiele in Cannes von einem Tag auf den anderen aufgehört, mit dem 54-Jährigen zu kommunizieren, berichten diverse Promi-Portale. Charlize habe weder auf seine Anrufe noch auf Nachrichten reagiert, hieß es. Dabei hatte nichts auf eine Trennung hingewiesen: Noch kurz zuvor sei das Paar in einem Hotel in Südfrankreich gesichtet worden und habe überaus glücklich gewirkt.

Eine große Verletzung

In "50 ways to leave your lover" besingt Paul Simon 50 Methoden, sich von einem geliebten Menschen zu trennen. Ghosting ist zweifellos eine der erbärmlichsten - kein klärendes Gespräch, kein Anruf, kein Abschiedsbrief: Nicht einmal die Trennung per SMS oder Whatsapp kann da mithalten. Immerhin wird der Verlassene da noch informiert, dass er von jetzt an Single ist. Beim Ghosting indes ahnt er zunächst nichts. Erst allmählich dürfte ihm schwanen, dass etwas nicht stimmt.

Ghosting ist nicht nur verletzend. Es hinterlässt den Partner ratlos und wütend, sagt Paartherapeut David Wilchfort. "Wird jemand plötzlich verlassen, obwohl er selbst keinerlei Gedanken in diese Richtung hat, wird er sich als Erstes fragen "Wie konnte das passieren, was habe ich übersehen?" Dann käme die Wut: "Wie konnte er mir das nur antun? Kann er mir nicht wenigstens schreiben oder anrufen?" Doch der Zorn sei nur für Außenstehende wahrnehmbar und verdecke etwas viel Stärkeres: ein verletztes Selbstwertgefühl.

"Stellen Sie sich vor, jemand fordert Sie zum Tanz auf", erklärt Wilchfort. "Schon nach dem ersten Tanz verschwindet er auf der Toilette - und setzt sich nach der Rückkehr auf seinen Platz. Da fühlen Sie sich doch sofort total verunsichert und fragen sich: Bin ich nicht gut genug?"

Während der Betroffene sich den Kopf zermartert, was er falsch gemacht hat, stellen sich Außenstehende vor allem eine Frage: Was muss ein Mensch verbrochen haben, dass er eine derart miese Behandlung verdient? Dem Ok-Magazin zufolge soll Sean Penn seine Lebensgefährtin mit seiner intensiven Freundschaft zu Schauspielerin Minka Kelly vor den Kopf gestoßen haben. Ist er am Ende also selbst schuld an seinem Elend?

Unfähig zur Auseinandersetzung

Psychotherapeut Wilchfort sieht die Ursache für Ghosting nicht in der Schwere des Vergehens. "Es liegt in der Persönlichkeitsstruktur dessen, der sich verdünnisiert - und seiner Unfähigkeit, sich mit dem Partner auseinanderzusetzen", sagt Wilchfort. "Wenn man sich erst einmal drei Tage nicht gemeldet hat, fällt der vierte leichter. Und es wird immer einfacher, sich nicht zu melden und den Gedanken an den anderen wegzuschieben."

Ghosting ist seiner Ansicht nach auch kein Phänomen, das für sich steht. Sondern die Steigerung von etwas, das bereits in der Beziehung zwischen den Partnern existiert hat: das alltägliche Vermeiden von Interessenskonflikten. "Manche Paare geraten in Streit und sprechen tagelang nicht miteinander", erklärt Wilchfort. "Dann müssen sie gemeinsam zu einer Einladung erscheinen - und klären nie wieder, was damals der eigentliche Auslöser für den Konflikt war."

Beim Ghosting pasiert also dasselbe wie in der aktiven Phase der Partnerschaft. "Nur, dass irgendwann der Punkt erreicht ist, wo die Klärung endgültig nicht mehr möglich erscheint", sagt der Paartherapeut. Dabei sei die Entscheidung, sich davonzuschleichen, nicht neu. "Früher hieß es halt: Ich geh' mal eben Zigarettenholen."

"Feige, distanziert und grausam"

Wie viele Menschen bereits Opfer einer solch abrupten Trennung wurden, zeigen die Reaktionen auf den Artikel der New York Times, wo hunderte Leser ihre eigenen Erfahrung zum Thema beschreiben. In den meisten Kommentaren erzählen Betroffene, wie es ihnen ergangen ist. Andere wiederum versuchen zu erklären, warum sie sich selbst dazu veranlasst sahen.

So schreibt zum Beispiel ein gewisser Shlen aus Victoria BC, auch er habe sich in seiner Jugend ein paar Mal so verhalten, "doch jetzt erschaudere ich, wenn ich daran denke, wie wenig Mitgefühl ich damals den Frauen gegenüber gezeigt habe, die sich fragten, was mit mir passiert war oder was der Grund für mein Schweigen war." Inzwischen habe er selbst erfahren, wie sich das anfühlt: "Entsetzlich". Es sei kaum zu glauben, dass ein emotional reifer Erwachsener sich derart feige, emotional distanziert und offen grausam verhalte.

Sich im Nachhinein in Rachegedanken zu suhlen oder den Übeltäter zu verfolgen und zur Rede zu stellen, hält Paartherapeut Wilchfort für keine Lösung. "Hilfreicher ist es, von Anfang an über gegenseitige Erwartungen zu sprechen und sich offen für die Bedürfnisse des anderen zu zeigen", sagt der Psychologe. "Je mehr der Ghost spürt, dass seine Entscheidungen akzeptiert werden, desto eher wird er diese seinem Partner auch mitteilen."

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