Kritik:Spannend

Kent Nagano und die Philharmoniker

Von Andreas Pernpeintner

Schon vor Wagners Vorspiel zum ersten "Parsifal"-Aufzug, dessen weitgespannte Entwicklungslinien Kent Nagano und die Münchner Philharmoniker mit Übersicht und Vorsicht nachzeichnen, hat der Philharmonische Chor München auf dem Podium im Gasteig Aufstellung bezogen. In riesiger Besetzung, die bei der im Anschluss erklingenden Psalmensymphonie von Igor Strawinsky zunächst gar nicht recht mit dem reduzierten Orchester zu korrespondieren scheint. Doch dann passen die Ensembles doch gut zusammen, weil der Chor mit bestechender Disziplin agiert und Strawinskys dichtverwobene Musik, die geheimnisvoll zwischen Kontemplation, Düsternis, rhythmischer Prägnanz, eng gegliederter Kontrapunktik und ruhig wiegendem Fluss changiert, plastisch umsetzt. Allenfalls für Naganos subtile Akzentzeichnung ist die große Sängerschar mitunter etwas zu träge. Bemerkenswert ist auch der Orchesterpart: Ohne hohe Streicher (es gibt keine Geigen, auch keine Bratschen) sind die Klangfarben meist gedeckt. Einzig die Holzbläser und ab und an die beiden sonst überwiegend rhythmisch grummelnden Klaviere streuen hellere Momente ein. Spannend - und präzise musiziert.

Bei Bruckners f-Moll-Messe WAB 28 nach der Pause ist die Größe des Chores dann sowieso vollauf berechtigt. Auch hier beeindruckt - mit leichten Abstrichen im Unisono - die sängerische Homogenität. Und insbesondere erweist sich Naganos interpretatorisches Konzept als überaus fruchtbar: Durch seine konzentrierte und auf Details bedachte Herangehensweise wird die Musik wunderbar beleuchtet. Denn hier gibt es bei aller Größe des Klangs und neben der hochexpressiven Dramatik und der innigen, klanglich breitgefassten Wärme auch erstaunlich filigrane Stellen und verstecktere Konturen, die Nagano klar erkennbar an die Oberfläche bringt. Das gilt für alle Sätze - besonders natürlich für das musikalisch in allen Belangen intensiv gestaltete Credo, in dem nur das zauberhaft intim komponierte "Et incarnatus est" zu spröde gerät. Diese Aufführung ist beglückend. Das namhaft besetzte Solistenquartett (Anne Schwanewilms, Mihoko Fujimura, Michael Schade, René Pape) trägt mit seinem trockenen Gesang dazu allerdings nicht bei.

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