Vorschlag-Hammer:Sommerwunsch

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Kaum ist es heiß, macht irgendwo einer ein Festival. Beispielsweise ist die Hitze im Spiegelsaal zu Herrenchiemsee legendär, die in Bayreuth ohnehin Kult, und weil jetzt endlich richtig Sommer ist, macht das Residenztheater den "Marstallplan"

Von Egbert Tholl

Zugegeben: Der erste Teil dieser Kolumne ist für die meisten Menschen nutzlos, weil er sich auf etwas bezieht, was schon vorbei ist. Doch ich schrieb schon einmal an dieser Stelle, dass man diesen Platz auch dafür nutzen kann, alles, was man einst vergaß oder was einem gerade einfällt oder wofür es in dieser Zeitung an anderer, vielleicht dafür im Grunde geeigneterer Stelle, nicht den nötigen Spielraum gab, endlich loszuwerden. Deshalb also ein Nachtrag zu den Wiener Festwochen. Dort sah ich, weil bei Castorfs "Karamasow"-Marathon reihenweise die Schauspieler kaputt gingen, deshalb nach der Premiere alle Vorstellungen ausfielen und ich anderweitigen kulturellen Zuspruch suchte, eine "Möwe".

Die "Möwe" stammte aus Kroatien, aus Zagreb, und sie war wunderbar. Die Aufführung brauchte eine Stunde und 20 Minuten, es gab auch nur die Akte eins und drei, mehr oder weniger, was aber für das Ansinnen völlig ausrechte. Dieses lag darin, die "Theater auf dem Theater"-Situation, also die von Tschechow ins Stück hineingeschriebene Aufführung von Kostjas dräuendem Theatertraum, in die Aufführungssituation hinein fortzusetzen. Das Ganze begann also als Theaterprobe, mit jedoch sehr schnell konsistenten Charakteren, pendelte im weiteren Verlauf zwischen Herstellung und Behauptung, stets makellos diaphan, bis man dann für grandiose, lange Augenblicke mit Wucht bei den Tschechow-Figuren und deren Nöten landete, als wären deren Sorgen die eigenen. Diese Unmittelbarkeit ersehnen so viele Regisseure, sie stellen die aberwitzigsten Dinge an, um sie zu erreichen; selten gelingt es und fast nie so leicht, klug und elegant wie bei diesen tollen Schauspielern des Regisseurs Bobo Jelčić. Und nun der Grund für die Aufnahme in die Kolumne: Vielleicht findet sich ja in München ein Theater oder ein Festival, das die "Möwe" hierher holt. Das wäre wunderbar.

Derweil kann man konstatieren, dass die Saison so langsam zu Ende geht, was keine grandiose Weisheit ist, sondern eine aus Hitze und Gedächtnisschwund entstehende Erkenntnis. Ein Aspekt am kulturellen Leben, den ich nie verstehen werde, ist ja, dass kaum ist es heiß, macht irgendwo einer ein Festival. Beispielsweise ist die Hitze im Spiegelsaal zu Herrenchiemsee legendär, die in Bayreuth ohnehin Kult, und weil jetzt endlich richtig Sommer ist, macht das Residenztheater den "Marstallplan". Dessen fünf Inszenierungen am Samstag und Sonntag subsumiert das Haus unter dem Motto "Luxus braucht Sklaverei". Ohne dass er dies wusste, trug dazu eben ein Kollege eine dazu passende Erzählung selbst erlebter Ereignisse bei. Er lag in der Karibik im Hotel-Pool, es war heiß, ein dunkelhäutiger Bedienter kam und besprühte ihm das Haupt zwecks Abkühlung mit Evian. Darauf hin verließ der Kollege den Pool, ging ins nächste Dorf und kaufte Dosenfleisch, weil er fürderhin aus Scham nicht mehr im Hotel speisen wollte.

Ansonsten: Take it Ouzo.

© SZ vom 04.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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