Griechenland:Gericht lehnt Beschwerde gegen Referendum ab

  • Das Referendum findet wie geplant statt. Das entschied das Oberste Verwaltungsgericht.
  • Der Euro-Rettungsfonds EFSF zeigt sich wegen des griechischen Zahlungsversäumnisses verstimmt.
  • In Umfragen zum Referendum deutet sich ein enges Rennen von Befürwortern von "Ja" und "Nein" an. Die große Mehrheit will allerdings den Euro behalten.
  • Die Abstimmung in Griechenland über die Gläubiger-Vorschläge am Sonntag könnte noch von einem Gericht für unrechtmäßig befunden werden.
  • Griechenlands Premier Tsipras wirbt für ein "Nein" zu den Vorschlägen - EU-Politiker warnen vor "unglaublich schwierigen" Folgen.

Gericht lehnt Klage ab

Keine kurzfristige Absage: Das Referendum in Griechenland über den künftigen Kurs in der Schuldenkrise kann wie geplant am Sonntag stattfinden. Das Oberste Verwaltungsgericht wies am Freitagabend eine Klage gegen die Volksabstimmung zurück. "Das Referendum findet statt", sagte Richter Nikolaos Sakellariou.

Die Kläger hatten den knappen Zeitraum zur Vorbereitung und eine unklare und zu komplexe Fragestellung moniert. In dem Referendum sollen die Griechen darüber befinden, ob sie mit den Spar- und Reformforderungen der internationalen Gläubiger für ihr von der Pleite bedrohtes Land einverstanden sind oder nicht. Die linke Regierung wirbt für ein "Nein".

Athens größter Kreditgeber verärgert

Athen hat die meisten seiner Notkredite über den Euro-Rettungsschirm EFSF bekommen. Die Euro-Länder bürgen für die Kredite. Da Griechenland am Dienstag eine Rückzahlung an den Internationalen Währungsfonds (IWF) nicht geleistet hat, äußerte sich der EFSF nun verärgert. Fonds-Direktor Klaus Regling sagte: "Dieser Zahlungsausfall ist Grund zu höchster Besorgnis. Damit bricht die griechische Regierung ihre Zusage, ihre finanziellen Verpflichtungen gegenüber allen Gläubigern zu erfüllen. Das öffnet auch die Tür für schwerwiegende Konsequenzen für die griechische Wirtschaft und das griechische Volk."

Der EFSF behält sich vor, Athen jederzeit in die Pleite zu schicken. Der Fonds kann nun entscheiden, seine Kredite an Griechenland sofort fällig zu stellen. Athen müsste dann rund 140 Milliarden Euro zurückzahlen. Dieser Forderung könnte die Regierung nicht nachkommen, das Land wäre insolvent.

Athener Professoren plädieren für "Ja" bei Referendum

Zahlreiche Professoren der Universität Athen haben sich dafür ausgesprochen, bei dem Referendum am Sonntag in Griechenland mit "Ja" zu stimmen. In den vergangenen Jahren sei das griechische Volk gezwungen gewesen, gravierende Opfer zu bringen, heißt es in einer Stellungnahme der unterzeichnenden Professoren (hier als PDF auf griechisch und auf deutsch). Verantwortlich machen sie dafür das politische System des Landes. Den Professoren zufolge wurden die Lasten der Krise in ungerechter Weise vor allem den Schwächsten aufgebürdet. "Für diese Verteilung tragen selbstverständlich auch unsere Partner in der EU und unsere übrigen Gläubiger eine bedeutende Verantwortung", heißt es weiter in der Mitteilung.

Trotzdem sehen die Akademiker die Zukunft Griechenlands in EU und Euro-Zone. Dies sei der einzige Weg für das Land. "Griechenland kann in Stolz und Würde nur existieren, solange es innerhalb der europäischen Familie kämpft." Bei einem Zusammenbruch des Landes und einer folgenden ungeordneten Insolvenz sehen sie die schwächsten Schichten und die von der EU gewährleisteten Grundfreiheiten in Gefahr. Die Professoren bangen auch um das EU-Austauschprogramm "Erasmus". "Vor allem wird das seit Jahrzehnten standhaft bestehende Band durchtrennt, das uns mit der in wirtschaftlicher, geistiger und kultureller Hinsicht am meisten entwickelten Staatengemeinschaft der Welt verbindet."

Kopf-an-Kopf-Rennen in Umfragen

Fast drei Viertel der Teilnehmer einer Umfrage wollen, dass Griechenland im Euro bleibt. Das ergab eine Befragung der Zeitung Ethnos. 74 Prozent der Umfrageteilnehmer sprachen sich demnach für einen Verbleib ihres Landes in der Euro-Zone aus. Der Umfrage zufolge dürfte das für Sonntag geplante Referendum sehr knapp ausgehen. 44,8 Prozent der Teilnehmer kündigten an, mit Ja stimmen zu wollen. Ein Votum gegen die Sparauflagen planen 43,4 Prozent. 11,8 Prozent haben sich demnach noch nicht entschieden.

Einer anderen Umfrage zufolge wollen 47,1 Prozent der Befragten "Ja" sagen. 43,2 Prozent wären gegen die unlängst von den internationalen Gläubigern des Landes geforderten Reformschritt. Das ergab die Befragung von 1000 Griechen im Auftrag der Zeitung Eleftheros Typos.

Der Text des Referendums

Worüber sollen die Griechen in einem Volksentscheid am 5. Juli abstimmen? Auf dem Wahlzettel für die von der griechischen Regierung geplante Volksabstimmung wird ohne weitere Erläuterung auf das Angebot der Geldgeber nach dem Stand von voriger Woche verwiesen, worüber keine Einigung erzielt wurde. Hier der Text, veröffentlicht vom griechischen Innenministerium, der ins Deutsche übersetzt wurde:

  • "Muss der Entwurf einer Vereinbarung von Europäischer Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds akzeptiert werden, welcher am 25.06.2015 eingereicht wurde und aus zwei Teilen besteht, die in einem einzigen Vorschlag zusammengefasst sind?" (Das erste Dokument heißt auf Englisch "Reforms for the Completion of the Current Program and Beyond" und das zweite "Preliminary Debt Sustainability Analysis" - auf Deutsch: "Reformen, um das laufende (Rettungs-)Programm abzuschließen und darüber hinaus" und das zweite "vorläufige Schuldentragfähigkeitsanalyse".)
  • Nicht angenommen / Nein
  • Angenommen / Ja

Oberstes Gericht entscheidet über Referendum

Das Oberste Verwaltungsgericht in Griechenland, der Staatsrat, berät an diesem Freitag über die Rechtmäßigkeit des von der Regierung angesetzten Referendums über die Gläubiger-Forderungen. Gegen die für Sonntag geplante Befragung haben zwei Privatpersonen Einspruch eingelegt, wie aus Athener Justizkreisen verlautete. Die Antragsteller fordern demnach die Annullierung des Referendums.

Sie argumentieren, dass die Abhaltung gegen die Verfassung verstößt, weil nicht über Fragen der "öffentlichen Finanzen" abgestimmt werden dürfe. Zudem sei die Fragestellung zu kompliziert und "technisch". Der Staatsrat wird sich zudem mit einer am Donnerstag abgegebenen Stellungnahme von zwölf Anwälten befassen, die das Referendum unterstützen, weil es um die "nationale Souveränität" gehe. Der Staatsrat will seine Entscheidung am Abend fällen.

Tsipras wirbt für Nein-Votum

Griechenlands Regierungschef Alexis Tsipras verspricht sich von einer Ablehnung seiner Landsleute gegen die Bedingungen der Gläubiger für weitere Kredite eine starke Verhandlungsposition. "Je größer das Nein-Votum, desto besser wird die Vereinbarung, die wir erzielen", versprach Tsipras am Donnerstag im Fernsehsender Antenna TV. Sollten dagegen die Befürworter gewinnen, werde dies zusätzliche Bürden auf die Schultern des Landes legen und für weitere Probleme bei der Rückkehr zum Wirtschaftswachstum sorgen, so Tsipras.

Tsipras sagte, er wolle nach wie vor, dass sein Land in der Euro-Zone bleibe, dies jedoch mit einer nachhaltigen Einigung über ein Rettungsprogramm. Euro-Gruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem sagte jedoch, sollten die Griechen gegen die Auflagen der Gläubiger stimmen, werde ein neues Rettungspaket unglaublich schwierig umzusetzen sein. Er widersprach der Erwartung, dass ein solches Votum die Athener Verhandlungsposition stärken werde.

Der Schuldenstreit

Zentraler Punkt des Schuldenstreits zwischen Griechenland und seinen Gläubigern - dem Internationalen Währungsfonds (IWF), der EU-Kommission und der Europäischen Zentralbank (EZB) - ist, welche Reformen das fast bankrotte Griechenland im Gegenzug für frische Kredite umsetzen muss.

Weil Tsipras die Reformvorstellungen der Gläubiger nicht akzeptieren wollte, brach er die Verhandlungen am Wochenende ab und rief die Volksabstimmung aus. Ein Hilfsprogramm mit 7,2 Milliarden Euro ließ er verfallen, eine Kreditrückzahlung an den IWF blieb Griechenland schuldig.

Lesen Sie hier die Entwicklungen von Donnerstag

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