Japanische Küche:Das Sushi-Examen

Japan ist berühmt für eine feine Küche mit rohen Zutaten. Jetzt will das Land die Qualität seiner Speisen weltweit sichern und führt einen so genannten "Dan" ein - eine Art schwarzer Gürtel für Meisterköche.

Von Christoph Neidhart

Ein Sushi-Chef muss mindestens fünf Jahre lernen, bevor er vor den Augen des Gastes Fisch zerlegen, Reisbällchen kneten, mit etwas Wasabi bestreichen und den rohen Fischstreifen draufpressen darf. In anderen Restaurants der traditionellen japanischen Küche, Washoku genannt, dauert die Lehre noch länger. Die Mühsal lohnt sich: Washoku wurde von der Unicef ins Weltkulturerbe aufgenommen, japanische Küche boomt wie nie zuvor. Im Ausland hat sich die Zahl der Restaurants in fünf Jahren verdoppelt. Die Küche gilt als Export- und Kulturgut - Japans Politik hat das längst erkannt.

Nun will das Landwirtschafts- und Fischereiministerium für Washoku-Köche im Ausland ein System der Meisterränge einführen, Dan genannt - wie im Judo. Künftig soll sich, wer irgendwo in der Welt japanisch kocht, gleichsam vom weißen bis zum schwarzen Gürtel hochkochen können. Den Kochwächtern stoßen vor allem die vielen "Asia"-Restaurants süß-sauer auf, die neben Sushi auch Peking-Ente, vietnamesische Frühlingsrollen und Pad-Thai servieren.

Washoku ist eine einfache, klare Küche, sie würzt wenig und außer mit Wasabi kaum scharf. Sie stellt ihre Zutaten eher dar und kombiniert sie, als sie zu verkochen. Dabei kitzelt sie möglichst viel Eigengeschmack aus ihnen heraus. Sie ist manchmal genial und oft genial einfach. Selbst die Bentos, die Lunchboxen, die Mütter ihren Kindern in die Schule mitgeben, sind kulinarische Gedichte.

Dass ein Koch so lange lernen muss, liegt eher an der Art, wie Japan Leute ausbildet, als an der Schwierigkeit des Handwerks. Ein Meister erklärt nicht, er macht. Der Schüler soll genau nachahmen, was er vormacht. Endlos, oft harsch wird er korrigiert. Fisch wird nur nach einer bestimmten Technik zerlegt. Die Frage nach dem Warum wäre eine Frechheit.

Japan ist eine theatralische Gesellschaft, die Japaner schlüpfen stets in Rollen, von denen sie genau wissen, wie sie gespielt werden müssen. Es gibt nur eine Art, das Messer zu halten oder den Gästen "Irasshaimase" zuzurufen: willkommen. Es ist auch festgelegt, welche Zutaten zueinander passen, und in welcher Jahreszeit sie serviert werden. Mit den Dan-Prüfungen soll sich diese Orthodoxie international durchsetzen. Zudem wollen die Beamten die Hygiene der Kandidaten prüfen. Japans Küche verwendet viele rohe Zutaten. In den letzten Jahren gab es mehrere Todesfälle, weil Kneipen verdorbene rohe Rindsleber serviert hatten.

Fusion-Kreationen werden bei den Dan-Richtern keine Chance haben, obwohl zentrale Washoku-Gerichte Kulturimporte sind. Tempura brachten die Portugiesen im 16. Jahrhundert nach Japan, die Nudeln kamen fast tausend Jahre früher aus China. Inzwischen stehen auch in Tokio "California Rolls" auf dem Menu. Für Sushi-Chefs im Ausland gibt es bereits Diplome aus Japan. Vergeben werden sie vom "Welt-Sushi-Institut", auch eine Erfindung der Politik. Das Ministerium, das nun den Dan einführt, kümmert sich um Regeln der anderen freilich weniger: Es setzte sich über ein Urteil des Internationalen Gerichtshofs hinweg und nahm den Walfang im Südpazifik wieder auf.

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