Boxen:Im Namen des Bruders

Toni und James Kraft wollen sich an die Weltspitze kämpfen - dafür haben sie sich sogar von ihrem Geburtsnamen getrennt.

Von Benedikt Warmbrunn

Der eigene Name ist einem Boxer heilig, wenn die Leute diesen Namen hören, sollen sie daran denken, wie sich der Boxer im Ring bewegt, ob er tänzelt, ob er prügelt, in dem Namen soll beides drin stecken: der Boxer und der Mann. Mike Tyson zum Beispiel - kurz, hart, zischend. Muhammad Ali - edel, überlegen und doch federleicht. Graciano Rocchigiani - eine Name wie ein Handgelenksbruch.

Ein Sommervormittag Ende Juni, der Vorraum eines Fitnessstudios in Dachau. Auf einem engen Sofa sitzen die Brüder Musa und Safet Avdimetaj, aber so werden sie in dieser Geschichte nicht mehr genannt werden. Auf der ganzen Welt wollen sie bekannt werden, und sie haben sich deshalb neue Namen gesucht, Namen, die die Leute sich merken sollen. Namen, bei denen die Leute an das denken, was die beiden Brüder sind: an Boxer.

An diesem Samstag (22.45 Uhr/Sport1) treten sie in München im Circus Krone an, Musa als James, Safet als Toni. Und statt Avdimetaj heißen sie jetzt Kraft.

Wobei das nicht ihre erste Wahl für einen Nachnamen war. Zunächst war ihr Favorit: Stark.

Auf dem Sofa in Dachau erzählen sie nun vom Leben mit neuem Namen. James sollte eigentlich George heißen, wie der große, wuchtige George Foreman - er hat sich aber durchgesetzt, er wollte den James, wie der britische Geheimagent. Er hofft, dass das bei den Mädels besser ankommt. Toni wollte erst Tomi heißen, aber ihm ist das mit dem Namen auch nicht so wichtig, er sagt, am wichtigsten sei es ohnehin, ein guter Boxer zu sein.

Am Anfang, sagen sie, sei das ungewohnt gewesen mit den Namen. Dann erzählen sie, dass sie sich nur noch als James und Toni vorstellen. Dass sie sich untereinander nur noch als James und Toni anreden. Dass nur ihre Eltern in Waldkraiburg sie noch Musa und Safet nennen.

Musa und Safet sind Kinder geblieben. James und Toni werden gerade Männer. Zwei Männer, die im Ring vor einer noch völlig unbenannten Zukunft stehen.

Talentiert sind die Kraft-Brüder James, 18, Mittelgewicht, und Toni, 22, Halbschwergewicht, vielleicht so talentiert wie nur wenige Boxer in Bayern. Doch Talent alleine reicht in dieser Branche nicht, Boxer brauchen auch eine Geschichte. Bei ihnen ist das die Brüder-Geschichte.

James und Toni Kraft

Ruhig und stilistisch anspruchsvoll: Toni Kraft, 22.

(Foto: oh)

Das Sofa in Dachau ist tatsächlich sehr eng, und während die beiden erzählen, rutschen sie immer weiter aufeinander zu. James legt seine Hand mal auf Tonis Schulter, mal auf sein Knie, nie lässt er ihn ganz los. Ihnen gegenüber sitzt Alexander Petkovic, ihr Trainer und Manager, er hat früher selbst geboxt, in Hamburg hat er mit den Klitschko-Brüdern trainiert. "Wie James und Toni zueinander halten, das ist einmalig", sagt er. Bei den Klitschkos habe immer Vitali, der Ältere bestimmt, die Kraft-Brüder dagegen "entscheiden immer zusammen". Zum Beispiel die Sache mit dem Namen. Oder wie viel Zeit sie der Welt noch geben, bevor diese ihre neuen Namen kennen soll.

Im Herbst haben beide bei den Profis debütiert. James hat seitdem fünfmal gekämpft, Toni viermal, kein Kampf ging verloren. Nun wollen sie in den Ranglisten nach oben klettern, um den Jahreswechsel herum um eine deutsche Meisterschaft boxen, "wir haben Geduld für zehn Jahre", sagt Toni. Petkovic sagt: "In zwei Jahren gehören sie zur Weltspitze."

Der Weg, den sie bis dorthin gehen, werden sie gemeinsam gehen, und doch auf ganz unterschiedliche Weise. Toni spricht ruhig und überlegt, James dagegen ist frecher, lacht laut und schrill. Ähnlich unterschiedlich sind auch ihre Boxstile.

Toni vertraut ganz auf seine Technik, jeder Schlag soll auch ein Treffer sein, "mir ist er manchmal ein bisschen zu vorsichtig", sagt James. Der jüngere Bruder setzt mehr Wucht in seine Schläge, sie müssen nicht präzise sein, dafür soll der Gegner wackeln; vier seiner fünf ersten Kämpfe hat er vorzeitig gewonnen. "Er weiß, dass er durch einen einzigen Schlag gewinnen kann", sagt Toni, der Ältere, "daher ist er manchmal noch ein bisschen zu verspielt."

James und Toni Kraft

Frech und mit viel Wucht in den Fäusten: James Kraft, 18.

(Foto: oh)

In seinem ersten Kampf wurde James einmal von einem Haken erwischt, er wackelte, rettete seine Beine aber in die Pause und durch den Kampf. Er versprach, besser auf seine Deckung zu achten - in seinem zweiten Kampf wurde er prompt wieder von einem Haken durchgeschüttelt. "In der Rundenpause bin ich total sauer zu ihm gelaufen", sagt Trainer Petkovic, "aber da hat er mich nur mit großen Augen angeschaut und gesagt: ,Ich schwöre, es passiert nie wieder.'" Seitdem hat James Kraft vorsichtshalber immer durch einen Knockout gewonnen.

In diesem Sommer werden die Brüder fest von Waldkraiburg nach Dachau ziehen; ihre Schlafzimmer werden im selben Haus wie ihr Trainingsraum sein. Fern von der Heimat ihrer Eltern werden sie sich noch mehr darauf konzentrieren können, James und Toni zu sein, zwei Boxer, die in die Welt einen Namen hinaustragen wollen, den sie selbst erst seit wenigen Monaten kennen.

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