Zensurdebatte:Die Puppen von Paris

Zensurdebatte: Les Gunignols d'info im französischen Privatsender Canal+: Bedroht von Konzernbesitzer Bolloré?

Les Gunignols d'info im französischen Privatsender Canal+: Bedroht von Konzernbesitzer Bolloré?

(Foto: Stephane de Sakutin/afp)

Die Nachrichtenparodie "Guignols de l'info" auf Canal+ ist frech wie berühmt. Zu frech, zu spöttisch, sagt nun der Sendereigentümer.

Von JOSEPH HANIMANN

Die Erfolgsstory der täglichen Nachrichtenparodie Guignols de l'info begann 1988. Sieben Jahre musste sich da die zapplige Chirac-Puppe mit dem spitzen Kinn und dem Spatzengehirn noch gedulden, bis sie im Ornat des Staatspräsidenten auftreten konnte. Unter den Hunderten Latexpuppen, die seither bei den Guignols auf Canal + auftraten, ist Chirac eine der gelungensten. Manche Persönlichkeiten aus Politik, Sport und Showbiz sind in Frankreich heute als Guignol besser bekannt als in Wirklichkeit. Und der Nachrichtensprecher "PPD", nach dem damaligen Nachrichtenmoderator Patrick Poivre d'Arvor geformt, einem Ulrich Wickert à la française, rudert mit seinen Handbewegungen noch immer durch die allabendliche Acht-Minuten-Sendung, obwohl das Vorbild längst im Ruhestand ist.

Es ist nicht immer ein Humor von der feinsten Art. Die Puppe des damals frisch gewählten Papstes Benedikt XVI. schloss ihren Auftritt als Studiogast mit den Worten "Im Namen des Vaters, des Sohns und des Dritten Reichs". Die Schriftstellerin Françoise Sagan machte der Fernsehanstalt schon in den ersten Jahren einen Prozess. Mit ihrer zotigen Art, durch Frechheit dem Anständigen und Guten zum Durchbruch zu verhelfen, fand die Sendung aber genauso Anklang im Volk wie bei den Intellektuellen. Sie scheut sich nie, auch aus Dramen wie dem der Migranten auf dem Mittelmeer eine Lachnummer zu machen - vorausgesetzt, man kann damit jemand zum Schurken machen. So ist die Empörung nun groß beim Gerücht, die Sendung könnte in diesem Sommer eingestellt werden.

Der Industrielle Vincent Bolloré, Chef des Vivendi-Konzerns, zu dem Canal + gehört, hat in letzter Zeit sein Missfallen am Ton der Sendung bekundet. Der Spott werde da übertrieben, findet er. Die Anzeichen, dass er Konsequenzen ziehen will, erhärten sich. Wirtschaftliche Überlegungen können nicht dahinter stehen, die Sendung verliert keine Zuschauer. Spekuliert wird über andere Gründe, dass etwa Nicolas Sarkozy, ein enger Freund Bollorés, seinen Doppelgänger bei den Guignols nie gemocht hat. Wenige Tage nach dem Tod von Alain de Greef Ende Juni, der die Idee einer Satiresendung nach dem englischen Modell von Spitting Image 1988 lanciert hatte, wäre der Zeitpunkt für ein Aus nun allerdings höchst ungeeignet.

Jedenfalls laufen die Empörten auch auf Twitter Sturm. Ein Protest-Aufruf gegen die mögliche Einstellung fand innerhalb eines Tages dreißigtausend Unterzeichner, Politiker treten plötzlich mit Liebeserklärungen an ihre Karikaturpuppen auf. "Ich sehe mich gern bei den Guignols", twitterte Alain Juppé, der Hauptkonkurrent gegen Sarkozy im rechen Lager für die nächsten Präsidentschaftswahlen, und wechselte das Foto seines Twitter-Profils gegen das seiner Guignols-Puppe aus. Die Karikatur gehöre in Frankreich zur demokratischen Kultur, erklärte Staatspräsident François Hollande. Die Einmischung der Konzernführer und Medieninhaber ins Redaktionelle gehört allerdings auch schon fast dazu, wie es nicht nur der Besitzer der Zeitung Le Figaro, Serge Dassault, wiederholt vorgemacht hat. Derweil bangen die Guignols und üben sich in Galgenhumor.

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