Formel 1 in Silverstone:Hamilton vergeht das Grinsen

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Lewis Hamilton: Modisch unbeirrbar (Foto: Getty Images)
  • Vor dem Rennen in Silverstone ist die Nervosität bei Lewis Hamilton spürbar.
  • Sein Vorsprung ist auf zehn Punkte geschrumpft.
  • Die Dominanz von Stall-Rivale Nico Rosberg macht ihm zu schaffen.
  • Das Qualifying zum Rennen finden Sie ab 14 Uhr hier.

Von Elmar Brümmer, Silverstone

Der Donnerstag, der Tag ohne Kleidervorschriften in der Formel 1, verrät nicht nur viel über den Modegeschmack der Rennfahrer. Bei manchen drückt die Selbstinszenierung auch die Stimmung aus. Lewis Hamilton ist mal wieder besonders auffällig angezogen, er erscheint vor dem Großen Preis von Großbritannien als Mischung aus Hipster, Holzfäller und Konzernangestellter. Um den Hals trägt er eine ungewohnt zierliche Kette mit Engelsanhänger.

Noch auffälliger sind allerdings der Gesichtsausdruck und die Gestik des Weltmeisters. Als ob ein leichter Schatten über allem liegt. Oder schwerer Druck.

Drei Siege des Kollegen und Konkurrenten Nico Rosberg in den vergangenen vier Rennen beschäftigen Hamilton vor dem Heimspiel sichtlich mehr, als er zugeben kann. Auf zehn Punkte ist sein Vorsprung geschrumpft, dem seit Monaten ausverkauften Rennen in Silverstone kommt damit eine noch größere Bedeutung zu: Der WM-Kampf könnte danach wieder völlig offen sein.

Und manchmal erscheint es so, als brauche der Titelverteidiger diese Zuspitzung im Duell der Mercedes-Werksfahrer, um alles aus sich herauszuholen. Hamiltons Talent am Lenkrad kommt dabei eine ebenso große Bedeutung zu wie der Nervenstärke außerhalb des Cockpits. Denn es geht in diesem Hin und Her der unterschiedlichen Charaktere um Nuancen, wie das leicht verzögerte Kupplungsspiel vor zwei Wochen in Spielberg gezeigt hat. Start verloren, Rennen verloren.

Schon kursierten auf der Insel Verschwörungstheorien, Rosberg sei womöglich bevorzugt worden. In Silverstone bedankte sich Hamilton offiziell beim Kontrahenten, dass dieser den technischen Fehler bei Testfahrten gefunden habe - womit er von einer möglichen eigenen Startschwäche ablenkte. Rosberg, der eine Viertelstunde später seine Pressekonferenz gab, war überrascht. Er wisse von nichts - denn natürlich will er, dass der gelungene Start seinem Talent und keinem Elektronikdefekt zugeschrieben wird. Tatsächlich haben die Mercedes-Ingenieure in Rosbergs Testprogramm mit besonderen Startübungen die technische Anomalie erkannt. Ein überraschender Akt von Selbstlosigkeit in dieser Ego-WM war es aber nicht.

Künftig wird das Start-Problem kein Thema mehr sein, denn nach der Kritik vieler Formel-1-Fans wird das Startreglement vom übernächsten Rennen an verändert: Elektronische Hilfen werden eingeschränkt, es soll wieder auf den Fahrer ankommen. Und für die nahe Zukunft soll sich im Reglement noch viel mehr ändern, damit das von den Silberpfeilen dominierte Feld wieder Anschluss findet.

Die beiden Silberpfeil-Rivalen bleiben aber Nachbarn. Auf dem Silverstone-Gelände stehen sie auch nach Feierabend in derselben Startreihe - mit ihren Wohnmobilen. Vor seinem hatte Rosberg in diesen Tagen Teammitglieder zum Grillen eingeladen und tat dann überrascht, dass ihm Hamilton auch in der Freizeit so nah auf die Pelle rücken würde: "Ich stelle einen hohen Zaun auf." Sicherheitshalber wiederholte er drei mal, dass er soeben einen Witz gemacht hatte.

Hamilton nahm die Einladung später gerne an: "Gratisessen schmecken doch am besten." Er grinste dabei, aber es wirkte gezwungen, und wahrscheinlich wäre es ihm vergangen, hätte er gewusst, dass in diesem Moment auf der Videowand hinter ihm ein Bild des Champagner verspritzenden Rivalen eingeblendet wurde - aus der Perspektive der Zuhörer schien Rosberg auf Hamiltons Hinterkopf zu zielen.

Nach den Niederlagen in Monte Carlo und Spielberg war der 30 Jahre alte Brite schon bei der Podiumszeremonie ungenießbar gewesen, worauf der ehemalige Weltmeister Damon Hill sagte: "Wenn Siege zur Gewohnheit geworden sind, kann man mit Platz zwei schlecht umgehen. Aber Lewis muss sein Benehmen ändern. Solche Reaktionen stärken seine Gegner, Nico lacht sich ins Fäustchen."

Im vergangenen Jahr hatte Hamilton beim britischen Grand Prix das Qualifying verpatzt und trotzdem den Sieg eingefahren, weil Rosberg in Führung liegend ausfiel. Und unter normalen Umständen werden die beiden den Sieg am Sonntag unter sich ausmachen. Der 30-Jährige verpackt seine Kampfansage in eine Lektion britischer Motorsportgeschichte, er erinnert an den Sieg von Stirling Moss 1955 gegen Silberpfeil-Kollege Juan-Manuel Fangio: "Stirling hat mir erzählt, dass er sich nie sicher war, ob ihm Fangio damals den Sieg geschenkt hat. Und wenn, dann wäre er zu sehr Gentleman gewesen, es zu erwähnen. Würde ich einen Sieg verschenken? Niemals. Nicht mal an meinen Bruder."

© SZ vom 04.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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