SZ-Werkstatt:Alles geht nicht

Sommer, Sonne und Musik: Die Jahreszeit der Festivals hat begonnen. Reinhard Brembeck beschreibt, wie es ihm da so geht.

Von Reinhard Brembeck

Im Juli und August möchte man in München immer am liebsten nur im Biergarten sitzen und James Joyce lesen oder in der Sonne an der Isar vom iPod Beethovens letzte Streichquartette hören. Aber einen Konzertsaal oder ein Opernhaus aufsuchen? Da müssen sich Künstler schon ganz besonders anstrengen, um nach Saisonende noch ihre Anhänger zum Kommen zu motivieren. Deshalb wurden auch Musikfestspiele erfunden, die derzeit voll im Gange sind, in München wie in Aix, bald auch in Salzburg und Bayreuth, in Innsbruck, Pesaro, Verona, Utrecht . . . - eine halbwegs erschöpfende Liste würde spielend diese ganze Seite füllen. Also sind auch die Musikjournalisten im Juli und August im Dauereinsatz, sie könnten jeden Abend zig Konzerte und Opern hören und sind letztlich ganz froh, dass die Ubiquität bisher nur ein philosophisches Spezialproblem ist.

Allerdings gibt es natürlich irgendwo immer eine Oper, ein Konzert, eine Sängerin oder einen Pianisten, der alles und jeden in den Schatten stellt; dumm, wenn man diese Ereignisse in den Planungen unberücksichtigt gelassen hat und nicht dabei war. Aber klassische Musik und Journalismus sind sowieso eine einzige Geschichte des Verzichts, gibt es doch allein im deutschsprachigen Raum pro Saison fast 2000 Opernpremieren, Konzerte gar nicht gerechnet. Man versäumt also immer etwas.

SZ-Werkstatt: undefined

Aber das ist auch gar nicht so entscheidend. Schließlich erzählt die schlichteste Aufführung eines Musikstücks alles über die Kunst der klassischen Musik, die sich im Raum ereignet, von lebenden Menschen für lebende Menschen musiziert, und dann nur noch Erinnerung ist. Und bis heute ist es noch niemandem gelungen, die Rätsel und Geheimnisse zu entschlüsseln, die dieses Tun umgibt. Weshalb die Klassik allen Unkenrufen zum Trotz noch immer lebt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: