Frauen in Wimbledon:In unschöner Regelmäßigkeit

Lesezeit: 3 min

  • Beschwingt starten die deutschen Frauen in Wimbledon - und sacken wieder zusammen wie ein Sitzsack.
  • Auffallend ist, dass die deutschen Tennisspielerinnen, obwohl seit Jahren unter den besten 20 der Welt, in unschöner Regelmäßigkeit kollektiv scheitern.
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Von Gerald Kleffmann, Wimbledon

Einen Moment blickte sie auf, sie erkannte etwas, das ihr gefiel, und dann drehte sie sich um und rief: "Mach ein Foto!" Oliver Pocher, bekannt als Clown aus dem Fernsehen und seit geraumer Zeit auf der Tennistour sehr oft unterwegs, sah hinüber zu jenen drei Männern, die genau in Sabine Lisickis Aufschlagrichtung standen und am hinteren Ende des Trainingsplatzes Nummer 16 versuchten, eine Plane zu befestigen. "Und was ist das Lustige daran?", fragte Pocher in trockenem ironischen Ton seine Freundin, während die in Aufschlagstellung ging. Aber zu spät. Die drei Männer waren schon fertig. Pocher machte kein Foto, und der Aufschlag schoss niemanden ab.

Titelverteidigerin in Wimbledon
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Die Tschechin Petra Kvitova verpasst gegen Jelena Jankovic das Achtelfinale. Erstmals seit 2006 schafft es in Wimbledon auch kein Deutscher unter die besten 16. Sabine Lisicki hat null Chancen, Angelique Kerber vergibt neun Satzbälle.

Die gute Laune hielt dann leider nicht den ganzen saharaheißen Samstag an im All England Lawn Tennis and Croquet Club. Denn um kurz vor 16 Uhr kamen die engsten Angehörigen in Lisickis Box auf Court No. 2 nicht mal im Entferntesten auf die Idee, das Handy für eine Belichtung zu zücken. Es war sogar so, dass Christopher Kas, ihr Trainer, Lilly Becker, die Gattin von Boris Becker, und Pocher, der Lisicki-Freund, die Köpfe senkten und gar nicht hochschauen wollten. Timea Bascinszky verwandelte so souverän, wie sie 67 Minuten lang agiert hatte, auch den Matchball, die Schweizerin, in Paris bei den French Open schon im Halbfinale, fegte mit 6:3, 6:2 über die Deutsche hinweg. Das berühmte Bum-Bum-Bine-Lächeln war verflogen ob dieser Deklassierung.

Aber irgendwie passte auch dieses Ereignis zu Turniertag sechs in Wimbledon. Ab jetzt spielt ja bei den Frauen und Männern kein Deutscher mehr mit im Achtelfinale. Das gab es zuletzt 2006.

"Wie in Paris: Gut angefangen und doch keine in der zweiten Woche"

"Frustrierend, ja", so fasste Barbara Rittner das Geschehen zusammen, "Dustin hat ja auch verloren", sagte sie und bezog sich auf die Viersatz-Niederlage von Dustin Brown in Runde drei gegen den Serben Viktor Troicki. Bezogen auf ihre Domäne als Fed-Cup-Teamchefin, als Bundestrainerin der Frauen meinte sie: "Es ist wie in Paris: gut angefangen und doch keine in der zweiten Woche."

Nach 67 Minuten ist Sabine Lisickis Drittrundenpartie gegen Timea Bacsinsky beendet. (Foto: Facundo Arrizabalaga/dpa)

Angelique Kerber, als Siegerin des WTA-Rasenturniers in Birmingham angereist und als heimliche Favoritin gehandelt, unterlag der Spanierin Garbine Muguruza mit 6:7 (12), 6:1, 2:6. Und Tatjana Maria war gegen die Amerikanerin Madison Keys mit 4:6, 4:6 vom Platz gegangen. Für die 27-Jährige aus Bad Saulgau, die vor zwei Jahren noch schwanger in Wimbledon angetreten war und sich nun als Mutter in Runde drei gespielt hatte, sei es trotzdem "ein Riesenerfolg" gewesen, urteilte Rittner. Und was war mit Kerber, Lisicki und Andrea Petkovic, die tags zuvor, gezeichnet von familiären Problemen, der Kasachin Zarin Diyas zu wenig entgegenzusetzen hatte? "Es ist ein bisschen bei allen das Muster, dass sie zu wenig gemacht haben", sagte Rittner.

Kerber verliert mit der "inneren Handbremse"

Es war wieder mal in der Tat verblüffend, wie beschwingt die besten deutschen Frauen sich dem ersten Wochenende genähert hatten und dann phasenweise in ihren Matches plötzlich zusammensackten wie ein Sitzsack. "Keine herbe Enttäuschung" spürte zwar Rittner, sie weiß ja, dass "so etwas passieren kann bei einem Grand Slam". Auffallend ist nur, dass es den deutschen Vertreterinnen, die bekanntermaßen seit Jahren zu den besten 20 Spielerinnen der Welt zählen und viel Aufmerksamkeit erhalten, in unschöner Regelmäßigkeit passiert.

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Am Anschaulichsten verkörperte Kerber eine Art innere "Handbremse", wie Rittner es empfand. Guter erster Satz, doch neun Satzbälle vergeben, mit 12:14 im Tie-Break verloren, "wenn sie diesen Satz gewinnt, glaub ich, zieht sie es in zwei Sätzen durch", so Rittner. Kerber konterte, 6:1, insgesamt in dem Match hatte sie gar nur 15 unerzwungene Fehler gemacht. Aber auch nur 33 direkte Punkte. Muguruza war dagegen viel öfter "auf die Punkte gegangen", gab Kerber zu, "klar habe ich erwartet, dass ich besser spiele". In den vergangenen vier Grand Slams kam die Kielerin nie über die dritte Runde hinaus. Erstaunlich für eine Weltranglisten-Zehnte, die sich diesmal auch nicht nervenstark präsentierte: Von 19 Breakbällen nutzte sie nur vier.

Oliver Pocher und das schlechte Omen

Während Petkovics Ausscheiden offenbar den privaten Sorgen geschuldet war, die sie nach Tagen fröhlicher Presserunden unerwartet kommuniziert hat ("Es ist gerade schwierig bei mir zu Hause"), war Lisicki völlig ratlos. "Ich kann mir das auch nicht erklären", sagte sie, aber dafür konnten das andere. Rittner hatte ja gehört, dass es einen "klaren Matchplan" gab, nämlich Bacsinszky auf ihre als schwächer eingestuften Vorhand zu attackieren. "Wenn man es dann nicht macht, geht es so aus", resümierte Rittner nüchtern. Lisicki, 2013 Finalistin hier, muss nun ihr schlechtestes Wimbledon-Ergebnis seit 2008 verkraften, bei ihrem Debüt war sie damals gleich in der ersten Runde gescheitert. "Die war heute nicht wirklich da", sagte sie selbst auf die Frage, wo ihre bekannte Wimbledon-Aura nur geblieben sei diesmal, und dann sagte sie noch ein paar andere Sätze, die indes eher wenig bis nichts erklärten.

Dabei hatte ihr Tag doch so ausgelassen begonnen. Aber vielleicht war das ja schon ein schlechtes Omen, dass Oliver Pocher kein Foto gemacht hat.

© SZ vom 05.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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