Markt Schwaben:Lieber erst sparen

21 Millionen Euro

soll die Geothermie in Markt Schwaben in etwa kosten. Der Energiekonzern Bayernwerke Natur GmbH hat der Gemeinde angeboten, die Fernwärme in der Poinger Anlage einzukaufen oder sich dort an der dritten Geothermie-Bohrung zu beteiligen. Dafür müsste Markt Schwaben allerdings 23 Millionen Euro investieren.

Geothermie, weitere Gewerbeflächen und eine Beitragssatzung im Straßenbau könnten der Gemeinde Geld bringen. Im Gemeinderat finden diese Optionen derzeit aber wohl keine Mehrheit

Von Isabel Meixner, Markt Schwaben

Als Hans-Ludwig Haushofer 2008 die Interessengemeinschaft pro Geothermie Markt Schwaben mitgründete, war seine Meinung zum Thema Erdwärme klar: Die Gemeinde soll investieren. Doch dann wurde er für die Freien Wähler in den Gemeinderat gewählt. Heute sagt er: "Wenn ich mir das im Zusammenspiel mit der gegenwärtigen Finanzlage anschaue, sollten wir das besser zukünftigen Generationen überlassen."

Die Geothermie könnte eine Möglichkeit sein für Markt Schwaben, den unausweichlichen Millionenausgaben eine Einnahmequelle gegenüber zu setzen. Zumindest im besten Fall. Denn welche Wassertemperaturen den Bohrmeißel in rund 2400 Metern Tiefe erwarten, ist fraglich. Und damit auch die Wirtschaftlichkeit. Eine Anomalie im Boden lässt das Wasser von 100 Grad in München bis auf 60 Grad in Ebersberg abkühlen. Optimistische Schätzungen sehen die Temperatur in Markt Schwaben knapp oberhalb der Wirtschaftlichkeitsgrenze bei rund 72 Grad. Aber wie optimistisch darf eine Gemeinde sein, die finanziell mit dem Rücken zur Wand steht?

"Ich sehe das eher als Wunschdenken", sagt Monika Schützeichel (CSU). Sie saß schon im Gemeinderat, als die Gemeinde erstmals eine Bohrung, damals im Burgerfeld, in Erwägung zog. "Wenn wir Glück haben, ist das Ganze grenzwertig wirtschaftlich." Auch Gemeinderat Sascha Hertel (Zukunft Markt Schwaben) ist angesichts der sechs Millionen Euro Kosten für die Probebohrung das Risiko zu hoch, dass die Geothermie zum finanziellen Desaster wird: "Wir brauchen jeden Cent für den Schulneubau und andere Projekte." Er spricht sich dafür aus, das Fernwärmenetz, das die Gemeinde baut, mit Hackschnitzel zu beheizen, "das rechnet sich auf jeden Fall".

Das wiederum lehnt dritter Bürgermeister Joachim Weikel (Grüne) ab. Hackschnitzel seien nicht hundertprozentig regenerativ, die Bäume müssten erst mit den Autos von sonstwo hergefahren werden. Kritisch sieht er auch den Vorschlag der Bayernwerk Natur GmbH, den die Gemeinde derzeit prüft: Die Gemeinde könnte die Wärme für ihr Fernwärmenetz in Poing kaufen. Damit würde man sich in die Abhängigkeit eines großen Energiekonzerns geben, "die wir eigentlich nicht wollten".

Ob die Geothermie also wirklich kommt und dann überhaupt Geld in die leeren Kassen der Gemeinde spült, ist fraglich. Wer sich nach weiteren potenziellen Einnahmequellen umschaut, stellt schnell fest: Markt Schwaben hat nicht die Möglichkeiten, wie Vaterstetten oder Poing große Bau- oder Gewerbegebiete auszuweisen. Poing hat durch seine Baugebiete finanzstarke Bürger aus München in die Gemeinde geholt, was sich im Anteil Poings an der Einkommenssteuer bemerkbar macht. Nimmt man Einkommens- und Gewerbesteuer zusammen, nimmt Poing in diesem Jahr rund 22 Millionen Euro ein. In Markt Schwaben sind es 13,5 Millionen Euro.

Markt Schwaben hat im Westen noch eine Möglichkeit, sein Gewerbegebiet zu erweitern. Bürgermeister Georg Hohmann (SPD) macht keinen Hehl daraus, dass er das Gewerbegebiet gerne erweitern würde. Gleichzeitig betont er auch, dass Gewerbeflächen "kein Allheilmittel" seien. Markt Schwaben hat in den vergangenen Jahren ein paar Mal erlebt, dass erfolgreiche Unternehmen internationalisiert wurden und plötzlich im Ort keine Gewerbesteuer mehr zahlten. Hohmann findet das ungerecht, er ist schon bei Bayerns Wirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) vorstellig geworden. "Firmen sollen die Gewinne, die sie hier erwirtschaften, auch hier verrechnen." Doch ob sich an dieser Praxis in absehbarer Zeit etwas ändert?

Der Gemeinderat sieht eine Erweiterung des Burgerfelds kritisch. "Wir stehen noch nicht so an der Wand, dass wir diese Chance nutzen sollten", findet Schützeichel. Markt Schwaben ist flächenmäßig die kleinste Gemeinde im Landkreis; sind die Flächen im Westen des Orts weg, habe die nachfolgende Generation kaum mehr Entwicklungsmöglichkeiten mehr, sagt Schützeichel. Weikel sieht das ähnlich, er möchte die Grundstücke erst dann erschließen, wenn lokale Betriebe erweitern wollen. "Das Ziel muss sein, dass wir dort dauerhafte Gewerbesteuerzahler haben."

Und sonstige Einnahmequellen? Das Landratsamt drängt seit 2013 auf eine Straßenausbaubeitragssatzung. Diese würde es der Gemeinde ermöglichen, Anwohner an den Kosten für Straßenausbauten zu beteiligen. Auch wenn diese Satzung der Gemeinde jährlich einen sechsstelligen Betrag einbringen könnte, lehnen viele Gemeinderäte sie als sozial ungerecht ab. "Wenn sie nicht wirklich ganz notwendig ist, bin ich eher dagegen", sagt Weikel. Die Satzung würde nur die Markt Schwabener treffen, die noch nicht das Glück hatten, dass die Gemeinde ihre Straße ausgebaut hat. Monika Schützeichel glaubt, dass der Beitrag für manche Anwohner sogar ein existenzielles Problem werden könnten.

Es wirkt so, als seien der Gemeinde bei der Suche nach neuen Einnahmequellen die Hände gebunden. Oder besser: Ihre Politiker binden sie sich selbst. Die Stimmung im Gemeinderat bringt Monika Schützeichel auf den Punkt: Man könne zwar grundsätzlich über alles reden, "aber erst, wenn wir den Haushalt durchforstet haben"

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