John Isner in Wimbledon:Marathon-Mann ist zurück

Lesezeit: 3 min

John Isner: Kann's nicht kurz (Foto: Glyn Kirk/AFP)
  • 70:68 im fünften Satz, nach mehr als elf Stunden: Der Amerikaner John Isner gewann vor fünf Jahren in Wimbledon das irrste Match der Tennisgeschichte.
  • Nun spielt er wieder eine dramatische Partie.
  • Die Liveticker zu Wimbledon finden Sie hier.

Von Lisa Sonnabend, Wimbledon

Als sich die Dämmerung über London legte, ging ein lautes Raunen durchs Publikum. Manche sprangen auf, ballten die Fäuste. Andere konnten sich ein Lächeln nicht verkneifen. John Isner hatte am Freitagabend einen Matchball gegen Marin Cilic abgewehrt, 5:5 stand es nun im entscheidenden fünften Satz - und die Zuschauer wussten: Es kann noch eine Weile dauern. Er war wieder da, der Marathon-Mann.

Vor fünf Jahren spielte der 30-jährige Isner auf der Anlage in Wimbledon eine Partie, die in die Tennisgeschichte einging. Das Erstrundenmatch auf Court 18 verfolgt ihn bis heute. Es war die längste, die spektakulärste, die irrste Partie aller Zeiten. Elf Stunden und fünf Minuten standen Isner und der Franzose Nicholas Mahut auf dem Platz, das Match zog sich über drei Tage.

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Von Lisa Sonnabend, Wimbledon

Auch Mahut war 2015 in Wimbledon dabei, auch ihn nennen die Zuschauer immer noch den Marathon-Mann. Doch er verlor in der zweiten Runde, schaffte es nicht einmal in einen fünften Satz. Aufschlagmonster Isner dagegen wahrte am Freitagabend die Chance, erstmals in seiner Karriere ins Wimbledon-Achtelfinale einzuziehen. Um 21:15 Uhr betrat ein Mann in schwarzem Anzug den Court Number 1. Die Zuschauer buhten, kurz danach vertagte der Schiedsrichter die Partie. Es stand 10:10 im fünften Satz. Am Samstagnachmittag geht es weiter. Die Frage lautet nun nicht nur: Wem gelingt der Sieg? Sondern auch: Wie lange dauert es?

Als an jenem 22. Juni 2010 um 21.07 Uhr der Schiedsrichter die Partie zwischen Isner und Mahut wegen Dunkelheit abbrechen musste, war es noch ein ganz gewöhnliches Tennisspiel. 6:4, 3:6, 6:7, 7:6 stand es aus Sicht des Amerikaners. Als sich jedoch am Tag danach um 21.09 Uhr erneut die Nacht über London legte, war das Match noch immer nicht entschieden. Noch lange nicht.

59:59 stand es im fünften Satz. Andere Spieler hatten in der Zwischenzeit ihre Spiele begonnen und beendet, Isner und Mahut kämpften noch immer um diesen einen, entscheidenden verrückten Satz. Am Tag danach um 15:43 Uhr wurde es ein drittes Mal aufgenommen. Die Zuschauer drängten sich auf dem kleinen Platz, sie filmten mit den Smartphones, sie schossen Fotos. Sie wussten, dass sie bei etwas Außergewöhnlichem dabei waren.

Wegen der Statuten des Internationalen Tennisverbandes muss ein Match auf dem gleichen Platz, auf dem es begonnen hat, fortgesetzt werden. Dabei interessierten sich längst mehr Menschen für das Marathon-Match, als für das Geschehen auf dem Centre Court. Selbst die Fußball-WM in Südafrika rückte für ein paar Stunden in den Hintergrund. Die Sportwelt blickte auf Court 18 in Wimbledon.

Um 16:47 Uhr hatte Isner schließlich seinen fünften Matchball. Ein Rückhandpassierball - und es war vorbei. 70:68. Es sah so einfach aus, doch er hatte elf Stunden und fünf Minuten dafür gebraucht. Fast fünf Stunden mehr als die bisherige Rekordpartie im Tennis. Isner ließ sich auf den Boden fallen, machte eine Kerze wie ein Bodenturner. Schrie, hielt sich die Hände an den Kopf, ließ sich minutenlang feiern. Mahut unterdrückte die Tränen.

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Der Franzose gewann 502 Punkte, Isner 478 - nie wurden mehr Punkte in einer Partie gespielt. Nie zuvor hatte es in einem Match 183 Spiele gegeben. Für eine neue Bestmarke hätte schon der fünfte Satz allein gereicht. Nie hatten Profis so viele Asse geschlagen, Isner 112, Mahut 103. Die International Tennis Hall of Fame nahm die Schläger der beiden in die Museumssammlung auf.

Auf der Anlage in Wimbledon brachten die Veranstalter eine Plakette an: "Das längste Match wurde auf Court Nummer 18 gespielt", steht darauf. Dazu die Namen der zwei Spieler, die beeindruckenden Zahlen. Isner kommt in diesen Tagen oft daran vorbei. Manchmal machen die Zuschauer gerade Fotos von dem Schild, manchmal wollen sie, dass er sich dazustellt. Auch Isner hat einmal ein Bild von sich und dem Schild machen lassen. "Es ist cool, es wird dort für immer hängen", sagte er in diesen Tagen.

Der große Durchbruch gelang Isner in den Jahren nach dem Marathon-Match nie. Dennoch ist er weit bekannter als mancher Top-Ten-Spieler. Mahut hat sogar ein Buch über jene drei Tage in Wimbledon herausgebracht. "Le Match de ma vie", das Spiel meines Lebens. Daran hatte Isner nie gedacht. Er sagte aber einmal: "Wenn ich aufhören würde, bliebe ja immer noch dieses Spiel. Ein Spiel für die Ewigkeit."

Nun steht es 6:7 (4:7), 7:6 (8:6), 4:6, 7:6 (7:4) und 10:10. Vier Stunden und 16 Minuten sind gespielt. Fortsetzung folgt.

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