Wimbledon:Mama Maria brilliert auf Court elf

Wimbledon Championships

Überraschend stark in Wimbledon: Tatjana Maria

(Foto: dpa)
  • Die Deutsche Tatjana Maria spielt erst richtig gut, seit sie vor eineinhalb Jahren Mutter geworden ist - auch in Wimbledon.
  • Beim Babysitten helfen schon mal die Williams-Schwestern aus.
  • Hier geht es zu den Ergebnissen aus Wimbledon.

Von Lisa Sonnabend, London

Den deutschen Tennisspielern bot sich am Donnerstag in Wimbledon eine große Bühne: 15 000 Zuschauer sahen zu, wie erst Sabine Lisicki und danach Dustin Brown auf dem Centre Court in die dritte Runde einzogen. Brown, der Rastamann, der überraschend Rafael Nadal schlug, bekam am Ende sogar Standing Ovations.

Ein paar Meter entfernt feierte dagegen fast unbemerkt eine weitere deutsche Spielerin ihren Erfolg: Tatjana Maria erreichte erstmals in ihrer Karriere die dritte Runde bei einem Grand-Slam-Turnier - und das, obwohl sie erst vor eineinhalb Jahren Mutter geworden ist.

Die 78. der Weltrangliste musste auf Court elf antreten, einem der kleinsten und unbeliebtesten Plätze der Anlage. Zuschauer gehen hier plaudernd vorbei oder erheben sich einfach, während der Ballwechsel läuft. Nebenan liegt eine Cafeteria, das Klirren des Geschirrs dringt herüber. Doch die 27-jährige Maria blieb ruhig und geduldig, mit 1:6, 6:2, 10:8 rang sie die kräftige Qualifikantin Duan Ying Ying aus China nieder.

Als sie den dritten Matchball verwandelt hatte, riss sie die Arme hoch, trabte zu ihrem Trainer, sie umarmten sich lange. Dann küssten sie sich. Charles Maria ist nicht nur der Coach der Tennisspielerin, sondern auch Ehemann und Vater von Tochter Charlotte. Als kleines Familienunternehmen bereisen die Marias seit ein paar Monaten die WTA-Tour - und das Außergewöhnliche: Die Spielerin aus dem baden-württembergischen Bad Saulgau wird immer erfolgreicher.

Vor zwei Jahren in Wimbledon absolvierte Maria, die vor ihrer Hochzeit Tatjana Malek hieß, ihr letztes Match vor der Babybause. Sie war im vierten Monat schwanger und verlor wie so oft in ihrer Karriere in der ersten Runde. Als die Tennisspielerin im März 2014 wieder bei einem Turnier auf dem Platz stand, war alles anders: Tochter Charlotte war vier Monate alt und Maria gewann plötzlich mehr Matches als früher.

Keine Unterstützung vom deutschen Verband

Nur sechs Wochen nach der Geburt war Maria auf den Tennissplatz zurückgekehrt, sie feilte in ihrer neuen Heimat in Palm Beach County in Florida an ihren Schlägen, machte Krafttraining. Die Tochter schlief neben dem Platz im Kinderwagen. Serena und Venus Williams, die nebenan wohnen und mit Maria befreundet sind, gaben ihr Tipps für die zweite Karriere. Venus passte gelegentlich auf die kleine Charlotte auf.

Tatjana Maria kämpfte sich bei Challenger-Turnieren zurück unter die Top 100 der Weltrangliste. Unterstützung vom Deutschen Tennisbund erhielt sie bei ihrem Comeback nicht. "Ich dachte, ich bekäme ein paar Wildcards für kleine Turniere, aber da half mir der DTB nicht", beklagte sie sich in diesen Tagen in Wimbledon.

Doch Maria hat auch so Erfolg. Bei den Australian Open Anfang des Jahres stand sie wieder im Hauptfeld eines Grand-Slam-Turniers, sie schlug Eugenie Bouchard, eine Top-Ten-Spielerin. In der ersten Runde scheitert sie nur noch selten. Ihre bislang beste Weltranglisten-Platzierung, Nummer 69, wird sie nun bald überbieten.

Schon immer galt Maria als talentiert. Seit sie Mutter ist, hat sie jedoch mehr Vertrauen in sich, strahlt mehr Ruhe aus. Sie spielt cleveres Tennis, ihr tiefer Slice zermürbte am Donnerstag ihre Gegnerin Duan, sie bewegte sich gut. Nach zwei Stunden und 13 Minuten stand sie als Siegerin fest. Maria konnte jedoch nicht sofort zurück zu Tochter Charlotte, um mit ihr zu spielen. Denn sie musste nach dem größten Erfolg ihrer Karriere sofort im Doppel antreten. Die Cousine, die in Wimbledon als Babysitterin einspringt, machte Überstunden.

In der dritten Runde trifft Maria am Samstag auf die Amerikanerin Madison Keys, die Nummer 21 der Welt. Der Platz wird dann endlich ein wenig größer und ruhiger sein. Ob Sieg oder Niederlage, glücklich ist Maria in Wimbledon sowieso: "Charlotte ist es ganz egal, ob ich gewinne oder verliere", sagt die Tennisspielerin, "sie freut sich einfach immer, wenn sie mich sieht."

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