Beachvolleyball-WM:Keine Medaille und doch gewonnen

03 07 2015 Den Haag Hofvijver Stadion World Championships Weltmeisterschaft 2015 Halbfinale Blo; Beachvolleyball

Durchbrechen die Phalanx der Brasilianer: Ilka Semmler (blockt) und Katrin Holtwick beenden die WM als bestes europäisches Team.

(Foto: imago)

Katrin Holtwick und Ilka Semmler verlieren das Spiel um Platz 3, holen sich aber den Respekt zurück.

Von Felix Meininghaus, Den Haag

WM-Halbfinale Deutschland gegen Brasilien, da war doch was: Richtig, ziemlich genau ein Jahr ist es her, dass die Mannschaft von Bundestrainer Joachim Löw die Mannschaft des Gastgebers beim historischen 7:1 in alle Einzelteile zerlegte. Daran hätte man doch schön anknüpfen können, doch Geschichte lässt sich nun mal nicht beliebig reproduzieren. Im Gegenteil, bei der Beachvolleyball-Weltmeisterschaften in den Niederlanden waren es die Deutschen, die ihr Debakel erlebten. Katrin Holtwick und Ilka Semmler waren gegen die Brasilianerinnen Taiana Lima und Fernanda Alves chancenlos. 0:2 (12:21, 15:21) auf dem Center Court in Den Haag. Allein die Zahlen veranschaulichen, wie eindeutig die Kräfteverhältnisse verteilt waren. Was blieb, war das frustrierende Erlebnis möglichst rasch abzuhaken und auf die nächste Aufgabe zu schauen. Schließlich gab es ja noch das kleine Finale und damit die Möglichkeit, eine tolle WM mit dem Gewinn der Bronzemedaille zu veredeln.

Gegner waren Juliana Felisberta da Silva und Maria Antonelli, erneut zwei Brasilianerinnen, denen die Deutschen nach holprigem Beginn einen tollen Fight lieferten. Am Ende reichte es nicht, Holtwick/Semmler verloren mit 1:2 (25:23, 18:21, 9:15) und stehen nach einem starken Turnier ohne Medaille da. Mit leeren Händen kehrt das Duo allerdings nicht nach Berlin zurück. Platz vier wurde mit 28.000 Dollar und mit 700 Punkten in der Weltrangliste versüßt, die sich im Kampf um die Olympia-Qualifikation noch als äußerst wertvoll erweisen könnten.

"Am Ende ist uns das Spiel entglitten"

"Diese Niederlage schmerzt", sagte Ilka Semmler, "weil das Gefühl da war, es packen zu können. Am Ende ist uns das Spiel entglitten." Das Gefühl, trotz der beiden Niederlagen zum Abschluss viel erreicht zu haben, werde sich "vielleicht heute Abend, vielleicht morgen früh" einstellen, ergänzte Partnerin Katrin Holtwick. Im Moment fühlte sie nichts als Schmerz, die Abwehrspielerin konnte ihre Gedanken nicht zuende führen, weil sie von Trauer und Tränen überwältigt wurde.

Katrin Holtwick (31) und Ilka Semmler (29) können die Tage von Holland für sich trotzdem als enormen Gewinn verbuchen. "Wir haben gezeigt, was wir können, darauf können wir stolz sein", sagt Ilka Semmler. Schließlich gelang es den zweifachen deutschen Meistern als einzigem Team, in die Phalanx der dominierenden Brasilianerinnen einzubrechen. Agatha Bednarczuk/Barbara Seixas de Freitas gewannen das Finale gegen Taiana Lima/Fernanda Alves 2:0 (21:18, 22:20). Holtwick/Semmler beendeten die WM als bestes europäisches Team. Und - was sehr viel schwerer wiegt - als bestes Duo aus Deutschland.

Holtwick/Semmler hatten die wenigsten auf der Rechnung

Gleich vier ambitionierte Frauenteams hatte der Deutsche Volleyball-Verband (DVV) in den Niederlanden ins Titelrennen geschickt. Doch während drei frühzeitig auf der Strecke blieben und sich auf dem geteilten Rang 17 trafen, marschierte ausgerechnet das Nationalduo bis ins Halbfinale, das die wenigsten auf der Rechnung hatten.

Katrin Holtwick und Ilka Semmler, die für den Seaside Beach Club Essen starten, aber seit Jahren in Berlin leben, haben schwierige Zeiten hinter sich. Die Saison lief zwar bis dato nicht schlecht, doch es fehlten bemerkenswerte Resultate. Ausgerechnet in einer Phase, in der das Rennen um die Qualifikation für die Olympischen Spiele in Rio de Janeiro begann, stagnierte das Team. Von den vier deutschen Frauenteams, die angetreten sind, sich eines der begehrten Tickets zu sichern, werden zwei auf der Strecke bleiben. Es ist ein langer und erbarmungsloser Ausscheidungskampf.

"Wir sind immer wieder zurückgekommen"

Holtwick/Semmler sahen sich mit der für sie gewöhnungsbedürftigen Situation konfrontiert, dass die Konkurrenz zumindest für den Moment vorbeigezogen war. In den kommenden Wochen müssen die Vize-Europameister von 2010 auf der Tour des Weltverbandes FIVB in die Qualifikation. Eine zusätzliche Belastung, die ungewohnt ist, Kraft kosten und an den Nerven zehrt. "Im ersten Moment war das ein Schlag in den Nacken", berichtet Trainer Thilo Backhaus. Gefragt war Teampsychologe Moritz Anderten, der die Lage mit den Athletinnen in intensiven Gesprächen erörterte. Er appellierte, "die Dinge zu rationalisieren und Geduld zu haben". Schließlich könne das Team auf einen profunden Erfahrungsschatz zurückgreifen, der nicht zu unterschätzen sei. Seit zehn Jahren machen Katrin Holtwick und Ilka Semmler an den Stränden der Welt gemeinsame Sache und haben in dieser Zeit viele Höhen aber auch manche Tiefen erlebt. "Man hat schon so viel über uns geschrieben", sagt Katrin Holtwick, "aber wir sind immer wieder zurückgekommen." Bis nächsten Sommer soll die Reise noch dauern, als krönender Abschluss ist Rio geplant. Die Chancen, dorthin zu kommen, haben sich durch das Abschneiden bei der WM signifikant verbessert.

Das ist eine gute Perspektive, doch nach all den Jahren hat Ilka Semmler erkannt, dass der Beruf am Strand an die Substanz geht: "Wenn du so viel unterwegs bist wie wir, hast du keine Chance, einen normalen Alltag zu leben." Die Zeiten des Müßiggangs in den heimischen Wänden werden als kostbare Rarität genossen: "Wir leben so viele Monate im Jahr aus dem Koffer, da nimmst du jeden Augenblick daheim ganz bewusst in dich auf", sagt Ilka Semmler. Es klingt durchaus nachdenklich, wenn sie über die Tücken eines Berufs spricht, der allenthalben als Traumjob wahrgenommen wird.

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